Totensummen

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Ich stand in der Mitte einer großen, grünen Lichtung. Irgendwo weit entfernt plätscherte ein Bach, der jedoch den Gesang der Vögel nicht übertönen konnte.

Ich schaute mich um, versuchte mich zu erinnern, versuchte zu verstehen, was passiert war... und dann, sah ich es.

Ein Licht, so grell, wie ich es noch nie zuvor in meinem Leben gesehen hatte. Es wurde größer und größer und schien mich beinahe zu umschlingen.

Ich schloss meine Augen und wollte mich einfach nur fallen lassen. Hinein in das Licht, egal wohin es mich brachte, doch dann hörte ich sie: die Stimme meiner Mutter.

Sie rief meinen Namen. Immer und immer wieder. Sie rief mich und bat mich umzukehren. Nicht in das Licht zu gehen. Sie warnte micht.

Jede einzelne Faser in meinem Körper spannte sich an. Plötzlich wusste ich, was das für ein Licht war, ich wusste, wo ich mich befand. Ich wanderte im Schatten. Ich war tot...

Würde ich in das Licht gehen, konnte ich nie wieder zurück... konnte ich nie wieder umkehren.

Ich öffnete meine Augen und drehte mich um. Kehre dem Licht den Rücken zu, und dort stand sie. Meine geliebte Mutter.

Sie war unendlich schön. Ihre goldbraunen Haare fielen ihr geschmeidig über ihre Schulter, die unter einem langen, weißen Seidenkleid verborgen lag. Sie lächelte mich liebevoll an und breitete ihre Arme aus.

Ich spürte die Tränen, die sich heimlich aus meinem Auge gestohlen hatten und ließ ihnen nun endgültig freien lauf.

Ich hatte sie so sehr vermisst.

Meine Beine bewegten sich schnell und ohne Mühe auf sie zu. Es fühlte sich an, als ob ich flog. Ich spürte nicht einmal das nasse Moos das sich unter meinen Füßen befand, oder die Luft, die an mir vorbei strich.

Das Einzige, das ich spürte, waren ihre langen weichen Haare und ihre Arme, sie sich sofort um mich schlossen, als ich mit Schwung auf sie zugerannt kam.

Ich drückte sie so fest an mich, wie ich nur konnte. Tränen schossen mir aus den Augen und ich schluchzte unaufhörlich.

Bei ihr konnte ich meinen Gefühlen freien lauf lassen, alle Gefühle, die sich in den letzten Jahren in mir aufgestaut hatten, kamen nun heraus. Alles, was ich so gut zurück gedrängt hatte, kam nun zum Vorschein. Bei ihr fühlte ich mich geliebt, verstanden und sicher.

Sie strich mir mit ihrer Hand sanft über den Kopf, immer und immer wieder und summte dabei ein elbisches Lied. Das Lied, das sie mir früher immer vor dem Schlafengehen vorgesungen hatte.

Es beruhigte mich und als ich mich endgültig beruhigt hatte und die Tränen mir nicht mehr meine Sicht vernebelten, ließ ich sie langsam los.

Sie schaute mich besorgt an, wischte eine Träne, die an meiner Wange klebte, ab und küsste mich sanft auf die Stirn.

"Meine geliebte Tochter, du bist stark. Stärker, als manch andere. Ich bin so stolz auf dich... so unendlich stolz.", flüsterte sie sanft. Auch sie hatte mit den Tränen zu kämpfen.

"Nein Mutter, ich kann das nicht. Ich weiß nicht, was ich tun soll. WO soll ich jetzt hin? Ich kann das nicht... ich habe Angst."

"Angst zu haben ist keine Schande, mein Kind. Nur, wer Angst hat, kann in ihnen stärker werden, und reifen."

"Aber was soll ich jetzt tun? Ich kann nie wieder nach Hause. Vater hasst mich und wird mich jagen lassen, sollte ich versuchen, wieder nach Hause zu gehen."

"Du wirst deine Aufgabe finden. Schon bald wird sich eine neue Macht erheben. Eine starke und böse Macht. Du, mein Kind, musst sie verhindern."

"Ich? Wieso ich?"

"Weil du stark genug dafür bist. Jahrelang habe ich dich beobachtet. Jahrelang hatte ich gehofft, du wärst bereit dafür, doch nie war ich mir wirklich sicher, dass du stark genug warst, doch nun bin ich mir sicher... du kannst die Welt vor all dem, was geschehen wird, bewahren."

"Nein! Ich... ich kann das nicht.!"

Sie lächelte traurig:" Ich weiß, das du es kannst, ich weiß, dass es deine Bestimmung ist."

"Meine Bestimmung? Wie bist du dir da so sicher? Wieso kann es nicht jemand anderes sein?"

Sie lächelte erneut:" Das wirst du noch früh genug heraus finden."

"Ich? Wieso ich?... ich kann das nicht! Ich bin tot!"

Sie lachelte mich amüsiert an.

"Aber nein... tot bist du noch lange nicht. Nur, weil man im Schatten wandert, heißt das noch lange nicht, tot zu sein. Deine Seele lebt und sie kann wieder zurück in deinen Körper finden, wenn du dich nur genug darauf konzentirierst."

Ich runzelte die Stirn. Ich verstand meine Mutter nicht. Wie sollte ich wieder zurück in meinen Körper kommen? Und wieso sollte ich diese "böse Macht" besiegen.

"Weil du die Auserwählte bist!",antwortete mir meine Mutter.

Ich erschrack. Wie hatte sie meine Gedanken gelesen?

"Hier im Schatten bleibt nichts verborgen mein Kind. Und jetzt musst du deinen Weg fortsetzen. Du darfst nicht zu lange hier verweilen, mein Herzblatt."

"Aber, was soll ich denn tun? Ich bin bestimmt nicht auserwählt... es gibt keine Auserwählten...!"

Sie drückte mich sanft von sich weg und strich mir noch einmal durch das Haar, bevor sie zu verblassen schien.

"Deine Zeit ist noch nicht gekommen. Deine Aufgabe ist in der Welt der lebenden"

"Nein! Mutter..."

Ich versuchte nach ihr zu greifen, doch sie war zu weit weg. Ich versuchte du rennen, doch meine Füße waren schwer wie blei.

Der ganze Wald um mich herum verschmolz zu einem einzigen Grünton, der immer dunkler wurde, bis alles in Schwarz getaucht wurde und es düster und kalt wurde.

Sehr kalt. Ich begann zu zittern und merkte, dass ich meine Augen geschlossen hatte, obwohl ich mir sicher war, sie die ganze Zeit nicht geschlossen zu haben.

Ein seltsames Gefühl machte sich in mir breit und nun begann ich wieder alles um mich herum zu spüren.

Ich spürte die feuchte Erde unter meinen Füßen und die kalte Luft um mich herum, die der Grund war, weshalb ich am ganzen Leib zitterte...

Doch da war noch etwas... etwas warmes, das auf meiner Brust lag.
Erschrocken öffnete ich meine Augen und konnte im ersten Augenblick nichts erkennen. Alles war hell und leuchtete, doch je länger ich einfach nur da lag und vor mich hin starrte, desto klarer wurde alles.

Ich lag dort, wo ich zuvor hingefallen war, doch ich war nicht allein.

Das warme, auf meiner Brust entpuppte sich als Hand.

Die Hand eines Elbs. Seine langen blonden Haare fielen ihm über die Schulter und seine Augen waren geschlossen.
Er übertrug mir einen Teil, seiner Lebensenergie.

Meine Kraft kam von Sekunde zu Sekunde mehr zurück.

Bald war ich stark genug, meine Hand zu heben und sie auf seine zu legen.

Er hatte genug getan.

Erschrocken zuckte er zusammen, öffnete daraufhin seine Augen und lächelte mich erfreut an.

"Willkommen zurück!"

Der Kampf um die Ewigkeit (Herr der Ringe/ Hobbit FF) {PAUSIERT)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt