Gib mir dein Herz und du bekommst mein Leben

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Ich hatte noch nie soetwas gefühlt. Es war, als würde sich die Welt um mich herum in Luft auflösen, als würden wir schwerelos durch Raum und Zeit gezerrt und an einen fremden Ort getragen.
In meinem Körper zog sich alles zusammen und mein Kopf wurde vom Rest meines Körpers abgetrennt.
Ich wurde aus meinem Körper gezerrt und wenige Sekunden später Stück für Stück wieder zusammengesetzt, doch es war mir egal. Alles war mir egal.
Ich fühlte seine Hand an meinem Rücken, während die andere zärtlich durch meine lockigen, verzausten Haare strich, als würde er Strähne für Strähne sachte aus meinem Gesicht streichen.
Sein großer Körper legte sich wie ein Schutzschild an den Meinen und gab mir das Gefühl vollkommen sicher zu sein.

In diesem Moment war alles perfekt. Alles war vollkommen so, wie es immer sein sollte. Als wäre es schon immer so gewesen und würde auch den Rest unseres Lebens noch so bleiben.                          
Ich wollte, dass er mich für immer festhielt, dass er mir für immer dieses Gefühl gab geliebt zu werden, doch irgendwann löste er sich von mir. Seine Hand rutschte unbedacht an meinem Körper herunter und ich spürte, dass etwas nicht stimmte. Irgendetwas hatte ihn aus der Fassung gebracht.

Ich traute mich nicht, meine Augen zu öffnen. Ich wusste, dass das, was er sah alles zerstören konnte und ich wollte nicht, dass dieser unbeschreiblich schöne Moment zerstört wurde. Nicht jetzt... bitte nicht jetzt.

"Emelîn... siehst du, was ich sehe?"
Seine Stimme klang erstickt.
Ich versuchte seinen Geruch einzuatmen, versuchte diesen kleinen Moment noch zu genießen, doch schließlich musste ich mich von ihm lösen und öffnete zaghaft die Augen.

Ich reagierte gelassener, als erwartet. Ich wusste wo wir waren. Ich hatte es schon die ganze Zeit gewusst. Tief in mir drin hatte ich mich vor diesem Wiedersehen gefürchtet. Diese schweren und doch so wundervollen Hallen in denen ich mich noch vor wenigen Monden so wohl gefühlt hatte, die vielen grünen Ranken, die sich an den Steinwänden, die ganz zerbröckelt ein Bild von Zeit und Standhaftigkeit darstellten, entlang wanden und die vielen, alten Gegenstände, die mir so vertraut waren. Alles war, wie ich es verlassen hatte und das war es, was mich beunruhigte.
Seine warme Hand legte sich um meine und er begann, auf die große Tür zuzulaufen. Der Thronsaal. Mein Vater.
Was würden wir dort finden? Würden wir die vielen Leichen sehen? Würden wir rausfinden, wie wir es verhindern konnten oder wär alles so wie immer?
Ich begann zu zittern, als ich meine Hand auf das kalte, harte Holz legte. Tausend verschiedene Emotionen erfüllten mich plötzlich.
Ich hatte Angst, war glücklich und erfreut, fürchtete mich und war aufgeregt. Alles zugleich. Alles in Einem. Alles zu viel.

Ich spürte, wie sich meine Gedanken ineinander verschlangen und verlor mich in dem großen Nichts, das sich plötzlich in mir ausbreitete. Wir hatten nicht die geringste Chance. Wie sollten wir auch? Zwei Elben gegen ein ganzes Königreich? Niemals. Wir würden niemals gegen  meinen Vater ankommen. Er war zu stark. Zu mächtig. Zu viel. Alles war zu viel. Ich konnte nicht mehr, wollte nicht mehr weiter. Ich steckte fest. Kam nicht mehr raus. Meine Gefühle fraßen mich auf, zerrissen mich von innen heraus, bissen sich an mir fest, wie Piranhas in einem See, in dem ich zu ertrinken drohte. Hier in meinen Gedanken gab es keine Luft, keinen Ausweg... nichts, das man zum Überleben brauchte. Nichts, das mich vor dem tiefen Nichts beschützen konnte.
Schwarz verlief in schwarz, Dunkelheit vermischte sich mit meinen Gedanken und nur ganz weit am Horizont schien das kleine, flackernde Licht der Hoffnung, das zu erlöschen drohte.
Doch mit einem Mal fasste es neuen Mut, so schien es. Das Flackern wurde stärker, wurde heller und kam immer näher. Das Licht wurde größer, mächtiger... beinahe unsterblich. Beinahe konnte ich eine Stimme hören, die zu mir flüsterte. Du bist nicht allein. Ich bin bei dir. Gemeinsam sind wir stark. Gemeinsam sind wir alles. Diese Stimme wurde stärker und stärker und schließlich befand ich mich in seinen Armen. Seinen starken und hoffnungsvollen Armen, die mir meine Stärke zurückgaben.
"Hab keine Angst. Ich bin bei dir, hast du mich verstanden. Und wenn du auch nur glaubst, du musst das hier alleine machen, dann schmeiße ich dich eigenhändig irgendwo runter, verstanden? Schließlich ist das eigentlich meine Aufgabe, denn ich bin der rechtmäßige Thronerbe und nicht du, als hör auf dir darüber Sorgen zu machen.

Die giftigen Tränen verwandelten sich in wohltuende Küsse auf meiner Haus, als er mein Gesicht in seine Hände nahm und mir ganz tief in die Augen schaute.
In diesem Moment hatte ich das Gefühl in seine Seele blicken zu können.
"Ich würde für dich sterben, Emelîn. Ich hoffe das weißt du.", flüsterte er.
"Mein Leben ist nichts im Vergleich zu der Liebe, die ich für dich empfinde."
Ich spürte, wie meine Beine nachgaben und fand mich wohl geborgen an seiner Seite wieder.
"Ohne dich wäre ich immernoch dieser wütende Elb, der seine Gefühle nur mit Fäusten ausdrücken konnte, dich mit dir habe ich gelernt, dass es nich viel wichtigere Dinge im Leben gibt und, dass Rache nur ein winzig kleiner Teil davon ist."
"Legolas..."
Seine Lippen brachten mich zum Schweigen. Mein Herz explodierte vor Gefühlen und schließlich rann mir eine kleine Träne über die Wange, denn ich wusste es und er nicht. Ich wusste, dass wir keine Chance mehr hatten. Ich wusste, dass alles aussichtslos war, konnte ihm die Hoffnung jedoch nicht nehmen. Er war ein Kämpfer und das war gut so. So könnte er die Wahrheit vielleicht besser verkraften, als ich.
Er war stärker als ich. Er musste es einfach sein, denn ich drohte zu zerbrechen.
Ich liebe dich Legolas. Ich liebe dich so sehr, dass ich niemals zulassen würde, dass du dein Leben für mich gibst, denn du kannst so viel mehr, als nur Kämpfen und Lieben. Du kannst herrschen. Besser als ich und deshalb werde ich dich auch gehen lassen, denn nur dann muss ich nicht an das denken, das wir hätten haben können.

Elîn?"
Ich kannte diese Stimme.
"Elônas.", antwortete ich und löste mich von Legolas, der wie versteinert auf meinen kleinen Bruder starrte.
"Wieso bist du hier? Er sucht nach dir. Alle suchen nach dir. Du solltest verschwinden."
"Elônas... ich hab dich vermisst."
Sein Ausdruck wurde weicher und jetzt lächelte auch er.
"Ich dich auch, aber du solltest nicht hier sein."
"Ich weiß ganz genau, wo ich sein sollte.", unterbrach ich ihn und und nahm meinem kleinen, geliebten Bruder mit ein paar Schritten in die Arme.
Es war eine Geste des Vertrauens. Ich wusste, dass er mir nichts tat. Wahrscheinlich war er sogar der einzige aus diesem verdammten Wald, der mir nichts tat.
"Ich will euch ja nur ungern unterbrechen, aber er ist das und wenn seit wann ist dein Name 'Elîn'?"

Es war in Ordnung. Ich musste und wollte ihm die Wahrheit sagen. Ich hatte mich lang genug davor gedrückt und er würde es sowieso rausfinden.
Eines Tages hätte er auch unsere Liebe vergessen. Ich hatte ihn losgelassen, denn ich wusste, nach dieser Offenbarung würde ich ihm nichts mehr bedeuten.

Mein Herz zerbarst in tausend Stücke, als ich ihm die Wahrheit erzählte.

Manchmal musste man Menschen, die einem etwas bedeuteten, verletzen, um sie du beschützen. Das war mein Kampf und ich wollte nicht, dass er sein Leben für eine Sache gab, die nicht für ihn bestimmt war.

"Das ist mein Bruder, Elônas. Sohn Thendors, König Düsterwalds.

Der Kampf um die Ewigkeit (Herr der Ringe/ Hobbit FF) {PAUSIERT)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt