Kapitel 10

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Zum Streichen kamen sie an diesem Tag nicht mehr. Die Zeit wurde zu knapp und der Geruch von Julietas Essen durchströmte bereits das ganze Haus. Lucia und Bruno ließen die Besen und Farbtöpfe sie, wie sie waren, liegen und beeilten sich aus dem Zwischenraum herauszukommen, denn sie mussten sich noch herrichten, bevor sie zum Abendessen erscheinen konnten.

Sie gingen gerade zurück über die Brücke, als Bruno stehen blieb. Er strich über das Geländer, als ihm eine grandiose Idee kam: „Wir sollten unsere Namen hier einritzen."

„Was?"

„Unsere Namen.", wiederholte er. „Wir sollten sie hier einritzen, damit sie für immer hier stehen bleiben. Wie ein Denkmal."

„Das ist fantastisch", Bruno war sich noch immer nicht sicher, ob Lucia einfach nur von seinen Ideen so angetan war, oder ob sie bei jedem so reagierte. Allerdings wollte er es auch gar nicht wissen, denn er fühlte sich so irgendwie ... besonders.
„Ich habe allerdings gerade kein Messer oder so bei mir"

„Warte kurz", Bruno ging an ihr vorbei und holte ein kleines Schnitzmesser aus dem Kasten, den er für die Werkzeuge benutzte, die er für den Brückenbau benötigt hatte. „Hiermit sollte es gehen, oder?", er ging zurück zu Lucia, hockte sich hin und begann mit dem L von ihrem Namen.

„Hast du noch eins?", fragte Lucia. „Ich könnte helfen, damit es schneller geht."

„Leider nicht", Bruno presste seine Lippen vor Konzentration aufeinander. „Es ist schon ein Wunder, dass ich das eine hier habe. Aber du kannst ja in der Zwischenzeit reden. Ich höre dir gerne zu."

Aus dem Augenwinkel sah Bruno, wie Lucia nervös lächelte. „Danke, ich höre dir auch gerne zu.", sie löste die Haarklammer aus ihren Haaren, die wirr auf ihre Schultern fielen. „Über was soll ich reden?"

„Nun", Bruno war mittlerweile beim I ihres Namen angelangt. Er konnte von Glück reden, dass weder sein noch ihr Name besonders lang waren. „Deine Tía Adella hatte mit mir geredet, bevor ich zu dir ins Zimmer gekommen bin ..."

„Oh, Gott", Lucia verdeckte ihr Gesicht. „Was für fürchterliche Sachen hat sie über mich erzählt?"

„Gar nichts. Nur, dass du deiner Mutter sehr ähnelst ... und dass du bereits verlobt warst", fügte er noch murmelnd hinzu.

Seufzend verdrehte Lucia ihre Augen. „Das ist doch schon eine Ewigkeit her.", sie kniete sich zu Bruno hin. „Ich wollte den gar nicht heiraten. Ich wurde gezwungen."

„Ich weiß", sagte Bruno. „Das hatte sie auch gesagt.", er war mit Lucias Namen fertig und sie hielt ihm offen ihre Hand hin. „Ich darf deinen Namen reinschnitzen und dafür erzähle ich dir, wie ich zum Männerschreck wurde, ja?"

Bruno grinste sie schief an. „Ich kann es kaum erwarten."

„Also", sie setzte für das B an. „Der Typ hieß Carlos. Er war irgendein langweiliger Buchhalter oder so, ich habe mich nicht wirklich für ihn interessiert. Carlos' Familie ist eng mit meinem Vater befreundet gewesen und er hatte ihnen erzählt, dass sie wohl oder übel einen Mann für mich suchen müssen, oder ich würde als Hure enden."

Sie machte eine Pause und Bruno sah sie schockiert an. „Wieso hat deine ganze Familie nur so negative Aussichten für dich?"

Sie zuckte mit den Schultern. „Weißt du, warum deine nur solche für dich hat?", sie begann mit dem U. „Jedenfalls ... mein Vater organisierte alles und dieser Carlos war auch einverstanden. Jetzt fehlte nur noch mein Einverständnis – welches sie nicht bekamen. Als ich davon erfuhr, bin ich ausgerastet. Ich habe bestimmt ein halbes Dutzend Teller durch die Gegend geschmissen und zwei Blumentöpfe auf die Straße katapultiert. Aber meine Eltern ließen nicht locker. Es sei doch nur das Beste für mich, haben sie immer wieder gesagt.", sie biss sich auf die Lippe. „Na ja, ich willigte schließlich auf ein Treffen ein. Wer weiß, meinte meine Mutter, vielleicht ist er ja dein Typ."

Ich sehe dich, BrunoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt