Kapitel 18

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Sein Herz raste. Es fühlte sich an, als wollte es aus seiner Brust springen, damit Lucia es immer in ihrer Nähe halten konnte. Die Sonne war gewandert und neigte sich dem Horizont zu. Die ersten Sterne begannen zu leuchten. Lucias Hand war mit Brunos verschränkt und Bruno konnte nicht aufhören zu lächeln. Es war unglaublich, wie sehr dieses Mädchen ihn glücklich machte.

„Findest du auch, dass dieser Baum eine komische Form hat?", fragte Lucia irgendwann. Ihr Kopf lag auf seiner Brust und sie blickte zu ihm hoch.

„Keine Ahnung", Bruno zuckte mit den Schultern. „Ich meine, die Äste sind schon seltsam verbogen."

„Ja, und auch der Baumstamm ... wie eine Vase.". plötzlich schoss ihr Kopf nach oben und sie sah zu Bruno runter. „Kannst du eigentlich nur für Menschen in die Zukunft sehen?", fragte sie.

„Ahm", machte Bruno und setzte sich auf. Er zog Lucia auf seinen Schoß. „Nein, also ... das ist schwer zu beschreiben, weißt du? Ich meine, ich sehe eigentlich nur Momente. Manchmal, wie bei Andres letztens, sehe ich die Person selbst und etwas, was gerade passiert ist. Dann aber sehe ich vielleicht nur einen Schmetterling oder so und es ist dann ein Rätsel, wie in den Büchern immer. Es ist verschieden."

„Also", sagte Lucia langsam. Bruno war gespannt, worauf sie hinauswollte. „kannst du nicht in die Zukunft blicken und mir sagen, ob der Baum hier auch später noch so lustig aussehen wird?"

„Warum willst du das wissen?"

„Du hast mir doch mal angeboten, dass du in meine Zukunft sehen könntest.", sie spielte mit den Fransen von Brunos Poncho herum. „und wenn ich dir hier verspreche, dass ich in – keine Ahnung – dreißig Jahren zurück zu dem Baum hier kommen werde ... kannst du das dann sehen?"

„Ich weiß nicht", gestand Bruno. „Es ist ein wenig komplizierter als das. Ich meine, ich kann es versuchen, ja, aber ich weiß nicht, ob es vielleicht etwas noch Wichtigeres in deinem Leben geben wird, dass sich in den Vordergrund drängt – schließlich sind dreißig Jahre eine lange Zeit. Wir wären dann fünfzig."

„Und vielleicht verheiratet und Eltern", rutschte es Lucia heraus. „Oh – ich meine, nicht unbedingt, also ...", sie wurden tomatenrot und fand die Grashalme plötzlich sehr interessant.

„Hey ", sagte Bruno sanft. „Ich habe vielleicht mal gesagt, dass ich mich in der Zukunft nicht verheiratet sehe, aber das war, bevor ich dich richtig kennengelernt habe. Wenn ich könnte, würde ich dich gleich hier heiraten"

„Was aber nicht nötig ist", Lucias Kopf wurde nur noch röter. „Wir sind erst zwanzig, das hat noch eine Weile Zeit. Aber wenn, dann wäre ich auch froh darüber, dass du mein Ehemann dann wärst", fügte sie noch hinzu. Bruno drückte sie noch enger an sich.

Als sie später zurück zu Casita gingen, denn Lucia wollte unbedingt wissen, was mit dem Baum in der Zukunft geschah, war die Sonne bereits untergegangen. Bruno fand es niedlich, wie sie sich solche Gedanken über simple Dinge machte. Manchmal glich ihr Kopf dem eines Kindes – ständig wandernde Gedanken, die keinen Halt fanden und sich um die verrücktesten Dinge drehten.

„Du bist perfekt, weißt du das?", sagte er und drückte ihre Hand. Irgendwie war es ihnen egal, ob sie einer sehen könnte. Bruno wollte sich nicht mehr zurückhalten – wenn er die Hand der Frau halten wollte, die er liebte, so würde er es auch tun.

„Nein, bin ich nicht", Lucia suchte irgendwas auf dem Boden. „Ich bin paradox."

„Paradox?"

„Jep", sie nickte. „Ich will glücklich sein, aber denke an Sachen, die mich traurig machen. Ich bin faul, aber gleichzeitig auch sehr ambitiös. Ich mag mich selbst nicht wirklich, doch währenddessen liebe ich auch, wer ich bin. Ich sage oft, dass mir etwas egal ist, aber in Wirklichkeit bedeutet es mir manchmal die Welt. Ich suche nach Aufmerksamkeit, ziehe mich aber meistens sofort zurück, sobald sie mir jemand gibt. Ich bin ein einziger widersprüchlicher Widerspruch.", sie seufzte. „Nicht perfekt, aber paradox"

Ich sehe dich, BrunoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt