Kapitel 29

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Der Tag war gekommen.

Der Tag, an dem sie ihr Theaterstück aufführen würden.

Bruno war nervös. Sehr nervös.

Er würde sogar sagen, dass er noch nervöser war, als wenn er Lucia das erste Mal geküsst hatte – und da war er sehr nervös gewesen.

Plötzlich war er sich auch nicht mehr so sicher, ob er das überhaupt wollte. Noch hatte das Stück nicht angefangen und noch nicht alle Leuten hatten sich vor der Bühne eingefunden. Er könnte sich noch schnell unbemerkt davon machen und sich einfach verstecken.

Dann aber dachte er daran, dass er Lucia nicht in Stich lassen konnte. Sie hatten beide doch so hart daran gearbeitet. Dieses Stück war ihnen beiden sehr wichtig. Sie brauchten es, um sich selbst etwas zu beweisen.

Nein, er konnte nicht einfach so kneifen!

„Bruno?", riss Lucia ihn aus den Gedanken. „Bist du okay?", sie hatte bereits das Sandglas in ihren Händen und wollte es gerade auf die Bühne bringen.

„Ich bin etwas nervös", gab Bruno zu und lachte angespannt.

„Du hast Lampenfieber?", Lucia strich ihm über den Arm. „Das ist völlig normal. Atme tief durch", sie machte es vor. „und aus.", Bruno tat es ihr gleich und fühlte sich ein kleines bisschen besser.

„Und, hey", sie zwinkerte ihn an. „Bruno hat vielleicht etwas Muffensausen, aber Hernando hat keine – den Hernando hat vor gar nichts Angst!", sie zog ihm die Kapuze über den Kopf.

„Genau" sprach Bruno zu sich selbst. „Ich bin Hernando und habe vor gar nichts Angst. Ich bin Hernando und habe vor gar nichts Angst. Ich bin Hernando und habe vor gar nichts Angst."

Er sah, dass Lucia das Sandglas hingestellt hatte und sich nun durch die Pferdedecken – perdón – Vorhänge schlich und mit dem Publikum sprach: „Meine sehr geehrten Damen und Herren!", rief sie. „Ich begrüße Sie hiermit freudig zu der Erstaufführung von El reloj de arena maldito – oder auch Das verfluchte Sandglas. Ein Stück, welches von dem großartigen Bruno Madrigal und meiner Wenigkeit geschrieben wurde – Lucia Castillo, schön Sie kennenzulernen.", sie erntete ein paar Lacher aus dem Publikum

„Bevor ich Sie zu dem Genuss dieses Stückes hingeben werde, muss ich Ihnen noch einige Informationen geben. Sie werden gleich Hernando sehen, einen tapferen jungen Mann, der nicht gerne ausgelacht wird – vor allem von seiner kleinen Schwester Paloma. Als diese ihm nämlich sagt, dass er sich doch niemals trauen würde in den finsteren Wald zu gehen, fand er das gar nicht witzig – besonders, weil seine große Liebe Liliela dabei war. Natürlich muss er jetzt beweisen, dass er sich sehr wohl traute. Doch als er schließlich in den Wald ging, fand er etwas Unglaubliches – doch was das ist, erfahren Sie jetzt!"

Die Vorhänge wurden von Andres und Alfredo aufgezogen und unter dem Applaus des Publikums verschwand Lucia von der Bühne.

„Das ist dein Moment, Bruno", flüsterte sie ihm zu und schob ihn aufmunternd in Richtung Bühne.

„Ich bin Hernando und habe vor gar nichts Angst", murmelte Bruno nochmal sich selbst zu. „Klopf auf Holz. Klopf auf Holz. Klopf auf Holz."

Es war so weit.

Sein Aufritt.

„Du kannst das!", flüsterte Lucia vom Bühnenrand. „Ich glaube an dich!"

Er kann das. Er kann das. Er kann das.

„Verfluchte Paloma ... was denkt die sich eigentlich?", murmelte Hernando vor sich hin, während er durch den tiefen Wald lief. „Ich und Angst? Die hat doch einen Vogel – was war das?", ein Knacken ließ ihn zusammenzucken.

Ich sehe dich, BrunoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt