Kapitel 24

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Lieber Bruno,

ich weiß nicht, wie es in Worte fassen soll. Normalerweise rede ich einfach drauf los, aber das Papier und der Füller zwingen mich dazu über jedes einzelne Wort nachzudenken – was gut ist, aber bedeutet, dass ich sehr lange mit diesem Brief zu kämpfen haben werde.

Es ist der fünfte Anlauf. Das fünfte Blatt Papier, welches ich mit meinen Worten fülle. Jedes einzelne Mal, wenn ich den letzten Punkt gesetzt habe, kamen Zweifel in mir auf: Die Briefe waren nie perfekt genug gewesen. Dabei sollte er perfekt werden, schließlich verdienst du eine perfekte Entschuldigung, Bruno.

Es tut mir leid.

Ich weiß, diese Worte sind leicht gesagt, aber wie ich bereits erwähnte, zwingt mich die Tinte zum Nachdenken, also kannst du dir sicher sein, dass ich jedes einzelne Wort auch so meine.

Ich habe einen Fehler gemacht. Ich hätte niemals auch nur so sehr darauf bestanden dürfen. Am Ende ging es nur um mich und meine Neugierde, dabei warst du es, weswegen ich mit der Idee überhaupt angefangen hatte. Es hätte die gesamte Zeit über nur um dich gehen sollen. Ich habe deine Gefühle ignoriert – außer Acht gelassen. Und ich bereue das zutiefst.

Du hast sowas nicht verdient.

Im Nachhinein könnte man denken, dass es mir nur um deine Gabe ging, aber das ist nicht wahr. Es ging mir immer nur um dich. Du bist nicht deine Gabe, Bruno, und genau das ist der Grund, warum ich dich liebe.

Ich weiß nicht, was du von mir denkst. Ich weiß nicht, was du für mich empfindest – was ich aber weiß, ist, dass ich dich nicht verlieren will.

Wenn du willst, dass wir Freunde bleiben – oder auch nur Nachbarn – dann werde ich es akzeptieren. Aber ich will dich nicht aus meinem Leben verlieren. Du bist mir zu wichtig, Bruno.

Ich empfinde mehr für dich, als ich jemals für jemanden empfunden habe. Ich will das nicht wegwerfen, doch wie es aussieht, habe ich das bereits.

Es ist dein gutes Recht, sauer auf mich zu sein. Ich wäre auch – ich bin es auch! Ich bin sauer auf mich selbst. Ich fühle mich schrecklich, weil ich dir etwas aufgezwungen habe.

Ich wollte dir nur was Gutes tun, aber du wolltest nicht. Ich hätte das akzeptieren sollen.


Der Mond scheint gerade durch mein Fenster. Es ist bereits seit einigen Stunden dunkel draußen. Ich frage mich, ob du noch wach bist. Wahrscheinlich schon.
Irgendwie lässt mich die Nacht zurzeit nicht so verloren fühlen. Ich fühle mich verloren ohne dich.

Ich weiß nicht, wie du dich entscheiden wirst, nachdem du diesen Brief gelesen hast – sollte es dieser werden. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob er perfekt ist. Aber wie perfekt kann eine Entschuldigung für etwas sein, dass ganz und gar unperfekt war?

Wirst du den Brief zerreißen? Ihn anzünden und verbrennen? Wirst du antworten, mit mir reden? Hast du ihn überhaupt gelesen und ihn nicht sofort weggeschmissen?

Ich weiß es nicht.

Und das macht mich verrückt.

Es tut mir leid, dass ich dich verletzt habe. Ich wollte nie, dass du dich jemals so schlecht fühlst. Mein Verhalten war kindisch gewesen. Ich erwarte nicht, dass du mir verzeihst. Ich will nur, dass du weißt, dass es mir leidtut.

Ich liebe dich. Das tue ich wirklich. Und genau das macht diesen Brief so schwer. Ich habe dir wehgetan – dir, eine Person, die mir wichtiger als meine eigenen Eltern ist. Es ist unverzeihlich, aber vielleicht bist du ja anderer Meinung.

Ich sehe dich, BrunoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt