Kapitel 5

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„Aber wir müssen uns mal ehrlich über dein Zimmer unterhalten.", meinte Lucia, als sie vor Brunos Tür standen. Der Herabstieg der Treppen war ihr deutlich einfacher gelungen, als der Aufstieg, abgesehen mal davon, dass Bruno an der Seite des Abgrundes laufen musste, während sie sich noch zusätzlich an der Wand festhielt.

„Warum?"

„Du kannst da drinnen doch nicht leben! Du brauchst doch jedes Mal eine Ewigkeit, bis du da oben bist. Das kann doch nicht wahr sein."

Bruno zuckte mit den Schultern. „Ich weiß. Deshalb wohne ich dort oben auch nicht. Ich gehe da nur hin, wenn ich eine Vision habe. Ansonsten schlafe ich woanders."

„Wo denn?"

„Im Kinderzimmer. Komm", doch bevor Bruno vorging, klopfte er noch auf die Holztür. „Klopf auf Holz. Klopf auf Holz.", Lucia hinterfragte es nicht.

Als Bruno die Tür zum Kinderzimmer öffnete, glaubte Lucia ihm nicht. „Du lebst hier?", fragte sie und verschränkte ihre Arme. „In einem Raum, welches du selbst als Kinderzimmer bezeichnest?"

„Ja", Bruno zuckte mit den Schultern. „Du hast mein Zimmer hinter der Tür ja gesehen. Es ist nicht gerade praktisch. Deshalb bin ich eigentlich sofort hierhergezogen."

„Wieso nennst du es Kinderzimmer?"

„Weil ich hier mit meinen Schwestern gelebt habe, bevor wir unsere Gaben und damit auch unsere Türen bekommen haben. Bis wir fünf waren also."

Lucia trat ein und setzte sich auf Brunos Bett. „Ich nehme mal an, dass deine Schwestern und du hier wohnen bleiben würdet, wenn ihr mal heiratet, richtig?", Bruno nickte und schloss die Tür hinter sich. „Das heißt, dass eure Kinder auch hier drinnen schlafen würden, bis sie fünf werden oder gibt es noch andere Kinderzimmer?"

„Äh, ne", sagte Bruno nach kurzem Überlegen. „Nein. Das ist das einzige Zimmer. Sie würden dann hier wohnen, genau."

„Das heißt, dass du dir dann ein Zimmer mit deinen Neffen und Nichten teilen müsstest – und mit deiner Frau und deinen Kindern ..."

„Darüber habe ich noch nie nachgedacht", sagte Bruno langsam. „Ich meine, ich bezweifle, dass ich jemals heiraten werde, aber das mit den Neffen und Nichten stimmt wohl, ja."

„Bruno, das geht nicht", Lucia stand wieder auf. „Das Zimmer ist zwar wirklich hübsch und gemütlich, aber ihr alle braucht eure Privatsphäre. Momentan scheint es noch zu gehen, aber denk mal in fünf Jahren ungefähr, wirst du dir bestimmt das Zimmer mit einem kleinem Baby teilen müssen. Das kannst du nicht machen.", sie sah ihn ernst an. „Du überlebst das nicht, glaub mir. Ich habe eine jüngere Schwester, mit der ich mir auch das Zimmer teilen musste."

„Mir wird aber nichts anderes übrigbleiben, Lucia", sagte Bruno sanft. „Denn ich werde in meinem eigentlichem Zimmer nicht leben können.", aber Lucia gab nicht auf. „Es muss doch einen anderen Raum geben, wo du schlafen kannst. Und selbst wenn es nur eine Besenkammer sei."

„Glaub mir, ich habe schon gesucht."

Lucia antwortete nicht, sondern schaute sich nachdenklich um. „Hast du denn auch schon Casita gefragt?"

„Was?"

„Dein Haus. Eure Casita. Sie wird bestimmt wissen, wenn es ein freies Zimmer hier gibt.", sie räusperte sich. „Ähm, Casita? Kennst du zufällig einen Raum hier irgendwo, wo Bruno leben könnte?"

Die Fensterläden schwangen auf und zu und die Fliesen bewegten sich in Richtung Tür. Bruno öffnete sie und sie führten hinaus auf den Flur. Bruno und Lucia folgten Casitas Spuren, während Lucia aufgeregt flüsterte: „Ich habe mit einem Haus geredet und es hat geantwortet. Bester Tag aller Zeiten!", Bruno verdrehte lächelnd die Augen.

Ich sehe dich, BrunoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt