"Mein Vater?!"

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"Mein Vater?! Willst du mich veralbern, Adrian? Das ist echt nicht lustig. Steffen Markson ist mein Vater." schrie ich. Nein, nein, nein, das was er sagt, ist nicht wahr. Es ist nicht wahr. Das sagte ich mir immer wieder und wieder während ich die Hände an meine Ohren drückte und versuchte das Zittern meines Körpers zu beenden.

"Es ist wahr. Er hat es mir gesagt und er hat mir ein Bild deiner Mutter gegeben. Sie sah aus wie du..." Länger konnte ich die Tränen nicht zurückhalten. Adrian hielt mir ein zerknittertes Bild entgegen, was ich mit zitternden Händen annahm. Es war ein Schwarzweiß Bild und ich schaute mir selber daraus entgegen. Beziehungsweise eine ältere Version von mir. Ihre Haare waren etwas kürzer als meine aber ich war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten.

Wenn man die Narbe an ihrem Hals, welche bis zur Wange ging, außer Acht lässt.Die gleiche Nase und die gleichen weichen Gesichtszüge konnte ich problemlos erkennen. Ein Mann hatte von hinten die Arme um ihre Taille geschlungen und lächelte genauso glücklich wie sie.  Ihn zu erkennen war alles andere als schwer. Die langen dunklen Haare und die kantigen geraden Gesichtszüge. Er war es, keine Frage.

"Heißt 'sie sah' das, was ich denke?" fragte ich Adrian zwischen Schluchzen."Sie ist schon viele Jahre tot, ja. Es tut mir so unendlich Leid, dass du es von mir hörst. Mayson hat mir einen Brief gegeben für dich gegeben als hätte er gewusst, dass es passiert. Wir können ihn holen gehen, wenn du willst. Ich hab ihn im Wald versteckt." Ich schüttelte den Kopf. Wie konnte das alles nur passieren? Meine Welt ist in tausend Scherben zerbrochen.

Einfach nichts ist so, wie es war. Beziehungsweise wie es sein sollte.  Meine Eltern, von denen ich dachte sie sind meine Eltern, sind es gar nicht. Meine richtigen Eltern sind tot, ich bin eine Waise. Ich bin einerseits ein Mensch aber andererseits ein Wolf. Ich höre Stimmen, die nicht in meinem Kopf sein sollten. Kann ja alles nur noch besser werden...

"Wie? Wie sind sie umgekommen?" Ich spürte, wie Adrian den Arm um mich legte und mir tröstend Wärme spendete doch ich fühlte mich kalt wie Eis. "Deine Mutter wurde des Hochverrates angeklagt. Mayson war im Rat und jeder wusste, dass seine Gefährtin wiederholt schwanger war. Nach der Geburt verschwand sie jedoch samt Kind. Sie flüchtete, vor was jedoch wusste keiner genau. Der Rat hängte ihr Hochverrat an, da sie in einem feindlichen Lager Schutz gesucht hatte. Dafür wurde sie vor Maysons Augen hingerichtet.

Das Kind jedoch wurde nie gefunden." Hingerichtet ... Mittlerweile konnte ich schon gar nichts mehr fühlen außer Leere. Ich fühlte mich sinnlos, bedeutungslos. Als wäre ich ein Stück Dreck. Ich hatte nichts mehr. "Denk gefälligst nicht so einen Unsinn. Du hast uns. Du hast dein Rudel und dein Leben wirst du wieder aufbauen. Denk nicht so schwarz." Adrian versuchte mich aufzumuntern.

Ein bisschen funktionierte das auch aber eben nur ein bisschen. Doch von einer Sekunde auf die andere kapierte ich erst mal, was Adrian da gesagt hatte. "Was meinst du mit wiederholt?????" Ich schaute ihn ungeduldig an. Ich hatte Geschwister. Das war etwas, was ich mir schon immer gewünscht hatte. "Ja aber mach dir nicht all zu viele Hoffnungen. Ich kenne ihn nicht. Mayson sagte nur, dass es sich um einen Jungen handelte."

Ich hatte einen Bruder. Auch wenn ich nicht wusste, wo er ist, was mit ihm passiert ist oder ob er überhaupt noch lebt aber es machte mich sehr glücklich. "Was ist mit Mayson passiert?" So schnell man auch glücklich sein konnte, so schnell hatte sich das auch wieder erledigt. "Getötet. Von einem Wolf. Sie haben auch seine Leiche mitgenommen. Ich hab drei von ihnen an Maysons Höhle angetroffen als sie ihn wegschleppten.

Ich konnte einen von ihnen verletzen aber viel ausrichten konnte ich nicht. Ich weiß nur, dass der schwarze Wolf dabei war und ich glaub auch, er ist ihr Alpha." Anscheinend konnte ich doch etwas fühlen und das war blanke Wut. Dieser Wolf hatte Adrian verletzt, mich angegriffen und meinen Vater getötet. Dafür wird er bluten. "Ich werde ihn töten für das, was er getan hat. Dafür wird er leiden." Adrian neben mir seufzte."Ich weiß, du bist wütend und das kann ich auch mehr als verstehen. Sollten wir dieses Schwein erwischen bin ich derjenige an deiner Seite, der ihm die Kehle auffetzt, das verspreche ich dir.

Aber wir sollten nichts überstürzen. So viel ist passiert. Lass uns Klarheit in die Sache schaffen aber das Schwein wird seine gerechte Strafe kriegen." Ich nickte, denn er hatte Recht und ich sah ein, dass ich mich geschlagen geben musste.

"Dann sollten wir auch langsam ein paar Antworten kriegen, meinst du nicht? Lass uns den Brief holen." Ich erhob mich energiegeladen, denn diese ganzen grausamen Wahrheiten konnte ich nicht einfach so stehen lassen. Ich musste etwas tun.

Neben mir tauchte Adrian in Wolfsgestalt auf und wartete darauf, dass ich mich verwandelte. Ich dachte an mein schneeweißes Fell. Wie meine Pfoten beim Rennen mit den anderen auf den Boden trommelten und meine schlanke kräftige Wolfsgestalt sich durch die Bäume des Waldes schlängelte.

Ich spürte die Erde unter meinen Pfoten und schaute Adrian an mit dem ich jetzt nun auf der selben Höhe war. Wir waren ziemlich große Wölfe, denn mir würden wir in Menschengestalt schon über die Schulter ragen mit dem Kopf. Adrian ging ein Stück vor und führte mich durch ein kleines Stück westlich. Ich will dir etwas zeigen. Vor einer Pfütze hielt er an und schaute mich auffordernd an.

Ich trat vorsichtig an die Pfütze heran und schaute hinab. Noch nie hatte ich mich in Wolfsgetstalt gesehen. Ich war eine schlanke muskulöse weiße Wölfin. Mein Fell glänzte und meine Augen waren ganz klar und von dem typischen hellen Meeresblau. Jetzt jedoch konnte ich auf einen genaueren Blick goldene Sprenkeln darin erkennen wie ich sie auch bei Adrian schon gesehen hatte.

Das bist du. Das ist ein Teil von deinem wahren Ich. Es gehört zu dir genauso wie der Mensch in dir. Lebe dein wahres Ich und du wirst glücklich sein. Und wir werden dabei immer an deiner Seite sein!

Danke, dachte ich während ich mich auf Adrian konzentrierte. Er nickte und lief dann zügig in die entgegengesetzte Richtung los. Ich rannte neben ihm her und wir machten zwischendurch ein paar kräftige weite Sprünge. Es war schön diesen neuen Körper mit den ganzen Muskeln zu nutzen. Ein ganz neues Lebensgefühl.

Wer war dann eigentlich das Mädchen, was aussieht wie ich? Vielleicht sind wir verwandt? dachte ich im Rennen nach. Das wäre eigentlich das naheliegendste. Aber ich habe noch nie von ihr gehört. 

Wir hingen unseren eigenen Gedanken nach bis Adrian plötzlich stehen blieb. Wir hatten einen relativ großen Haufen an Steinen erreicht. Adrian verwandelte sich, bedeutete mir zu bleiben, wo ich war und verschwand dann hinter diesem Haufen Stein. Ich blickte mich wachsam in meiner Umgebung um. Ich wollte kampfbereit sein, sollte etwas passieren, was ich mittlerweile und nach dem, was Adrian mir erzählt hatte, nicht wirklich mehr ausschließen konnte.

Wenige Minuten waren vergangen als er mit einem dreckigen blauen Umschlag in den Händen zurückkehrte. Als ich mich verwandelte blieb mein Blick die ganze Zeit über ehrfürchtig an dem Brief hängen. An dem Brief, den mein Vater an mich geschrieben hatte. Seine ersten und letzten richtigen Worte an seine Tochter im Namen des Vaters.

So viel hatte ich heute erfahren und so viel musste ich verkraften. Da war es kaum verwunderlich, dass ich Angst hatte, was ich wohl für Worte darin lesen würde.

"Bist du dir sicher, dass du das machen willst? Du kannst ihn auch morgen lesen." Heftig schüttelte ich den Kopf. Nein, wir hatten keine Zeit zu verlieren und mein Vater genau wie ich hatten es verdient endlich diese Worte miteinander zu teilen.

Ich nahm Adrian den Brief ab und betrachtete ihn. Er war schmutzig und an der einen Seite etwas eingerissen aber mein Name war in einer schönen Schrift auf der Vorderseite schnell niedergeschrieben wurden. Hinten war es versiegelt mit einem Siegel, was ich nicht wirklich erkennen konnte. Auch Adrian zuckte nur ahnungslos mit den Schultern. Ohne es weiter zu betrachten, brach ich das Siegel auf und faltete den Brief auseinander.

Ruf der Wölfe - #Wattys2015Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt