7 | das spiel beginnt

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ALICIA SIERRA

,,Was wissen wir über Silene Oliveira?", fragte ich und blätterte nebenher eine Klatschzeitschrift mit den brennend heißen aktuellen News durch. Ich hatte Antoñanzas dazu beauftragt, die Nachforschungen anzustellen und da Raquel für ein paar Stunden verschwand, hatte ich dabei meine Ruhe.

,,Gefängnisstrafe, Überfälle, Diebstahl und sie hat einen Polizisten erschossen. Laut Polizeibericht zeigte sie für die Überfälle keinerlei Reue und sie wird als sehr temperamentvoll eingestuft. Für den Mord und weitere Überfälle wird sie aktuell immer noch gesucht", las mein Kollege brav seine Nachforschungen vor. Na die Suche konnte man sich ja jetzt sparen. Ich wartete noch auf etwas brauchbares. Etwas, das ich gegen sie verwenden konnte um die Schwächen der Bande auszunutzen.

,,Wieso hat sie den Polizisten erschossen?", fragte ich weiter und blätterte lustlos durch das Magazin. Die neusten Modetrends waren wirklich ein Witz. Die Sommerfarben aus diesem Katalog passten allesamt nicht zu meinen roten Haaren.

Antonañzas sah wieder in seine Unterlagen. ,,Er hat ihren Freund erschossen."

Eine tragische Liebesgeschichte also. Das klang schon besser. Binnen weniger Sekunden legte ich die Zeitschrift beiseite und musterte die dunkelhaarige Frau auf dem Foto.

,,Auf den Bildern der Überwachungskamera sieht es außerdem so aus, als ob Cortés und Oliveira eine Beziehung führen."
Wieso rückte er erst jetzt damit raus? Genau nach solchen Informationen suchte ich.

Sofort sah ich auf. ,,Die treiben es miteinander? Das ist perfekt."

,,Verzeihung, Señora. Aber wieso ist das perfekt?", fragte Antoñanzas verwirrt. Der ärmste brauchte immer jemanden, der ihm auf die Sprünge half.

In kürzester Zeit hatte ich nämlich 2 und 2 zusammengeführt. ,,Nehmen wir an, Oliveira hat die Schüsse auf die Polizisten zu verantworten, heute kennen wir ihre Gesichter? Dieser Professor hat verhindert, dass wir das Gebäude stürmen. Der Mann ist nicht dumm, aber diese beiden..."
Ich zeigte auf die Bilder von Aníbal Cortés und Silene Oliveira. ,,Die beiden sind leichtsinnig. Wir werden Chaos verursachen. Mit diesen beiden werden wir die anderen Identitäten herausfinden."

Inwieweit mein spontaner Masterplan dabei half, den Professor in die Enge zu treiben wusste ich noch nicht. Aber Spaß machte es allemal.

,,Aber Señora... ohne Raquels Einwilligung dürfen wir nichts unternehmen. Die Geiselnehmer könnten jederzeit zurückschlagen und dann sind Sie Schuld."

Diese Geiselnahme lief seit einem Tag. Ich hatte jedes Detail analysiert, das ich dazu finden konnte und immer wieder erhielt ich das gleiche Ergebnis. ,,Willst du diesen Unsinn beenden oder nicht, Antoñanzas? Raquel will die Schachfigur spielen, aber ich werde diejenige sein, die die Fäden zieht und den Professor in die Enge treibt. Siehe zu und lerne."

Ich sah mich hastig um und griff zum Telefon. Schon als es mich mit dem Professor verband, eilten drei weitere Kollegen, Suárez und Coronel Prieto vom Geheimdienst zu mir. Zu spät. Die Stimme des Professors erklang wegen des lautgestellten Telefongespräch Im gesamten Zelt.

,,Inspektora, ich hatte nicht damit gerechnet so schnell von ihnen zu hören. Haben Sie sich ausgeruht?", erklang die metallisch verzerrte Stimme.

Ich grinste, setzte mich an Raquels Platz und schwang die Beine übereinander. ,,Hören Sie auf zu flirten, Professor. Ich bin nicht Raquel. Man flirtet nicht mit zwei Frauen gleichzeitig", antwortete ich im Plauderton und schlug Prietos Hand weg, welche mir den Hörer aus der Hand nehmen und auflegen wollte.

,,Das stimmt. Ich bin ein Mann mit Prinzipien und es würde mir niemals einfallen, mit Inspektora Murillos Gefühlen zu spielen. Aber sagen Sie... weshalb rufen Sie mich an? Verspüren Sie Sehnsucht zu mir?"
Der Mann am anderen Ende war wirklich dreist. Aber das gefiel mir, weil ich das auch konnte.

,,Wissen Sie Professor, ich denke den ganzen Tag an Sie", behauptete ich.

,,Sierra, legen Sie sofort auf", zischte Coronel Prieto wiederholt. Das nervte mich. Man verstand ja kaum sein eigenes Wort.

Also überging ich ihn und hielt die Konzentration weiter auf dem Telefonat. ,,Bestimmt haben Sie schon mitbekommen, dass wir Silene Oliveira und Aníbal Cortés entlarvt haben. Fragen Sie sich schon, wann Sie an der Reihe sind?"

,,Nein", antwortete der Professor selbstsicher. ,,Glückwunsch zu ihrem Fortschritt. Aber das erklärt nicht Ihren Anruf."

Richtig. ,,Lassen Sie uns verhandeln. Ich wette, dass ich in vierundzwanzig Stunden noch einen von Ihnen gefunden habe. Wenn ich das schaffe, dann lassen Sie acht Geiseln frei."

,,Sierra. Wir sind hier nicht bei wünsch dir was", zischte der Coronel.
Coronel Prieto wirkte langsam wirklich sauer. Der ärmste sollte mir mehr vertrauen schenken.

Einen Moment herrschte Stille am anderen Ende der Leitung. ,,Das schaffen Sie nicht."

,,Cortés und Oliveira sind ein Paar und deshalb haben Sie Fehler gemacht. Fehler, die Ihren perfekten Plan ruinieren werden. Die beiden werden mir helfen das Puzzle zusammenzusetzen."

,,Dann wünsche ich Ihnen viel Glück. Sie werden scheitern", sagte der Professor überzeugt. Der Mann schien ja wirklich jede Kleinigkeit geplant zu haben. Ein Kontrollfreak.

Wetten nicht...
,,Ach kommen Sie schon, Professor. Seien Sie kein Langweiler. Acht Geiseln wenn ich es schaffe."
Solche Kontrollfreaks musste man aus der Reserve locken - ihn noch mehr in die Offensive treiben.

,,Fünf Geiseln", willigte er nach einer kleinen Pause ein.

,,sieben", verhandelte ich ohne mit der Wimper zu zucken.

,,Sechs. Mein letztes Wort."

Langweiler. ,,Sechs minderjährige Geiseln", nahm ich das Angebot schließlich an. Ich war ja nicht herzlos (meistens) und versuchte zum Wohle der Gemeinschaft erst die Schüler zu retten.

,,Was springt für mich dabei heraus, Inspektora?"
Eine berechtigte Frage. Eine Antwort darauf konnte er gerne haben.

,,Wenn ich es nicht schaffe, kann ihr Team ganz in Ruhe einen Tag Geld drucken, ohne dass wir versuchen werden, einzudringen oder die Scharfschützen verwenden. Eine Art kurzfristiger Waffenstillstand zwischen beiden Parteien. Außerdem liefern wir bei der nächsten Mahlzeit Nachtisch mit. Kommen Sie schon, ihr Team steht bestimmt auf Kuchen."
Ich pokerte hoch, aber manchmal waren radikale Mittel notwendig, um sein Ziel zu erreichen. In meinem Fall Mittel, die ich dem Professor nicht versprechen konnte.

,,Das kann mir nur Inspektora Murillo versprechen", bemängelte der Professor meinen Vorschlag.

Dumm war er nicht und Raquel würde mich für diese Verhandlung hassen. ,,Ich versichere Ihnen, dass ich die liebe Raquel überreden werde. Lassen Sie das meine Sorge sein. Haben Sie etwa Angst, dass ich Erfolg haben könnte?"

,,Absolut nicht, Inspektora. Abgemacht. Bringen sie viel Kuchen."

Mit diesen Worten legte der Professor auf und hinterließ mich mit einem amüsierten Grinsen. Ich bin bereit zu kämpfen.

Criminal Love [1] ˡᵃ ᶜᵃˢᵃ ᵈᵉ ᵖᵃᵖᵉˡ ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt