24 | "happy family"

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ALICIA SIERRA

Das Krankenhauspersonal riet mir dringend davon ab, mich zwei Tage nach dem Unfall selbst zu entlassen. Spoiler: Ich machte es trotzdem.

Tokyo sollte in Kürze ins Gefängnis überführt werden - ich wollte sie dringend davor abfangen. Darin lag meine absolute Priorität und ich stand kurz davor, dieses Ziel zu erreichen.

,,Beeil dich."
Kaum sprach ich die Worte aus, schanzte der verdammte Rollstuhl einen Randstein runter. Das gefiel meinen gebrochenen Rippen überhaupt nicht. Eigentlich wehrte ich mich allgemein gegen diese Maßnahme, aber mit den zahlreichen Verletzungen hatte ich es nicht geschafft, die Krücken zu benutzen und auf eigenen Beinen zu stehen.

Im selben Moment umzingelten uns die Kameras der Presse, die hungrig eine weitere Geschichte über Maddie und mich suchten. Kameras filmten Gérman und mich, sie hielten uns Mikros an den Mund und schrien zahlreiche Fragen. In der Zwischenzeit wurden wir von den Protestanten beschimpft, die die Bankräuber unterstützten. Sie vergöttert Maddie und die anderen, aber im Gegenzug hassten sie mich. Ich zeigte nur eine Reaktion darauf, nämlich meinen erhobenen Mittelfinger.

Die polizeilichen Absperrungen schützten uns zwar weitgehend, aber es kostete meine Kollegen viel Anstrengung, die schreiende Menge aufzuhalten. Hinzu kam der Umstand, dass dieser verdammte Rollstuhl extrem sperrig war und Gérman noch nicht wirklich rausgefunden hatte, wie man damit umging.

Im Polizeizelt ging es ebenso hektisch zu wie draußen. Beamte rannten hin und her, tippten auf den Bildschirmen herum und hörten fleißig Anrufe ab. Silene Oliveira saß mittig des Zeltes auf einem Stuhl und ließ ein Verhör von Coronel Prieto und Raquel über sich ergehen.

Kaum erblickten meine Kollegen uns, verstummten sie. Ausnahmslos jedes Augenpaar richtete sich auf mich. Es mangelte mir zwar an Empathie, aber selbst ich erkannte die geringe Begeisterung. Wenige sahen mitleidig aus, aber die meisten widmeten sich nach kurzer Zeit resigniert wieder ihrer Arbeit.

Coronel Prieto erhob als erster das Wort. Er blieb vor mir stehen und sah abschätzend auf mich hinunter. ,,Haben Sie sich gut erholt, Inspectora?", fragte er, ohne sich ernsthaft für meine Antwort zu interessieren. Stattdessen griff er nach einer Akte und knallte sie regelrecht in meinen Schoß. ,,Sie werden von den aktuellen Ermittlungen suspendiert. Der Geheimdienst ermittelt bereits gegen Sie."
Noch ein Zettel landete in meinem Schoß. ,,Die Kollegen durchsuchen Ihre Wohnung. Das ist der Durchsuchungsbeschluss."

Seinen Durchsuchungsbeschluss konnte er sich in den Arsch schieben.
Ich lachte amüsiert. ,,Sagen Sie ihren Leuten, dass sie das Essen im Kühlschrank lassen sollen. Diesen Krankenhausfraß habe ich überhaupt nicht vertragen."

Es brauchte keinen Superagenten um zu wissen, was Coronel Prieto und sein Geheimdienst vermuteten. Sie hielten es für möglich, dass ich mit Maddie und dem Professor unter einer Decke steckte, ihnen half. Die Anschuldigungen ließen mich vollkommen kalt. Prieto sollte denken was er wollte. Ich kümmerte mich um wichtigeres.

,,Wir wussten nichts von Maddies Beteilugung am Überfall", beteuerte Gérman deutlich freundlicher als ich.

,,Das wird sich bald herausstellen", antwortete Prieto gleichgültig.

,,Antoñanzas!", brüllte ich durchs Zelt. Sofort kam mein treuer 'Assistent' angelaufen. ,,Besorgen Sie mir eine Tafel Schokolade und einen Kaffe... zweimal Kaffee, falls Gèrman auch einen will. Ich fordere ein Gespräch mit Silene Oliveira."

Antoñanzas nickte eifrig. Auf diesen Mann war immer Verlass! Insgeheim glaubte ich zwar, dass er eine Menge Respekt vor mir hatte, aber das sollte mir Recht sein. Prieto allerdings wirkte langsam ungeduldig. ,,Sie fordern überhaupt nichts, Inspektora Sierra. Sie sind suspendiert, bis Ihre Unschuld bewiesen ist. Ich will heute noch Ihre Dienstmarke und Waffe auf meinem Tisch liegen sehen. Ein Verhör mit Oliveira ist ausgeschlossen."

Criminal Love [1] ˡᵃ ᶜᵃˢᵃ ᵈᵉ ᵖᵃᵖᵉˡ ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt