32 | konfrontation

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,,Wo ist Salva?", zischte Raquel scharf wie eine frisch geschliffene Messerklinge. Der Lauf ihrer Pistole zielte direkt auf mich und obwohl ich die Inspektora seit vielen Jahren kannte, war ich überzeugt, dass sie, angetrieben von ihrer eigenen Wut, den Abzug betätigen könnte. Nicht um mich zu töten, aber aufzuhalten.

Dennoch ruhte mein Blick auf Mamá, aus deren Gesicht nicht die kleinste Emotion abzulesen war.
Keine Wut.
Keine Enttäuschung.
Nichts.

,,Wer ist Salva?", fragte Rio verwirrt.

Salva. Sergio. Der Professor.
Ich verstand es endlich.
Der Professor hatte Raquel nicht nur als Inspektora für seinen Plan benutzt, sondern auch auf persönlicher Ebene. Deshalb war sie wütend und rannte ohne Rückendeckung in die Höhle des Löwen.

Die Serben kamen zurück. Raquel und Mamá zwangen uns dazu, hinter den Lastwagen zu gehen und pressten uns die Hand auf den Mund. Ich versuchte Rio im Stillen zu signalisieren, dass wir mitspielten und auf den richtigen Moment warten sollten. Ich hielt es für unklug, jetzt auf uns aufmerksam zu machen. Allerdings kam mir auch der Gedanke, dass ich einfach nicht wollte, dass die Serben meiner Mutter und Raquel wehtaten. Ich wollte auf beiden Seiten keine Verluste sehen. Selbst wenn Mamá mich nicht verletzte, galt das bestimmt nicht für Rio. Stumm hörten wir einige Minuten zu, wie die ersten Cidrefässer mit Geld gefüllt in den Laster geladen wurden, dann klangen die Stimmen endlich ab und die Serben verschwanden im Tunnel.

Langsam dämmerte mir, dass das kein gewöhnlicher Polizeieinsatz war. Es kam keine Verstärkung, nichts. Niemand wusste, dass Raquel und Alicia uns entdeckten. Ein Stein fiel mir vom Herzen, denn das bedeutete, dass das Ende des Überfalls noch nicht feststand.

,,Ist er in der Banknotendruckerei?", hakte Raquel nach, als wären wir nie unterbrochen worden.

Als keiner antwortete, gab Mamá Rio einen Klaps auf den Hinterkopf und presste ihre Pistole dagegen. ,,Antworte, Kleiner."

,,Lass ihn in Ruhe", entfuhr es mir und machte Anstalten, nach der Waffe zu greifen. Sofort wurde ich von Raquel zurückgerissen, die eisern meinen Arm umklammerte.

,,Der Professor gehört zu meinen Leuten und man verrät seine Leute nicht", sagte Rio, woraufhin ich stolz lächelte. Mein junger Freund war mutiger, als er sich selbst einschätzte.

Alicia lachte amüsiert. ,,Wo sollte er sonst sein? Ratten verkriechen sich immer in ihren Löchern", sie nickte Richtung Tunnel und bohrte Rio die Pistole in den Rücken. ,,Vorwärts, Kleiner."

,,Mamá!", platze es endlich aus mir heraus. Ich hatte die Worte die ganze Zeit unterdrückt, aber die Ignoranz und der meidende Blick gaben mir den Rest. Dieses Wiedersehen tat mehr weh, als wenn sie mich angeschrien und für meine Taten verurteilt hätte. Seit wir uns wiedersahen, gab sie nicht den kleinsten Hinweis darauf, mich überhaupt zu kennen.

Alicia drehte sich zu mir um, das Gesicht versteinert und ernst. ,,Es gibt nichts, was ich dir zu sagen habe."
Eine klare Lüge. Ich erkannte es in kleinen Nuancen, beispielsweise der Art, wie ihre Augen an mir auf und abhuschten.

,,Es gab nie viel zu sagen zwischen uns. Deshalb ist das alles geschehen", gab ich kühl zurück.

Stille.
Mehrere Sekunden starrten wir uns gegenseitig an, dann huschte Alicias Blick zu Raquel. ,,Zeit, diesen verdammten Clown hinter Gitter zu bringen."

Sie zwangen uns, durch den Tunnel zu gehen. Raquel machte den Anfang, dann Rio und ich und am Ende kletterte Mamá die wackelige Leiter hinunter. Sie konnte nur einen Arm benutzen und gab bei jedem Schritt einen schmerzvollen Laut von sich, aber sie zog es durch. Angetrieben von ihrer eigenen verbissenen Entschlossenheit waren sämtliche Verletzungen zur Nebensache geworden. Ich wollte nicht wissen, wie viel Schmerzmittel sie geschluckt hatte, bevor sie den Professor ausfindig machte.

Criminal Love [1] ˡᵃ ᶜᵃˢᵃ ᵈᵉ ᵖᵃᵖᵉˡ ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt