,,Wir müssen die Blutung stoppen!"
Ironischerweise riss Tokyo als erste das Wort an sich und holte uns aus unserer Starre. Für einige Minuten arbeiteten wir wie ein eingespieltes Team und machten uns ein Bild von der Stärke der Verletzung. Eins. Zwei. Drei. Drei Kugeln an der Zahl befanden sich in Moskaus Körper, der ächzend Witze machte und als einziger einigermaßen zuversichtlich wirkte.Berlin begab sich nach oben, um einen Arzt zu verhandeln, Nairobi und ich verbanden so gut es ging die Wunde und versuchten, die Blutung zu stoppen und Tokyo stürmte in aller Manier energisch die Treppe nach oben, vermutlich, um sich ihren Schuldgefühlen hinzugeben.
Ich stand auf um ihr zu folgen, aber Nairobi hielt mich am Arm fest. ,,Lass sie. Es bringt nichts, sie in diesem Zustand zur Rede zu stellen."
,,Das hatte ich nicht vor."
- Ich hatte es definitiv vor!
,,Tokyo ist die einzige, die weiß, was draußen vor sich geht. Wo ist der Professor? Wie viel weiß die Polizei? Nairobi, sieh dir Moskau an. Jeder von uns könnte der Nächste sein."Langsam ließ Nairobi meinen Arm los. ,,Versuch einen kühlen Kopf zu bewahren. Wir können jetzt nicht durchdrehen."
Als ich mich entfernte, hörte ich, wie Denver seinen Vater anflehte, bei ihm zu bleiben. Es tat mir im Herzen weh.
Oben gab es noch schlechtere Nachrichten. Die Polizei würde keinen Arzt hineinschicken, Moskau müsse sich freiwillig ergeben, wenn sein Leben gerettet werden solle. Das war nicht fair.
Berlin schob sich an mir vorbei, um unseren Komplizen die neueste Botschaft zu verkünden, Ich blieb wie angewurzelt stehen und starrte an die gegenüberliegende Wand. Auch Tokyo ging an mir vorbei, ohne ein Wort zu sagen. Endlich gelang es mir, mich aus meiner Starre zu lösen und folgte ihr. ,,Tokyo!"
Sie reagierte nicht, spielte die Karte der Ignoranz und flüchtete ins Badezimmer. Ich heftete mich an ihre Versen und folgte ihr. In der schwarzen Polizeiuniform sah sie bizarr aus. Ich war mir dennoch sicher, dass sie in einem anderen Leben eine großartige Polizistin abgegeben - Risikobereit genug war sie ja. Tokyo wandte mir den Rücken zu, stand mit gesenktem Blick am Waschbecken. Sie reagierte immer noch nicht.
,,Du hast uns alle in Gefahr gebracht und jetzt ist Moskau derjenige, der den Preis zahlt. Ist dir nichts besseres eingefallen, als auf einem Scheiß Motorrad einen Stunt hinzulegen und wie eine Verrückte mit unserem Leben zu spielen?"
Ich erinnerte mich an den Ausdruck in ihren Augen, als sie mit Berlin Russisch Roulette spielte. Tokyo war eine tickende Zeitbombe, die kurz vor dem Explodieren stand. Schon wieder.Plötzlich stieß sie einen ohrenbetäubenden Schrei aus und schlug mit der Faust einen Spiegel ein. Glasscherben prasselten zu Boden und das Glas erhielt Risse. Als sie sich umdrehte, sah ich in tränenverschmierte, gerötete Augen.
,,Warum bist du nicht in den Hangar gegangen?", fragte ich nun deutlich ruhiger. Sympathie und Schuld hin oder her, auch Tokyo erlebte gerade einen beschissenen Tag.
,,Er ist fort. Wir sind auf uns allein gestellt."
Natürlich. Der Professor reagierte seit Stunden nicht mehr auf Anrufe. Vermutlich verschwand er, kurz nachdem er Tokyos Flucht organisierte.,,Hast du sonst etwas gehört, während du in ihrem Zelt warst?", wollte ich wissen und sah die schluchzende Tokyo fragend an. Auch ich spürte die Verzweiflung, die sich immer stärker anbahnte, aber die Tränen konnte ich bisher glücklicherweise unterdrücken. Diese würden mich später überkommen, wenn sich die Lage mit Moskau wieder beruhigte.
Tokyo berichtete mir lustlos von ihren zahlreichen Verhören, dem Gespräch mit meiner Mutter und von der Flucht. Als sie an dieser Stelle ankam, pausierte sie wieder. Beim Part mit Moskau stockte ihre Stimme so sehr, dass sie dreimal den neuen Satz begann.
Ich beschloss über meinen eigenen Schatten zu springen und schloss sie etwas zögerlich in die Arme. Überraschenderweise erwiderte sie die Umarmung, drückte mich fest an sich und ließ den Tränen freien Lauf. ,,Er hatte Recht. Ich hinterlasse Leichen, wo auch immer ich hingehe", murmelte sie undeutlich.
Wer hatte Recht? Moskau?
,,Nein, tust du nicht", versuchte ich, sie zu beruhigen. Innerlich gab ich Moskau Recht. ,,Nun... Berlin hätte dich nie rauswerfen dürfen... und du hast eben einen sehr ausgeprägten Überlebensinstinkt. Ich weiß nicht, ob ich mich getraut hätte, mit einem Motorrad an so vielen Scharfschützen vorbeizufahren."Als Rio der kleinen Runde dazustieß, ließ ich die beiden allein. Unten erfuhr ich, dass Denver den Fluchttunnel grub, Nairobi mit dem Gelddruck weitermachte und Berlin weiterhin mit der Polizei verhandelte. Moskau blieben nur noch wenige Stunden zu leben. Das trübte die Stimmung merklich. Das Geld in der Höhe mehrerer Milliarden Euros schaffte es auch nicht, unsere Laune anzuheben. In solchen Momenten merkte man, dass Geld in bestimmten Situationen wertlos war.
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.ALICIA SIERRA
,,Sie geht nicht an ihr Handy", frustriert knallte ich mein eigenes Handy auf den Tisch und starrte die Nummer auf dem Display an. Raquel Murillo.
'Ich werde deine Unschuld beweisen' - von wegen! Seit Stunden versuchte ich, sie zu erreichen. Fehlanzeige. Vielleicht hatte sie sich von Prieto überzeugen lassen, ich sei eine Schwerverbrecherin und ignorierte meine Anrufe. Prieto hatte meine Nunmer bereits blockiert, weil ich dauerhaft im Polizeizelt unter seiner Nummer anrief und mit ihm reden wollte. Mein neuster Versuch: 'was haben Sie an, Coronel?', empfand er wohl nicht als lustig.
,,Raquel trifft sich mit Salva", erinnerte Gérman mich beschwichtigend. ,,Bestimmt sind sie... beschäftigt."
,,Seit wann lässt Murillo sich einen dienstlichen Anruf über den Fall entgehen? Außerdem trifft sie sich seit mindestens acht Stunden mit Salva."
Darauf wusste selbst Gérman nichts mehr zu erwidern. ,,Alicia..."
,,Ich rufe Antoñanzas an", entschied ich noch in derselben Sekunde, in der mein Mann mir raten wollte, mich lieber von meinem Unfall zu erholen. Das kam nicht infrage, solange meine Tochter in der Banknotendruckerei war.
,,Inspectora?", fragte Antoñanzas mit gesenkter Stimme. Na bitte! Wenigstens auf einen konnte ich mich noch verlassen!
,,Berichterstattung. Wo ist Raquel?", forderte ich. Antoñanzas zögerte, weshalb ich noch ein: ,,Gratisschokolade für eine Woche", hinzufügte. Der ärmste ließ sich immer so einfach bestechen.
,,Haben Sie es noch nicht mitbekommen? Gegen Raquel wird ermittelt. Prieto vermutet, dass sie mit dem Professor unter einer Decke steckt."
,,Mit dem Professor?", fragte ich verwirrt. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit! Jetzt ermittelte dieser Schlappschwanz schon gegen die leitende Inspectora der Ermittlungen? Wie hatte Raquel das geschafft?
Antoñanzas ließ sich zu viel Zeit. Mein ungeduldiges Gemüt hielt die Unwissenheit nicht aus. ,,Sie kennen sicher Ihren neuen Freund, oder? Salva, der Mann aus dem Café. Wir haben allen Grund zur Annahme, dass er der Professor ist."
Ich legte auf, ohne ein weiteres Wort zu sagen.
Salva.
Der nervöse, zerstreute, schüchterne Salva.
Ich begann amüsiert zu lachen.
Eines musste man ihm lassen: Er hatte nicht nur Raquel hinters Licht geführt.
Und obwohl ich immer vermutete, dass hinter seiner unsicheren Art ein Genie steckte, hatte ich ihn kein einziges Mal mit dem genialen Mastermind in Verbindung gebracht.,,Gérman? Wir werden jetzt diese Turteltauben suchen."
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Criminal Love [1] ˡᵃ ᶜᵃˢᵃ ᵈᵉ ᵖᵃᵖᵉˡ ✔
FanfictionSTAFFEL 1 & 2 TEIL 1 NAIROBI X SYDNEY Ihr Leben lang stand Maddie im Schatten ihrer Mutter, Alicia Sierra. Doch damit ist entgültig Schluss, als sie sich plötzlich im größten Raubüberfall der Geschichte wiederfindet und sich nur noch »Sydney« nennt...