2 | streit

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Zehn Minuten später schlugen wir uns fast gegenseitig die Köpfe ein. Versammelt im Besprechungsraum schrien wir Tokyo an, die absolut uneinsichtig und stur reagierte. Ein hitziges Wortgefecht entstand
Ich entkräftete es schnell, indem ich einen Schuss an die Decke abfeuerte. So erhielt ich die ungeteilte Aufmerksamkeit und fasste die Fakten für Miss Aggressiv nochmal zusammen.

,,Glückwunsch, Tokyo. Du hast es hinbekommen zwei von drei Regeln zu ruinieren, die der Professor hatte. Zuerst veranstaltest du da draußen ein Blutbad und hast womöglich drei Cops umgebracht ... und das alles nur, weil du Rio vögelst."
Ich konnte nicht verstehen was so schwer daran war, Anweisungen zu befolgen. Es ging Rio gut. Er stand nur unter Schock und die Kugeln trafen allesamt nur seine Schussweste. Der Grund für Tokyos Ausraster lag eindeutig in ihrer Affäre begründet. Zwar verheimlichten die beiden das, aber leider befand sich mein Zimmer in Toledo nah genug an Tokyos, um... sagen wir mal, genug mitzubekommen.

Da ich so wütend war, setzte ich aber noch einen oben drauf. ,,Genau so ist doch dein Freund auch gestorben oder?", begann ich und sah im Augenwinkel Nairobi warnend den Kopf schütteln. Ich redete trotzdem weiter. Tokyo wusste nicht wann genug war, also konnte ich das genauso gut provozieren. ,,Du hattest eine beschissene Idee einen ungeplanten Überfall zu veranstalten, der ist schiefgelaufen und die Polizei hat ihn erschossen - und du hast zurückgeschossen."

Falls meine Interpretation stimmte konnte ich ihr Verhalten etwas nachvollziehen. Vielleicht sah sie bei den Schüssen auf Rio ihren Exfreund nochmal sterben. Dann brach die Panik um Rio aus. Darum ging es aber nicht. Tokyo war instabil und das war für uns alle gefährlich.

Wie erwartet stand die dunkelhaarige auf und funkelte mich wütend an. Ich sprach ein sensibles Thema an. ,,Sag noch ein Wort dazu und du wirst dir wünschen nie geboren zu sein."

,,Ach ja?"
Gleichzeitig hoben wir die Waffen und sahen einander an.

Da mischte sich Denver wieder ein, der nach seinem Wutanfall gegen Tokyo erstaunlich ruhig wurde. ,,Jetzt haltet eure Klappe! Beide!", fuhr er uns an. Das wars mit der Ruhe.

,,Und nehmt die Waffen runter", ergänzte Nairobi warnend.

,,Was ist denn hier los?"
Berlin. Na endlich. Er brachte Ordnung in die Sache. ,,Wir werden jetzt den Professor anrufen, dann kann Tokyo ihm ganz alleine erklären, dass sie es mit Rio treibt. Nairobi, Sydney... Ihr führt den Plan weiter aus. Die Polizei positioniert sich und uns geht die Zeit aus."

Als Berlin die Polizei erwähnte, eilte ich zum Fenster und spähte vorsichtig hinaus. In der Ferne sah ich, wie ein paar Uniformierte das Polizeizelt aufbauzen. Laut dem Professor würde Inspektora Murillo die Sache leiten. Ich kannte Raquel flüchtig, wenn auch nicht besonders gut.

Dann schloss ich mich Nairobi an, während Tokyo dem Professor erklärte, dass sie niemals eine Beziehung mit einem Kind beginnen würde. Armer Rio. Natürlich war er um einiges jünger, aber Tokyo riss trotzdem sein Herz aus der Brust und trampelte darauf herum, als sei es nichts.

,,Jetzt weiß ich, wieso der Professor Liebesbeziehungen verboten hat", sagte ich, kaum dass die Tür sich hinter uns schloss.

Nairobi nickte zustimmend. ,,Zwei liebeskranke Idioten. Wenn die den Plan ruinieren, bring ich sie eigenhändig um."
Im Vergleich zu mir verstand Nairobi sich mit Tokyo sehr gut. Glücklicherweise schien sie genauso aufgebracht über das Blutbad draußen zu sein wie ich. Ich wollte kein Blut vergießen. Ich wollte nur das Geld.

,,Solltest du mich dabei erwischen, dass ich mich in jemanden von hier verliebe, dann halt mich bitte auf, Nairobi", flehte ich und sah die schwarzhaarige Schönheit bittend an.

Sie lachte. ,,Ich schwöre es dir."

,,Du bist die beste."

Nairobi grinste zufrieden wegen meiner Einschätzung und eilte in schnellen Schritten zu den Geiseln hinunter. ,,Alle die Masken abnehmen, sofort", sagte sie mit erhobener Stimme.

Die zitternden Menge vor uns nahm zögerlich die Masken ab. Mehrmals hörte ich das Gerücht, dass wir sie nun umbrachten. Unsinn. Das wäre das dümmste, was wir jetzt tun könnten.

Arturito - die nervigste Geisel von allen - jammerte lautstark vor ein paar weiteren Mitarbeitern. Jetzt kannten sie ja unsere Gesichter. Schön bemerkt. ,,Arturo, komm nach vorne. Ich denke dich sollte man gut im Auge behalten."
Nun weniger mutig trat Arturo nach vorne in die erste Reihe. Ich tauschte einen Blick mit Nairobi.

,,Perfekt", nahm sie wieder das Wort auf. ,,Euch wird nichts passieren. Wir händigen euch jetzt dieselben Overalls und Masken aus wie wir sie haben... plus falsche Waffen. Die werden wir später brauchen."
Sie drehte sich zu den beiden serbischen Cousins Helsinki und Oslo um, die damit begannen, die Overalls aufzuteilen. ,,Wenn ihr alles angezogen habt, gibt es noch eine Portion Abendessen für jeden von euch. Ich möchte in der Zwischenzeit kein Wort hören, na los. Umziehen."

,,Wenn Berlin nicht Anführer wäre, wärst du perfekt dafür", sprach ich ihr Sekunden später mein Lob aus. Die Geiseln zogen sich zitternd um. Vor allem Arturito fixierte ich dabei. Der machte uns später noch Probleme. Mein Radar die Probleme frühzeitig zu erkennen hatte mich bei Tokyo auch nicht getäuscht.

,,Anführerin? Dafür wurde ich praktisch geboren, Schätzchen", antwortete Nairobi amüsiert und nahm den Pizzakarton dankend an, den Helsinki ihr in die Hand drückte. Wir nahmen jeweils ein Stück daraus. ,,Aber meine wahre Berufung liegt in diesen wunderschönen Scheinen, die wir bald drucken werden."

Nairobi erzählte mir, dass sie sich sehr gut mit Geld auskannte, weil sie jahrelang fast perfektes Falschgeld selbst druckte. Deshalb bezeichnete der Professor sie als unsere "Qualitätsmanagerin" für das Geld. ,,Du und das Geld ist die wahre Liebesbeziehung hier drin, Nairobi", neckte ich meine Komplizin und genoss schmunzelnd die Pizza.

,,Ich kann es in meinem Kopf schon hören wie diese Maschinen laufen und die perfekten kleinen Scheine ausspucken."
Ich hatte noch nie jemanden kennengelernt, der sich so sehr von ein paar Druckmaschinen und dem Geld begeistern ließ wie Nairobi. Ihre Begeisterung war purer Enthusiasmus. Aber wie sie schon richtig erkannte musste man ein bisschen verrückt sein, um hier mitzumachen.

,,Wach auf, Prinzessin. Noch haben wir das Geld nicht", erinnerte ich die dunkelhaarige schmunzelnd, nahm den letzten Bissen von meinem Pizzastück und griff nach einem neuen, sowie zwei weitere Kartons. ,,Ich werde Denver und Berlin fragen, ob sie auch Pizza wollen. Hältst du die Stellung?"

,,Lassen Sie mich träumen, Señorita Sydney", konterte Nairobi ganz in ihre Schwärmereien vertieft und nickte schließlich. ,,Warte, was ist mit Tokyo und Rio?"

,,Die sind zur Strafe auf Diät. Sollen sie sich doch gegenseitig aufessen."
Erst bei Nairobis Blick bemerkte ich die Zweideutigkeit meiner Aussage. Unpassend war sie aber auch nicht.

Mit schnellen Schritten ging ich sie Treppe hoch und machte mich auf direktem Wege ins Besprechungszimmer zurück. Tokyo und Rio saßen schweigend nebeneinander wie zwei Schulkinder, denen man verboten hatte, in die Pause zu gehen. Weil ich großzügig bin, warf ich ihnen einen Pizzakarton auf den Tisch. Denver und Berlin lachten amüsiert über das Gespräch, das sie übers Telefon mithörten.

,,Was haben Sie an, Inspektora?", erklang die verzerrte Stimme des Professors. Ah, er redete also gerade mit der Polizei. Am anderen Ende der Leitung sprach Raquel Murillo.

Amüsiert gesellte ich mich zu Berlin und Denver und hörte dabei zu, wie Raquel versuchte das Gespräch für sich zu gewinnen.

Doch mit einem Mal entwichen mir all meine Gesichtszüge und der übrigen Pizzakarton fiel auf den Boden. Verdammt. Nun steckten wir alle in einem noch größeren Schlamassel als angenommen...

Criminal Love [1] ˡᵃ ᶜᵃˢᵃ ᵈᵉ ᵖᵃᵖᵉˡ ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt