10 | verräterin?

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Das ungewöhnliche Wiedersehen mit meiner Mutter wühlte mich emotional mehr auf, als ich erwartete. Ich wusste nicht, wann unsere Beziehung derart falsch lief, dass ich nun mit einer Maske und einem Gewehr vor ihr stand und sie sozusagen gegen mich ermittelte. Das stimmte mich nachdenklich. Ein Teil von mir machte nicht nur wegen Nairobi oder einem Abenteuer beim Überfall mit. Möglicherweise wollte ich endlich wieder die Aufmerksamkeit meiner Mutter erlangen, nachdem wir uns so voneinander distanzierten. Sie kam mich ja nicht mal an meinem Geburtstag besuchen. Letztes Jahr hatte sie mir sogar erst zwei Tage später eine Nachricht geschrieben. Ein Teil von mir wollte die Maske vom Gesicht ziehen und sagen: Hier bin ich. Willst du mich immer noch ignorieren?

Aber selbst im Badezimmer erhielt man keine zehn Minuten Ruhe. Ich wusch mir gerade die roten Haare unter dem Waschbecken, als die Tür aufschwang und unser "Traumpaar" hereinkam. Tokyo und Rio hielten sich an den Händen und unterhielten sich hitzköpfig miteinander.

Als sie mich sahen, unterbrachen sie ihr Gespräch abrupt und Tokyo wandte sich mir zu.
,,Was war das denn?"

Vier Worte, mit denen ich nichts anzufangen wusste. ,,Nairobi, nein!", machte sie leider sehr treffend meine Stimme und den Tonfall nach und Rio lachte leise. ,,Du hättest auch gleich ohne Maske hinsehen können. Sie ist deine Mutter und hat bestimmt deine Stimme erkannt."

Tokyo sprach aus, was ich befürchtete... oder hoffte? Meine Gedanken waren momentan eher verworren und seltsam. ,,Nein, hat sie nicht."
Zumindest glaubte ich das.

Tokyo und Rio hoben beide zweifelnd eine Augenbraue. Dann sprach Tokyo weiter. ,,Sie hat mich provoziert, als sie krank gespielt hat. Kannst du wenigstens das erklären?"

Das konnte ich durchaus, aber die Antwort würde ihr gewiss nicht gefallen. ,,Sie weiß, was deine größte Schwäche ist. Deine Schuldgefühle wegen deines Exfreundes und Rio. Das hat sie gegen dich verwendet."

,,Außer dass ich sie fast abgeknallt habe, hat es ihr nichts gebracht", erklärte Tokyo mir.

Ich hatte das Gefühl gegen eine Wand zu reden. Egal wie oft ich erwähnte, dass man Alicia nicht unterschätzen durfte... keiner hörte auf mich. Da ich auch nicht wusste, wieso Mum es auf Tokyo abgesehen hatte, sah ich Rio an. ,,taste jeden ab, der in der Nähe meiner Mutter gewesen ist. Vielleicht hat sie versucht uns ein Mikro unterzujubeln oder so ähnlich. Tokyo zu provozieren könnte eine Ablenkung gewesen sein.

Sicherheitshalber durchsuchten Rio und ich zuerst Tokyo und dann Nairobi von oben bis unten und gingen mit einem Metalldetektor sicher, dass keine von beiden ein Mikro bei sich trug. Das beruhigte uns wieder ein bisschen und ließ die angespannte Stimmung ein bisschen abfallen. Wir reagierten langsam wirklich paranoid.

Als sich die beiden wieder fertig anzogen, drehte sich Tokyo noch einmal zu mir um. ,,Deine Mutter ist trotzdem ein irrer Psycho."

Gleichfalls.

Die folgenden Stunden verliefen ereingnislos. Ich überwachte gemeinsam mit Helsinki die Geiseln und der Gelddruck kam wunderbar voran. Der Plan des Professors ging auf und Nairobi verkündete feierlich, dass wir die dreihundert Millionen knackten. Meine Stimmung hob sich, auch wenn meine Gedanken immer noch oft zu Mum gingen.

Ohne Arturo verlief das Geiseln überwachen sehr ruhig und harmonisch. Ich ließ zu, dass sie sich ein bisschen miteinander unterhielten, teilte die nächste Mahlzeit aus und genoss die Stille.

Im oberen Stock hörte ich das Klingeln des Telefons. Schon wieder ein Kontrollanruf? Der letzte war doch erst zwei Stunden her. Kein Grund zur Sorge, vielleicht wollte der Professor nur mit einem unserer Pläne beginnen.

Criminal Love [1] ˡᵃ ᶜᵃˢᵃ ᵈᵉ ᵖᵃᵖᵉˡ ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt