Freunde?!

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Ich freue mich tatsächlich jeden Morgen darauf, in die Schule zu fahren. Okay, ich freue mich auf Sie! Aber besser als gar keinen guten Grund zum Aufstehen zu haben, oder?

Cleos beste Freundin heißt Rieke. Ich bin mir sicher, sie hasst mich aus tiefstem Herzen. Wenn Blicke töten könnten, hätten mich ihre längst bei lebendigem Leibe in Flammen aufgehen lassen. Jedes einzelne Mal, wenn Cleo erst mit mir spricht, statt mit ihr, aber ganz besonders, wenn Cleo mich mit einer Umarmung und Wangenküssen begrüßt. Aber mir ist all der Hass egal, wenn ich so viel Wärme spüre.

Und Cleo strahlt nichts aus, außer Wärme. Sie löst schöne Gedanken aus und ja, auch viel zu viele Gefühle, viel zu intensive Gefühle. Gefühle, die ich nicht haben darf, die sie nicht für mich fühlt, die sie nie und nimmer, niemals und unter keinen Umständen je erfahren darf. Nein, nein, nein!

Das richtig Doofe an der ganzen Sache ist ja, dass ich mit niemandem darüber reden kann. Meine beste Freundin Mona würde das auch nicht verstehen. Die redet Tag und Nacht über Jungs und will eigentlich immer nur wissen, ob wir irgendwelche süßen Typen in der Schule haben. "Ähm, keine Ahnung!" war das Einzige was mir dazu eingefallen ist. Das konnte sie natürlich gar nicht verstehen. "Jetzt bist du da schon seit zwei Monaten, bist du blind oder was?"

Wenn die wüsste, wie wenig mich die Jungs interessieren, würde wohl ihr Herz stehen bleiben. Und meins auch gleich mit dazu.

Meistens treffen wir uns gleich nach der Schule. Ich habe ihr natürlich schon von Cleo erzählt, nur halt nicht alles. Sie haben sich auch schon kennengelernt, was aber etwas komisch war. Da lag so ein Hauch von Eifersucht in der Luft. Kam mir doch tatsächlich irgendwie bekannt vor. Das sich einfach alle gut verstehen war wohl nicht so einfach möglich.

Mona zu erklären, dass ich wohl irgendwie Gefühle für Cleo habe, wäre ohnehin sinnlos. Sie würde mir sagen, dass ich mir das einbilde und ich nur den Richtigen kennenlernen muss oder sowas in die Richtung. Darauf habe ich aktuell echt keine Lust, also behalte ich das einfach für mich. Ich denke, dass das einfacher besser für alle ist.

Als Mona neben uns eingezogen ist, waren wir neun oder so. Sie ist sechs Wochen älter als ich, was sie mir bei jeder Möglichkeit unter die Nase reibt. Wir sind so verschieden, mehr geht glaube ich gar nicht. Aber irgendwie sind wir uns doch ähnlich. Sonst reden wir über alles, aber das mit Cleo, das ist einfach zu viel des Guten.

Es würde ja auch nichts ändern.
Und vielleicht bilde ich mir das ja auch wirklich nur ein. Könnte ja sein. Oder?

Ich habe bei Mona übernachtet, wie so oft. Am Morgen klingelt ihr Wecker, okay, nicht ganz, er wiehert und klappert, wie die Hufe von einem Pferd. Das Ding ist laut und tierisch unerträglich, da kann man nicht weiter schlafen, ob man will, oder nicht.

Am Schlimmsten ist es, wenn Mona bei ihrem Vater übernachtet und vergisst den Wecker abzustellen. Der hört nämlich nicht von alleine auf und galoppiert immer weiter und weiter und weiter. Wenn das mal wieder, wie so oft, passiert, muss ich auf den Schuppen klettern, um zu Monas Zimmer zu kommen und den Wecker durch das gekippte Fenster abstellen, wenn ich es schaffe, ihr zu erreichen. Ich hab da schon mit Stöcken wie wild in ihrem Zimmer umher gefuchtelt, weil man den Wecker durch das gekippte Fenster in der ganzen Nachbarschaft hört und das echt nervt.

Meistens, wenn ich zu Mona gehe und wir ihre Mama beim Musik hören im Wohnzimmer nicht stören wollen, klettere ich auch über den Schuppen zu ihrem Zimmerfenster hinein. Ihre Mama hört gerne Opern, sehr laute Opern! Das beschallt auch die ganze Nachbarschaft, noch deutlich lauter als der Wecker. Nur die kann ich leider nicht so einfach durchs Fenster abstellen.

Zurück zu heute Morgen, als mich das Geklapper und Gewieher geweckt hat und aus meinem schönen Traum gerissen hat. Von dem Traum kann ich beim besten Willen niemandem erzählen, ganz und gar nicht. Wenn Cleo erfahren würde, dass ich fast nur noch von ihr träume, würde sie bestimmt kein Wort mehr mit mir wechseln.

Ich verabschiede mich mit einer Umarmung von Mona und renne zum Bus, den ich nur ganz knapp nicht verpasse. Wie jeden Morgen begebe ich mich in die letzte Reihe und setze meine Kopfhörer auf, in der Hoffnung, mal an etwas anderes, als Cleo denken zu können. Ich fummle irgendeine Kassette aus meinem Rucksack und in den Walkman.

¦Candlelight and soul forever

A dream of you and me together
Say you believe it, say you believe it

Free your mind of doubt and danger
Be for real, don't be a stranger
We can achieve it, we can achieve it

Come a little bit closer, baby
Get it on, get it on
'Cause tonight is the night
When two become one

I need some love like I never needed love before
Wanna make love to ya, baby¦

Sonst würde ich das bei den Spice Girls ja nicht tun, aber ich ziehe mir frustriert die Kopfhörer von den Ohren und werfe sie neben mir auf den Sitz. Das kann ja jetzt nicht ernsthaft das Lied sein, mit dem ich mich ablenken soll. Also nächste Kassette rein, auf ein Neues. Nicht angeschrieben, wie immer, hoffe ich, auf etwas guten Willen der Musikgöttin, in die ich so viel Hoffnung stecke. Und Play:

¦I'll make love to you
Like you want me to
And I'll hold you tight
Baby all through the night
I'll make love to you
When you want me to
And I will not let go
Till you tell me to¦

Ja, danke Boys II Men, verarschen kann ich mich selbst. Das wärs mit Musik für heute!
Ich nehme mir vor, nicht mehr so an Cleo zu denken. Denkt man mit dreizehn überhaupt so an andere? Vor allem an andere Mädchen? An eine Freundin? Ich freue mich schon sehr auf das Baseball-Training heute Nachmittag. Einfach mal den Kopf frei bekommen, an was anderes denken, mit aller Kraft den Ball vom Feld schlagen. Genau, davon sollte ich in Zukunft besser wieder öfter träumen. Das ist doch das, was ich will. Den Jungs zeigen, wer den besten Schlag drauf hat.

Ich habe kaum mitbekommen, wie ich aus dem Bus gestiegen und zu Cleos Haus gelaufen bin. Das läuft mittlerweile schon ganz automatisch ab. Jetzt stehe ich vor der Tür und öffne sie, klingeln brauche ich nicht mehr. Ich werde erwartet, wie jeden Morgen, von einer zauberhaften und noch ganz verschlafenen Cleo, die sofort mein Herz höher schlagen lässt. >Verdammt!<

Was, wenn es Liebe ist?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt