Was wohl die Zukunft bringt?

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Die Sommerferien neigen sich dem Ende zu und mir wird immer mehr bewusst, dass es dann nicht so weiter gehen wird, wie bisher. Cleo muss zur Schule, ich sollte hoffentlich dann eine Lehrstelle antreten. Und genau darum geht es heute. Heute darf ich mich in einem Hotel vorstellen. In Lech am Arlberg. Man sollte meinen, ich zerspringe vor Freude, denn die Küche des Hotels ist bekannt für Ihr gutes Essen und es verirren sich wohl auch prominente Gäste dort hin. Meine Gefühle sind aber sehr gespalten. Einerseits will ich natürlich von den Besten lernen, auf der anderen Seite will ich nicht von Cleo getrennt sein. Und wenn ich frei habe, ist das natürlich nicht unbedingt am Wochenende, also kann es sein, dass Cleo dann Schule hat und wir und nur kurz sehen können. 

>Noch hast du den Job ja nicht, Mats. Wer sagt denn, dass du überhaupt gut genug bist? Also mal ruhig mit den jungen Pferden. Ganz abgesehen davon, dass du gar nicht weißt, ob Cleo sich nicht eher freut, mal Pause zu haben und Zeit für sich zu bekommen.<

Ich wünsche mir, dass mein Kopf mal fünf Minuten Pause macht und mir eine Pause gönnt. Aber Kopf Ping Pong kennt kein Erbarmen. 

Meine Mum will mit mir alleine da hin fahren, ohne Cleo. Mir geht das ja total gegen den Strich. Cleo soll doch sehen, wohin ich vielleicht gehe, wenn ich schon von ihr getrennt sein muss. Ich packe meine Unterlagen zusammen, Cleo beobachtet mich genau. Ich kann ihren Gesichtsausdruck noch nicht so richtig zuordnen. Als ich aus der Dusche komme, sitzt Cleo an meinem Schreibtisch und sortiert fein säuberlich meine Unterlagen und packt sie in eine Mappe. "Ich weiß, dass du diesen Job bekommst. Du bist zu gut, um ihn nicht zu bekommen. Auch wenn du dann viel zu weit weg bist, will ich, dass du das machst. Bitte zeig denen heute, was du kannst, ja?" Ich nicke stumm. 

"Bist du noch da, wenn wir wieder kommen?"
"Ich bin immer da!" 
Ich küsse sie zum Abschied.

Die ganze Fahrt über, rede ich kaum ein Wort. Meine Mum denkt wohl, dass ich nervös bin, denn nicht zu reden, ist eigentlich absolut gegen meine Natur. "Alles gut bei dir?" frag sie, mit ihrer gewohnt ruhigen Stimme. Ich nicke. "Ja, alles gut. Danke Mama."

Mit dem Ausdruck der Route in der Hand sitze ich am Beifahrersitz und leite meine Mum an, wohin sie fahren muss. 

Das letzte Stück der Fahrt geht über eine schmale Straße durch einen Wald. Weit und breit ist nicht ein Haus zu sehen. Als die Bäume sich lichten, erscheinen ein paar wenige Hotels, direkt an der Straße. "Das hier, auf der rechten Seite." Ich zeige mit dem Finger auf ein älteres Gebäude, welches aber top renoviert ist. Man sieht dem Haus lediglich wegen der Bauweise an, dass es schon mehrere Generationen überstanden hat.

Als das Auto auf dem Parkplatz vor dem Haus zum stillstand kommt, wird alles plötzlich sehr real. "Das ist aber schon sehr abgelegen, denkst du nicht?"
"Es fährt ein Bus zum nächsten Bahnhof und dann bist du schnell zuhause." versucht mich Mama zu beruhigen. Hilft nicht.

>Bis du da jedes Mal hin und her getuckert bist, hast du ja kaum noch Zeit für Cleo. Die wird sich längst jemand anderen suchen. Jemanden, den sie auch lieben kann und den sie nicht verstecken muss. Dann kannst du gleich hier bleiben, am Arsch der Welt. Dann gibt's auch keinen Grund mehr, zurück zu gehen.<

Arsch der Welt, das trifft es ziemlich genau. Wäre die Erde eine Scheibe, könnte ich jetzt wohl vom Rand springen.

Apropos springen, das muss ich jetzt wohl. Und zwar über meinen eigenen Schatten. Ich hasse solche Gespräche, über mich selbst zu reden liegt mir nicht sonderlich. Und schon gar nicht, mich selbst zu bewerben. Ich wäre doch besser bei meinem Vater in die Lehre gegangen. Dem hätte ich mich zumindest nicht vorstellen müssen. Der hätte gewusst, welche Katastrophe auf ihn zukommt.

Wir betreten das Hotel, die grosse Eingangstüre aus Holz ist schwer und knarzt leise beim Öffnen.

An der Rezeption legt meine Mama mir eine Hand auf die Schulter. Sie möchte, dass ich das Reden übernehme. "Hallo, mein Name ist Mats. Ich habe ein Vorstellungsgespräch mit Herrn..." weiter komme ich nicht, da spricht uns von hinten ein Mann an. "Du musst wohl Mats sein. Na dann kommt doch mal mit." er deutet uns mit der Hand, ihm zu folgen.

Wir sitzen in einer Art Stube im Restaurant, ein kleiner abgetrennter Bereich, der deutlich ruhiger ist. Der Raum sieht als aus, aber sehr gemütlich. Viel Holz, das gefällt mir und beruhigt mich.

"Dann erzähl mir doch mal, warum du genau bei uns arbeiten willst und warum ich mich für dich entscheiden soll?"

Ich setzt mich nochmal gezielt gerade hin und denke daran, dass Cleo mir immer wieder versichert hätte, wie stolz sie auf mich ist und sie will, dass ich das schaffe. Für unsere Zukunft.

"Ich koche aus Leidenschaft und das sehr gut." Mama nickt zustimmend. "Aber natürlich muss ich noch sehr viel lernen und das will ich bei den Besten tun. Das ist der Grund, warum ich hier bin. Ich weiß, ich bin spät dran. Ehrlich gesagt dachte ich bis vor ein paar Wochen, dass mein Leben ganz anders verlaufen würde, aber mir wurde plötzlich klar, dass ich etwas anderes will. Ich will meine Arbeit lieben und ich liebe es, zu kochen, zu experimentieren, Neues zu entdecken und zu lernen."

Das Gespräch dauert noch eine ganze Weile und endet da, dass ich mir die Küche ansehen darf. Mama wartet mit ihrem Kaffee auf mich, bis ich wieder komme.
Leider ist gerade nur ein Koch da, der Rest hat Zimmerstunde. Aber so kann ich mir dafür alles genau anschauen, ohne jemandem im Weg zu stehen.
Alles fühlt sich so richtig an, wenn ich mich hier umsehen. Es fühlt sich an, als wäre das mein Platz.

Wir verabschieden uns und steigen ins Auto ein. "Und?" fragt Mama.
"Und was?"
"Und, was denkst du?"
"Ja toll. Können wir jetzt bitte nach Hause fahren? Ich möchte noch was mit Cleo machen." Was genau erkläre ich jetzt lieber nicht.

Ich weiß, Mama will jetzt darüber reden, was ich denke, was ich für ein Gefühl habe und wie es mir geht. Aber ich will nicht. Ich will nur zu Cleo.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 08, 2022 ⏰

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