Hoffnung Tut Weh

34 5 1
                                    

Cleos Geburtstag liegt hinter uns, Rebe und ich berichten Bärbel, dass wir uns, wie vereinbart, geküsst haben. "Und, seid ihr jetzt zusammen?" fragt sie, als wäre das der Grund dafür gewesen, dass sie uns herausgefordert hatte.
"Nein, Rebe ist mit Nina zusammen und ich..." ich atme tief ein, die Pause ist einfach zu lang, "ich nicht!" sage ich so ruhig es geht. Ich kann ihr ja nicht gut sagen, dass ich in Cleo verliebt bin und der Kuss zwar schön war, aber das schönste gewesen ist, als Cleo uns unterbrochen hat. Ihre Stimme klang nicht, als wäre es ihr egal gewesen.

Das war das Schönste aber auch das Schlimmste, denn plötzlich hatte ich Hoffnung und das ist gar nicht gut. Ich habe angefangen auch tagsüber von Cleo und mir zu fantasierten. Ich war derart abgelenkt, dass ich heute zwei Tests komplett verbockt habe.

Bärbel bildet sich natürlich ein, dass es daran liegt, dass ich in Rebe verknallt bin, die aber mit Nina zusammen ist. Das muss ich mir jetzt natürlich andauernd anhören und mich über den Kuss ausfragen lassen. "Hättest nicht besser du sie geküsst, wenn das so interessant für dich ist?" murre ich genervt und ziehe mich an.

Im Bus stecke ich mir die Kopfhörer in die Ohren, ich will von keinem was hören. Emilia hilft mir dabei.

¦I'm a big big girl
In a big big world
It's not a big big thing if you leave me
But I do do feel that
I do do will miss you much
Miss you much...¦

Ja, ich bin ein wenig masochistisch veranlagt, was Musik betrifft, aber so kann ich meine Gefühle kanalisieren und dann hoffentlich ordnen. 

¦My loneliness is killing me (and I)
I must confess I still believe (still believe)
When I'm not with you I lose my mind
Give me a sign
Hit me baby one more time!¦

Britney Spears war eine nette Begleitung nach Hause, dennoch bin ich froh, als ich endlich angekommen bin. Kopf Ping Pong ist ziemlich anstrengend und ich bin es leid.

Sollte ich mir nicht eher Gedanken um den Kuss machen und die Tatsache, dass Rebe ganz klar mehr wollte? Sie wollte mich nicht loslassen, sie wollte mich in diesem Moment. Aber nein, das scheint meinem Kopf komplett egal zu sein. Ich denke pausenlos an Cleos Gesichtsausdruck, als sie uns unterbrochen hat. Sie sagt zwar, einer musste das ja tun, wegen der armen Nina, aber war das wirklich der einzige Grund?

>Nein Matz, wirklich, lass das! Da ist nichts und wenn du da jetzt was rein interpretierst, tut es nur noch mehr weh. Leidest du nicht schon genug? Ist unerwiderteLiebe nicht genug? Sie hat dir klar gesagt, dass sie nichts für dich empfindet. Also, nicht so zumindest.<

Ich gebe mir wirklich alle Mühe, aber es will einfach nicht so recht klappen. Bei jeder Gelegenheit suche ich nach Zeichen von Cleo. Gesten, Worte Bewegungen, aber mir immer mehr bewusst, dass sie immer schon meine Hand gehalten hat, auch vor diesem dämlichen Abend an dem Mona mein Leben kaputt gemacht hat.

Ich sage mir jeden Tag aufs Neue, dass ich mir alles einbilde und damit aufhören muss, wenn ich unsere Freundschaft nicht kaputt machen will. Sie hat mir ganz klar gesagt, dass sie nicht so für mich fühlt und seit diesem Abend haben wir auch nicht mehr davon gesprochen. Sie hat es ja auch wirklich geschafft, mich nicht anders zu behandeln, sie nimmt mich weiterhin genau so, wie ich bin und das sollte ich wirklich zu schätzen wissen.

Noch gut zwei Monate, dann ist die Schule aus und ich werde bei meinem Vater arbeiten und Geld verdienen. Nicht viel Geld, aber wenn ich mit der Lehre fertig bin und Cleo dann studieren geht, kann ich mit und wir können uns eine Wohnung leisten und ich kann bei ihr sein. Genau!

Die Tage und Wochen ziehen vorbei und ich schaffe es, Stück für Stück, dass ich mir nicht ununterbrochen Hoffnungen mache. Denn diese Hoffnung ist nur für den Moment schön, für den Bruchteil einer Sekunde. Doch danach, nach diesem kurzen Augenblick ist sie wieder da, die Realität und mit ihr kommt auch er wieder, dieser Schmerz, der so tief in mich dringt, dass es mir den Atem raubt.

Mir wird langsam aber sicher bewusst, dass ich nach dem Abschluss auch Rebe nicht mehr so oft sehen werde, bisher konnte ich das echt gut verdrängen. Aber nach und nach holt sie mich ein, die Realität und das tut weh. Ich mag keine Veränderungen. Veränderungen sind böse, ich mag es, wenn alles so bleibt, wie es ist. Das ist beruhigend für mich und gibt mir Halt.

Ich versuche jeden Tag zu genießen, Rebe für mich zu haben. In der Schule muss ich sie auch nicht mit Nina teilen. Die ist ohnehin nur noch am rumzicken, wegen dem Kuss und weil ich ihren bekloppten besten Freund nicht mit Cleo verkuppeln will.

Ich denke plötzlich oft darüber nach, ob ich wirklich mein Leben lang bei meinem Vater arbeiten will, oder ob ich das überhaupt will. Es fühlt sich irgendwie nicht mehr richtig an, aber was fühlt sich richtig an? Was, außer Cleo, begeistert mich? Ich stehe in der Küche und koche für meine Familie, das mache ich oft. Alle freuen sich, weil ich gerne neues probiere, aber nicht aus dem Kochbuch, sondern aus meiner Phantasie. Das liegt mir einfach, da kann ich abschalten. Da kommt das Kopf Ping Pong auch nicht so oft.

Kochen? Echt? Ich liege am Abend in meinem Bett und denke nach und je mehr ich darüber nachdenke, umso klarer wird mir, dass ich genau das will. Ich will den Menschen ein Lächeln auf das Gesicht zaubern und das kann ich am besten, mit meinem Essen. Cleo liebt mein Essen, sie wird das verstehen. Aber wie erkläre ich das meinem Vater? Er verlässt sich auf mich.

Als ich mit Cleo darüber rede, sagt sie "Toll, dann kannst du jeden Tag für mich kochen!"
Jeden Tag? Sie will jeden Tag bei mir sein? Verdammt! Da ist sie wieder, die Hoffnung, die einen die Dinge so hören lässt, die man sie hören will.

Was, wenn es Liebe ist?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt