Wie ALLES begann

71 9 2
                                    

Da stand ich also, nicht wissend, wohin ich gehörte. Ich stellte mich in der Nähe der Türe hin und sagte zu mir selbst, dass ich einfach mal warten würde, bis alle drin sind. Ehrlich gesagt wusste ich beim besten Willen noch nicht, was ich danach tun sollte. Weglaufen war ja eigentlich keine Option, aber es war doch recht verlockend.

Wie im Militär standen sie alle da, warteten brav in einer Reihe, bis ihre Klasse dran war, um das Gebäude zu betreten. Leise und langsam. Irgendwie gruselig, sowas kannte ich nicht. In meiner alten Schule ging man einfach rein, wenn man da war, zog sich um und ging in den Unterricht. Da waren ein Gewusel und Getümmel, Gelächter und Umarmungen. Hier waren alle so ruhig und gehorsam.

Langsam, Klasse für Klasse, leerte sich der Schulhof und ich stand plötzlich ganz alleine da. In meinen Gedanken war ich längst abgehauen, ich wollte hier nicht mehr sein. Die wollten mich hier ja auch nicht mehr haben.

Ich drehte mich ein letztes Mal zur Tür um und da stand SIE. Ein Engel in der Gestalt eines Mädchens. Braune glatte, schulterlange Haare, und rehbraune Augen, in denen man sich verlieren könnte. Ein Lächeln, so zart und unschuldig, ich starrte sie an und plötzlich wollte ich da rein, ich wollte wissen, wer sie ist, wie sie heißt, in ihrer Nähe sein.

Was zum Teufel?

Völlig neben mir stehend knallte ich mit voller Wucht gegen die Glastür, weil ich meinen Blick nicht von ihr wenden konnte. Na prima, als wäre es nicht schon peinlich genug, die neue zu sein. Danke auch!

Als ich die Tür dann tatsächlich öffnete, dieses Mal ohne noch mehr Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen und das Gebäude betrat, war sie weg. Ich konnte sie nicht mehr sehen. Hatte ich mir das alles nur eingebildet? Wollte mein Kopf einfach, dass ich die Schule betrete?

Was war los mit mir? Das war mir noch nie passiert!

Gerade als ich mich wieder vom Acker machen wollte, stand mein neuer Klassenvorstand vor mir. Ein großer Mann, schlank, aber dennoch sehr angsteinflößend. "Wo wollen wir denn hin?" >Wir?< dachte ich >Keine Ahnung wo du hin willst, aber ich will  hier raus!<.

Meine Gedanken holten mich schnell wieder ein, mein Gehirn spielte, wie so oft, Ping Pong mit mir. Am Ende landete ich mit meinen Überlegungen bei meinen Eltern und dem Wissen, dass sie so viel Hoffnung in diese Schule und mich gesteckt hätten und aus meinem Mund kam, ganz kleinlaut und völlig untypisch für mich, nur ein leises "Ich weiß nicht, wo ich mich umziehen darf und auch nicht, wo meine Klasse ist."

Er zeigte mir alles und begleitete mich dann zu meiner neuen Klasse.

Als er den Raum betrat erhoben sich alle Schüler von ihren Stühlen, Totenstille. Vor ihnen lagen fein säuberlich in der Ecke jeden Tisches die Federschachteln und Notizblöcke.

Ich hoffte, er würde mir einfach ohne weitere Worte einen Platz zuteilen und mich meine Zeit hier absitzen lassen. Weit gefehlt! Da stand ich also vor meiner neuen Klasse und sollte mich vorstellen und erklären, warum ich hier war. >Danke auch, wie nett!<

Bereits beim Betreten des Raumes habe ich sofort nach ihr gesucht, vergebens. Sie war wohl in einer anderen Klasse, wenn sie denn tatsächlich existiert und ich mir das nicht alles nur eingebildet hatte.

Ich begrüßte also meine neuen Mitschüler, stellte mich kurz und knapp vor und ignorierte gekonnt den Teil, bei dem ich ihnen erklären hätte sollen, warum ich hier war. Der Lehrer war aber so freundlich und erledigte das für mich. "Sie hatte viele Probleme in ihrer alten Schule, deshalb ist sie jetzt bei uns und wird sich vorbildlich benehmen!" Bei seinen letzten Worten bekam ich einen Blick zu spüren, der böser hätte nicht sein können.

Er zeigte auf einen leeren Stuhl in der ersten Reihe und mir war klar, dass eine Flucht in die letzte Bankreihe keine Option für ihn war. >Das wird ja immer besser!<

Ich nickte meiner neuen Banknachbarin wortlos zu und kramte meinen Block und einen Stift hervor, den ich dann auf den Tisch legte. Sofort wurde ich komisch angesehen, bis ich beiden fein säuberlich in die Ecke des Tisches schob. >Wie zur Hölle bin ich hier gelandet? War das die Strafe dafür, dass ich mich in meiner alten Schule nicht unterkriegen lassen wollte?<

Gehirn Ping Pong, schon wieder. Meine Gedanken sprangen wild umher, ich fing an, an mir selbst zu zweifeln. Und noch mehr zweifelte ich daran, dass ich das Versprechen, welches ich meinen Eltern gegeben hatte, halten konnte.

3 Stunden lang wurde uns erklärt, was uns das kommende Schuljahr erwarten würde.

Mir wurde klargemacht, dass man das Wahlpflichtfach für mich bereits gewählt hatte. Französisch.
>Französisch? Eine Fremdsprache? Ernsthaft? Ich komme mit Englisch schon vorne und hinten nicht so zurecht, wie ich das gerne hätte. Wie soll ich da noch eine Sprache auf die Reihe bekommen?<

Meine Bitte, das Fach doch noch selbst zu wählen, wurde nicht erhört. "Die anderen Schüler haben das bereits im letzten Schuljahr gewählt, da du nicht da warst, musst du jetzt nehmen, was wir eingeteilt haben!"
>Danke auch, ich war ja nur an die 10-mal hier, man stelle sich vor, man hätte mich da gefragt.<
Ich war innerlich derart enttäuscht und wütend, nach außen kam lediglich ein "Aha." raus.

Thema Wien-Woche. Juhu, ich freute mich. Ich war eben erst in Wien, mit meinem Privatlehrer, und ich wollte unbedingt wieder hin. Da hatte ich mich wirklich frei gefühlt. Eine Woche lang keine Schule, die Stadt genießen.

Der Lehrer drehte sich wieder zu mir, ich erwartete eine Ermahnung, wie ich mich dort dann zu verhalten hätte, aber weit gefehlt. "Die Woche ist leider schon geplant und alles gebucht, wir können das jetzt nicht nur deinetwegen alles ändern. Du wirst dann am Unterricht in einer der unteren Klassen teilnehmen!" Völlig perplex brachte ich kein Wort heraus.

Es fühlte sich einfach an, als wollten sie gar nicht, dass ich da bin, es fühlte sich wieder genau so an, wie an meiner alten Schule.

Was, wenn es Liebe ist?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt