Sweet Sixteen

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Cleo kommt natürlich nach der Schule noch zu mir, ist ja mein Geburtstag. Wirklich feiern will ich eigentlich nicht. Mona taucht auch auf, aber auf sie habe ich seit besagtem Abend keine Lust. Sie weiß das, ignoriert das aber gekonnt. Sie hat sich auch nicht bei mir entschuldigt, im Gegenteil, sie denkt, es war richtig und sie habe mir damit einen Gefallen getan.

Ich erzähle Cleo von der doofen Wette die Bärbel da angezettelt hat. "Das kannst du aber nicht ernsthaft machen, Rebe hat eine Freundin!"
"Es geht um einen Kuss, ich will sie ja nicht gleich heiraten. Sowieso hat Rebe wohl kein Problem damit."
Cleo merkt wohl, dass ich das nicht so wirklich will, aber keinen Ausweg finde und lässt mich damit in Ruhe.

Da wir am nächsten Tag beide in die Schule müssen, kann Cleo nicht bei mir übernachten, ich bringe sie, wie immer, zum Bus und warte dort mit ihr. Wir kennen den Fahrplan auswendig, auch jede Sonderzeit und den Wochenendfahrplan. Zum Abschied umarmt sie mich so lange, bis der Bus die Türen öffnet. Ich will nicht, dass sie geht.

Am Abend liege ich im Bett und denke nach. Ping, Pong, Ping, Pong,... Ich fühle mich von meinen Gedanken überwältigt und versuche zu schlafen. Mein Kopf denkt aber nur daran, wie es wäre, ein Mädchen zu küssen, selbst wenn es nicht Cleo ist. Ob ich für Rebe auch so fühlen könnte? Egal, sie ist mit Nina zusammen und das ist nur eine Wette, nicht mehr und nicht weniger.

Bärbel fragt jeden Morgen nach, ob wir uns denn nun schon geküsst haben. "Cleos Geburtstag ist erst am Wochenende, stress nicht rum." raunze ich sie an, wohl wissend, dass es bis zu Cleos Geburtstag passiert sein soll, nicht zwingend erst an ihrem Geburtstag.

Rebe und ich haben vereinbart, dass es an Cleos Geburtstag sein wird, wir feiern ja alle gemeinsam. Cleo, Rebe, Nina, deren bester Kumpel und ich. Cleo wird 16, ein großer Tag könnte man meinen, sie juckt das aber irgendwie gar nicht. Ich wollte eine riesen Party für sie auf die Beine stellen, meine Mum hat ihr okay dafür gegeben, aber Cleo will lieber was Kleines. Und was Cloe will, soll sie natürlich auch bekommen.

Und da geht mein Dilemma auch schon los, denn neben dem Kuss, der mir einfach nicht aus dem Kopf geht, habe ich noch kein Geschenk für Cleo und mir fällt auch nichts ein, dass sagt: -Danke, dass meine Liebe dich nicht erschreckt und du mich nicht hasst-. Diese Abteilung findet man auch bei den Grußkarten nicht, ich habe versucht etwas in die Richtung zu finden, glaubt mir.

Ich habe noch immer Probleme damit, mich gegenüber Cloe zu verhalten wie immer, denn über mir schwebt diese dunkle Wolke, die mich ständig daran erinnert, dass sie es weiß, dass sie alles weiß.

Ich nehme für Cloe ein Mixtape auf, mit Songs die wir beide gerne hören. Dabei auf alles zu verzichten, dass irgendwie von Liebe handelt, ist eine echte Herausforderung, aber es geht nicht anders. Sie darf auf keinen Fall das Gefühl haben, ich wolle ihr von meiner Liebe klagen.

Es ist Samstag, der 1. Mai 1999, Cleos 16. Geburtstag und in ein paar Minuten sollten alle bei mir Zuhause auftauchen. Meine Mum fragt, wo wir denn jetzt feiern werden und ich erzähle ihr, dass ich geplant habe, auf die Ruine hoch zu spazieren, da haben wir einen tollen Ausblick auf den ganzen Ort und mit Sicherheit unsere Ruhe. Meine Mum ist kein Kontrollfreak, aber sie weiß einfach gerne, wo wir uns rumtreiben, falls doch mal was passiert.

Sie drückt mir eine Flasche Sekt in die Hand und ich schaue sie fragen an. "Na, Cleo wird 16 und das ist was Besonderes. Und so weiß ich zumindest, was ihr trinkt.", sie zwinkert und lächelt. "Danke Mum, darf ich ein paar Gläser einpacken? So alle aus derselben Flasche finde ich nicht so prickelnd und anstoßen kann man so ja auch nicht."
Meine Mum nickt und ich packe fünf Gläser in Tücher ein und packe sie zusammen mit dem Sekt in meinen Rucksack. In dem Moment taucht auch schon Cleo auf unserer Terrasse auf. Ich umarme sie ganz fest und gratuliere ihr natürlich, obwohl wir heute schon vor dem Frühstück deswegen telefoniert hatten. Ich wollte unbedingt die erste sein, die ihr gratuliert.

Als die anderen eintrudeln, laufen wir los zur Ruine, in unserem Tempo dauert das eine gute halbe Stunde. Oben angekommen, mache ich uns Musik an, ich habe extra meinen Radio mit Batterien ausgestattet und mitgenommen.

Die Ruine hat einen Vorplatz von dem aus man den bis in die Schweiz sehen kann. Hinter uns ist der Eingang, durch den man in die ehemalige Burg hinein kam. Leider ist die Ruine wirklich eine Ruine, es gibt keine Stockwerke mehr, man kann, wenn man nicht klettern will, nur auf dem Boden bleiben und nach oben blicken.

Ich war schon oben, sehr weit oben, ganz oben, um genau zu sein. Wenn ich das Cleo sagen würde, wäre sie stinksauer, was da alles hätte passieren können. Sie kann es nicht leiden, wenn ich solche Sachen mache.

Ich lasse den Korken von der Sektflasche knallen und gieße jedem etwas davon ein. Ich stoße als erstes mit Cleo an: "Auf dich. Happy Birthday. Ich habe dich sehr lieb."
>Ja und natürlich werde ich dich immer lieben, du bist der wundervollste Mensch auf Erden und meine Liebe zu dir ist unerschütterlich. Ich will keine Sekunde von dir getrennt sein. Niemals!<
Danke Kopf, als wäre das alles nicht so schon kompliziert genug.

Der Abend dauert an und es ist fast Mitternacht, ich habe das mit dem Kuss bisher echt gut verdrängt, aber Rebe wohl nicht. "Wir haben da noch was zu erledigen." sagt sie und zwinkert mir zu. "Du musst das nicht tun, wir können doch einfach behaupten, dass wir es getan haben. Wie soll sie das überprüfen?"

Rebe schüttelt den Kopf und zieht mich ein paar Schritte von den anderen Weg, die Stufen hoch. Jetzt stehen wir ja fast wie auf eine Bühne vor den anderen, Nina sieht mich böse an, aber ich kann ihr das grad echt nicht übel nehmen, im Gegenteil. Wenn einer hier jetzt Cleo küssen würde, wäre ich auch verletzt, und wir sind ja nicht mal zusammen. Im Gegenteil!

Wir halten uns an den Händen, unsere Finger. Sind ineinander verschlungen und Rebe merkt, wie ich mich innerlich ein wenig dagegen sträube. Warum auch immer, stört mich am meisten, Rebe vor den Augen von Cleo zu küssen. Ich weiß, dass ist absolut nicht logisch, aber ich kann meine Kopf einfach nicht ganz abstellen.

Während ich noch Kopf Ping Pong spiele, macht Rebe einen Schritt auf mich zu und unsere Lippen berühren sich. Sie sind weich und zart. OK, geschafft, ich will zurück ziehen, doch Rebe hält mich fest, ihre Lippen öffnen sich und ihre Zunge sucht nach meiner, der Kuss ist schön, intensiv und ich merke wie sie mehr davon will und mich stört das in diesem Moment plötzlich gar nicht mehr.

"Reichts nicht langsam mal?"

unterbricht uns eine laute, wütende Stimme. Aber es ist nicht Nina, die unseren Kuss unterbricht, es ist Cleo.

Was, wenn es Liebe ist?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt