Wenn Dinge Enden...

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Da ist er also, der letzte Schultag. Cleo muss natürlich selbst in die Schule, ihr Zeugnis abholen, dabei wäre sie gerne bei mir gewesen, hat sie gesagt.

Ich habe noch immer nicht mit meinem Vater gesprochen und ich weiß auch nicht, wie ich tun soll.

Aber jetzt gerade sitzen Rebe und ich gegenüber voneinander am Boden vom Schulhof, unsere Zeugnisse liegen neben uns am Boden, wir halten uns an den Händen und unsere Beine liegen übereinander. Wir wissen beide, dass sich jetzt sehr viel ändern wird und wir uns nicht mehr so oft sehen werden, uns beiden gefällt das gar nicht. Wir sollten gerade sehr glücklich sein, dass wir die Schule hinter uns haben und was tun wir? Sitzen da und heulen gemeinsam. Was die anderen denken ist uns egal, wir wissen, was wir fühlen und dass auch Freundschaft sehr tief und innig sein kann. Wir machen Pläne für den Sommer, für die Wochenenden. Schwimmen, Kino, Filmabende, alles was uns so einfällt.

Rebe beginnt schon nächste Woche ihre Lehre, ganz nah an ihrem Zuhause. Ich freue mich für sie, denn sie scheint das gefunden zu haben, was sie gerne machen möchte. Sie ist klug, sie wird das mit links packen.

Ich rede mit ihr über meinen Vater und das ich nicht weiß, wie ich es ihm sagen soll, dass ich Angst habe, dass er endlos enttäuscht von mir ist.
Sie zieht ihr Handy aus der Hosentasche und drückt es mir in die Hand. Ich selbst habe noch keines, mein Vater ist dagegen. Seine Nummer kann ich aber auswendig. Ich tippe sie ein und Rebe drückt auf die Taste mit dem kleinen grünen Hörer.

Das Telefonat ist kurz und als ich auflege, blickt mich Rebe fragend an.
"Alles gut, besser als gut. Er hat sogar Verständnis für mich." etwas irritiert erzähle ich Rebe, was mein Vater geantwortet hat und das er gesagt hat, dass wir das da eine Lösung finden, wenn ich nach Hause komme und er mir dabei hilft. Rebe umarmt mich und küsst mich auf die Stirn. "Es wird alles gut!"

Wir wissen beide, dass wir uns jetzt verabschieden müssen. Auch wenn uns klar ist, dass wir uns wiedersehen, ist der Abschied anders als sonst. Rebe begleitet mich noch zum Bus, das tut sie fast immer, auch wenn ihr Heimweg in die andere Richtung ist. Sie sitzt auf mir und wir reden noch, bis der Bus kommt. "Ich hab dich lieb!" kommt es nahezu synchron aus uns heraus. Wir lachen und ich steige in den Bus, das letzte Mal nach der Schule. Ein komisches Gefühl.

Cleo werde ich erst morgen sehen, heute will ihre Mum, dass sie als Familie essen gehen, da hat auch Cleos Protest, dass ich für sie Familie bin, nicht geholfen. Dafür wird sie morgen bei mir übernachten und wir leihen uns ein paar Filme aus.

Das Gespräch mit meinem Vater ist ziemlich entspannt, er hat seiner Sekretärin bereits den Auftrag gegeben, die besten Adressen für eine Lehre als Köchin heraus zu finden, wenn ich diese Ausbildung mache, dann richtig, meint er. Über den Sommer hinweg, besser gesagt, bis ich die Lehre beginne, arbeite ich bei ihm auf der Baustelle. "Nur rumsitzen ist nicht, klar?" Ich nicke, mir war eh klar, dass das so nicht geht.

Am nächsten Morgen wache ich auf und fange an mein Zimmer aufzuräumen, das passiert auch nur freiwillig, wenn Cleo zu Besuch kommt. Heute gebe ich mir besonders viel Mühe, irgendwie bin ich gerade total motiviert. Ich beziehe mein Bett frisch und staubsauge sogar noch, bevor ich mir mein Frühstück mache. Meine Mum ist verwirrt, das sieht man ihr deutlich an. "Kommt heute besonderer Besuch?" fragt sie. "Nee, Cleo kommt vorbei, wir sehen uns ein paar Filme an, den Ferienbeginn feiern." entgegen ich.
"Alles klar, mache bitte nach dem Frühstück noch die Wäsche ja? Und das Bad sollte auch noch geputzt werden. Du hast ja noch etwas Zeit."

Ich bin so gut gelaunt, dass ich nicht mal widerspreche und einfach meine Arbeiten erledige.
Am Ende miste ich noch mein Zimmer aus, Räume den Schreibtisch auf und staube ab. Hätte ich das besser mal eher gemacht, jetzt darf ich nochmal Staubsaugen. Selbst schuld.
Ich öffne das Fenster um das Zimmer zu lüften und genieße die frische Luft. Der Duft von Neuanfang liegt in der Luft.
Dann suche ich mir aus dem Schrank im Gang frische Kleidung heraus. Irgendein viel zu großes T-Shirt und meine liebsten Baggy Pants. Eine Treppe weiter unten ist das Badezimmer, welches ich zuvor noch ganz brav sauber gemacht habe.
Viel Zeit zum Duschen habe ich nicht mehr, Cleo kommt schon zum Mittagessen. Heute kocht meine Mum, dann kann ich Cleo direkt beim Bus abholen.

Bevor ich aus dem Haus stürme, decke ich noch den Tisch für meine Mum, meine beiden Brüder, Cleo und mich. Meine Schwester isst ohnehin nicht mit uns und mein Vater ist am Arbeiten, wie immer. Meine Mum ist wieder ganz erstaunt, ich allerdings auch. Vielleicht geht's mir einfach gut, weil ich das Thema Lehre angesprochen hatte und alles so super lief, oder einfach, weil, auch wenn ich arbeiten werden würde, die Sommerferien vor uns lagen und ich die Wärme einfach viel lieber mag, als den gruseligen, kalten Winter. Und das, obwohl ich eine Pollenallergie habe, die löst übrigens auch Asthma aus, prima, findet ihr nicht?

Als ich dir Straße runter laufe, merke ich, dass ich mich beeilen muss. Gerade unten angekommen sehe ich den Bus kommen und renne los, damit ich gerade noch so dort bin, bevor sich die Türen vom Bus öffnen. "Wieder mal zu lange herum getrödelt?" fragt mich Cleo, als sie aus dem Bus steigt und mich umarmt.
"Du kennst mich halt." erwidere ich, obwohl es dieses Mal gar nicht stimmte.

Hand in Hand laufen wir zu meinem Haus, während wir uns von den Ereignissen des Vortrages berichten. Cleo ist froh, dass das Gespräch mit meinem Vater gut gelaufen ist und ich bin froh, dass sie jetzt mal etwas Pause vom Lernen hat, denn sie macht sich selbst immer so viel Druck, dabei ist sie eh so verdammt klug, dass es einem schon regelrecht Angst macht.

Was, wenn es Liebe ist?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt