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Ich renne aus dem vordereingang meines Hotels - in der Hand jene eidesstattliche Erklärung von Thomas, die mir angeblich eine sorgenfreie Zukunft bescheren sollte. Ich wollte ihn einfach nur zur Rede stellen bevor er abreiste, er stand bereits neben seinem Shuttle.
„Ich, thomas bestätige, dass ich in der 3. klasse regelmäßig die Schule geschwänzt habe."
Doch Thomas ließ sich nicht mal anhand dessen, dass ich seinen Schwindel noch rechtzeitig vor seiner Abfahrt aufgedeckt habe aus der Ruhe bringen. Im Gegenteil, ihn schien es sogar noch zu amüsieren. Für ihn war das hier alles nur ein Spiel gewesen - ein abgekatertes Spiel gegen mich. Ich war völlig durch den Wind, außer mir vor Wut und entsetzt, dass ich so gutgläubig sein konnte.
„Das sollte dir der Notar eigentlich erst aushändigen, wenn ich weg bin."
Der hatte Nerven! Wütend hob ich meine Hand mit dem Schreiben, am liebsten hätte ich ihm damit ins Gesicht geschlagen. Aber ich riss mich grade noch zusammen, vielleicht auch in Anbetracht dessen, dass das hier wahrscheinlich unsere letzten Minuten zusammen waren. Dann würde er gehen - wir würden uns nie mehr wieder sehen. Doch so einfach würde ich ihn nicht fort lassen.
„Du hast ihn bestochen damit er diesen Quatsch aufsetzt anstatt zu bestätigen, dass ich dich damals aus dem See gerettet habe."
Wenn er dabei blieb, waren meine ganzen Mühen der letzten Wochen quasi umsonst gewesen. Hektisch sah ich mich um, ob uns eh keiner zuhörte, diese Worte waren nicht für fremde Ohren bestimmt.
„Habe es mir anderes überlegt."
Ich ließ entkräftet das Schriftstück sinken und seufzte auf. Er hatte wieder mal eine Macht über mich, die mich zerbrechen konnte. Er bestimmte über mein Leben - mein Schicksal, meine Liebe, mein Glück. Langsam wurde es mir egal, ob er jetzt ging. Was genug war, war genug. Ein Blick in seine wunderschönen Augen strafte meine Gedanken lügen, aber eine gewisse Gleichgültigkeit blieb. Vielleicht würde ich ihn jetzt das letzte mal sehen, aber die Wunden, die er in mein Herz gerissen hatte, würden mich noch sehr lang an ihn erinnern. Ich würde ihn so Erinnerung behalten, wie er zuletzt zu mir war, grausam, spöttisch und so ganz ohne liebe.
„Thomas, bitte... ich habe die Hälfte meiner Anteile an Martin verkauft für nichts?!"
Ich konnte es einfach nicht fassen, dass er mich derart hinterging. Tränen stiegen mir in die Augen - früher war ich nicht so nahe am Wasser gebaut. Vielleicht lag es an der Art, wie Thomas immer wieder Hoffnung in mir schürte und sie dann wie ein lästiges Insekt einfach zerquetschte. Vielleicht lag es an seinen Blicken, die kalt wie Eis und doch so wunderschön waren.
„Immerhin musst du nicht ins Gefängnis."
Ein kleiner Lichtblick, wertvoll und doch nicht genug. Mein Vertrauen in ihn war zu gering, um ihm jetzt noch irgendwas zu glauben.
„Gib mir wenigstens dieses Video... komm, dann ziehen wir ein für alle mal einen Schlussstrich."
An seinem fadisierten Gesichtsausdruck sah ich, was er von meinem Angebot hielt - nämlich gar nichts. Für ihn war das immer noch alles ein einziger großer Witz, sein Vergnügen mich zu quälen. Vielleicht würde er ja aus der Ferne aus weiter machen mit all seinen Druckmitteln, die er noch immer gegen mich hatte. Vielleicht war seine Abreise ja nur ein Vorwand.
„Das Video bleibt bei mir... als Lebensversicherung."
Das war ja so klar, wahrscheinlich war das von Anfang an sein Plan gewesen. Er raubte mir echt den letzten Nerv.
„Aha, und wer garantiert mir, dass du es nicht doch irgendwann gegen mich verwendest?! Oder an Martin verkaufst?!"
Ich war fassungslos über so viel Dreistigkeit - er hatte mich über den Tisch gezogen wie eine blutige Anfängerin. Doch ich war machtlos gegen ihn, er saß am längeren Hebel. Es gab nichts, was ich tun könnte.
„Du wirst mir wohl vertrauen müssen."
Und genau das tat ich nicht, nicht nach dieser Aktion. Sein mildes Lächeln brachte das Eis in mir etwas zum schmelzen, aber es änderte nichts an meiner beschissenen Situation. Ich wäre ihm mein Leben lang ausgeliefert, wer weiß auf welche Ideen er noch kommt... doch neben meiner Angst um mein eigenes weiters leben kam auch noch ein anderes Gefühl dazu - bedauern, dass unser Abschied ganz und gar nicht so lief wie ich es geplant hatte.
„Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass es mal so endet zwischen uns."
Dieser Gedanke schmerzte fast mehr als alles andere, es war ein Gefühl kompletter Zerstörung und Hoffnungslosigkeit. Es war ein Gefühl, dass keine Rettung mehr möglich war, es war ein Gefühl, das es vorbei war. Ich wandte mich leicht ab, ertrug Thomas Anblick nicht mehr.
„Ja... es gefällt mir besser als das Ende, das du ursprünglich für mich vorgesehen hattest."
Ich hielt meinen Kopf gesenkt - alles fühlte sich mit einem mal so schwer und müde an. Meine nächsten Worte waren kaum mehr als ein Flüstern.
„Es tut mir leid..."
Und so meinte ich es auch wirklich. Noch einmal traf mein Blick seine endlosen Augen, ein paar wunderschöne, kostbare Momente. Er wandte sich zu dem Shuttle um, ohne eine weitere Reaktion. Ich würde ihn am liebsten festhalten, ihm noch einmal alles sagen, was ich ihm sagen wollte, aber es war zu spät. Ich wollte diese Augenblick für immer tief in mir einsaugen - auch, wenn ich wusste, dass der Zahn der Zeit diese Erinnerungen bröckeln lassen würde. Es war Zeit uns zu trennen, das zu trennen, was nicht zusammen gehört, nicht jetzt, niemals. Es war Zeit für ihn zu gehen, weg von mir. Er würde mich hier wieder allein lassen in dieser vergifteten Atmosphäre mit Martin. Martin von dem er wahrscheinlich selber froh war ihn jetzt wieder los zu sein. Martin, der mir jeden einzelnen Tag hier zur Hölle machen würde. Ich blinzelte einige Tränen weg, nicht weinen, nicht jetzt. Ich sah Thomas zu, wie er nach dem Griff tastete, der die Schiebetür des Kombis öffnete - meine Augen verfolgten jede noch so kleine Bewegung von ihm. Die Tür glitt auf, doch er blieb stehen, zögerte. Auf was wartete er, ein Abschiedskuss wäre ja wohl kaum angemessen?! Auch, wenn ich nichts dagegen hätte... stattdessen tat ich das, was mir blieb, ein paar letzte nette Worte zum Abschied.
„Und ich wünsche dir alles gute..."
Meine Stimme war so leise und sanft, dass ich sie fast selbst nicht mehr erkannte. Er drehte sich kurz um zu mir, nur kurz, ein paar Sekunden lang. Ich redete weiter - solang ich noch Gelegenheit dazu hatte.
„Auch, wenn du es mir nicht glaubst ich habe dich wirklich geliebt..."
Sein Kopf wandte sich erneut zu mir, überrascht, aber es würde jetzt nichts mehr ändern, zu spät ist zu spät. Seine Augen wirkten mit einem mal so unendlich traurig wie ich mich fühlte. Alles an meinem Körper war mit einem mal träge wie Blei.
„Leb wohl."
Ein letztes Mal ertrank ich in seinem Blick. Dann stieg er in das Shuttle - er verschwand in seinem inneren wie in dem Bauch eines Wals. Ein undefinierbarer Schmerz schnürte mir die Kehle zu, man schätzt erst den Wert der Dinge, wenn man sie verliert.

Was sagt ihr dazu, dass Thomas ihr eine Art scherzdokument anstatt des vereinbarten, sie entlastenden aushändigen hat lassen?

Über votes und Kommentare würde ich mich wie immer sehr freuen

Ich schreibe demnächst an meinem neuen Thriller „i Never Ever Lied" und überarbeite derzeit meine suicide-Squad Fan-fiction „dark paradise"

One more moment with youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt