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Ein freches Grinsen stahl sich auf mein Gesicht als ich Thomas Telefonnummer wählte - ich weiß nicht, warum ich diesen erbärmlichen und billigen Versuch überhaupt startete. Auf einmal war ich bereit Dinge zu tun, die ich vor ein paar Wochen noch nicht mal in Erwägung gezogen habe. Ich würde meinen Körper ihm ausliefern in der Hoffnung, dass er dann von dem Deal mit den Anteilen Abstand nehmen und mich vielleicht auch wieder zurück haben wollen würde. Ich weiß nicht, warum ich bei dem Gedanken an das, was zwischen Thomas und mir vielleicht heute Nacht passieren würde so Dämlich Lächeln musste.
„Kommt nichts im Fernsehen oder warum rufst du an?"
Ich wusste zu gut, dass ich Thomas grade bei einem Gespräch mit Martin unten in der Bar störte - bei dem sicher keine guten Worte über mich gesprochen wurden. Ich ging gleich aufs ganze, denn wenn ich langweilig war, würde Thomas sicher nicht auf mein unmoralisches Angebot einsteigen, dann würde er lieber weiter mit Martin über mich lästern.
„Du gehst mir nicht aus dem Kopf. Der Kuss mit dir... im Grunde deines Herzens willst du mich doch auch."
Ich merkte ganz genau, wie Thomas mit sich kämpfte, ich machte ihn nervös und es fiel ihm immer schwerer mir zu widerstehen. Ich konnte hören, wie er mit den Fingerknöcheln knackte.
„Du täuscht dich."
Ich musste ihn nur dazu bringen mal mit mir im Bett zu landen - der Rest würde sich dann ganz von allein ergeben und war im Grunde genommen ein Kinderspiel für mich. Ich habe an Thomas stimme gemerkt, dass er bei seiner Antwort an mich gelächelt hatte. Nun lag es an mir ein wenig mit ihm zu spielen, eine kleine Rache für die vergangenen Wochen.
„Ah ja?! Keine kennt dich besser als ich. Keine weiß besser, was dir gefällt. Ach, ich liege übrigens grade auf deinem Bett."
Als pensionsinhaberin hatte ich eben alle rechte hier - diese Karte jetzt zu spielen, kam mir sehr sexy vor.
„Du glaubst das funktioniert bei mir?!"
Er grinste auch, das hörte ich an der Art und Weise, wie er mit mir sprach. Martin musste ihn sicher schon seltsam angucken. Ich legte noch eine Schaufel nach.
„Thomas, ich liebe dich. Ich beweise es dir, wenn du mich lässt."
Wenn Kevin mich so sehen könnte, würde er durchdrehen, zurecht. Aber er würde es nie erfahren, dafür würde ich schon sorgen, ich war durch all das, was Thomas mir in letzter Zeit angetan hat bei weitem abgefuckter als kurz nach seinem Eintreffen hier - ich war bereit Kevin zu hintergehen, auf die schlimmste Art und Weise. Ich täuschte ihn, um die rachsucht meines ex zu befriedigen.
„Ok..."
Es machte ein dumpfes Geräusch, Thomas hatte mit diesem 1 Wort, das er verheißungsvoll in der Luft stehen ließ, aufgelegt. Ein paar Minuten später saßen wir schon beide auf seinem Bett, zwischen uns war nur eine Handbreit Platz. Die Stimmung war irgendwie komisch, irgendwie geil, aber irgendwie auch verhalten. Wir stießen mit den Gläsern an, ich mit meinem sektglas und er mit einem Cocktail-Glas, was ihm Martin noch aufgedrängt hatte, wo er so fluchtartig die Lobby verlassen hatte - das leise Klirren besiegelte unseren eigentlich recht abartigen Bund. Ich lächelte ihm zu und er blickte freundlich zurück. Es war nur das kleine Licht auf seinem Nachtisch an, der Rest des Zimmers war in Dunkelheit getaucht. Ich merkte, dass auch er sich etwas unsicher fühlte, dass auch er nicht wusste, woran er bei mir war.
„Thomas, mit dir hatte ich die schönste Zeit meines Lebens."
Da war er wieder, dieser belustigter Blick in seinen Augen, der mir zeigte, dass sein Kopf viel weniger von unserem Vorhaben hier hielt als seine Gier und vielleicht auch sein Herz. Noch bevor ich ihm tief und verführerisch ins Angesicht blicken konnte, wandte er seinen Kopf ab, um seinen Drink auf ex auszutrinken. Die letzten Reste der Flüssigkeit bildeten einen hellgelben Film am Boden des Glas. Er ließ die Hand mit dem Glas sinken und wandte sich wieder zu mir.
„Man kann sich nicht nur Menschen, sondern auch seine Vergangenheit schöntrinken."
Ich schüttelte genervt über seinen spöttischen Spruch den Kopf. Meine Hand wanderte über das Bett vorsichtig auf seinen Rücken - berührte den glatten Stoff seines Sakkos. Er ließ es zu und ich war mir sicher er würde heute Nacht noch viel mehr zulassen, zumindest dieses 1 mal. Mit einem matten Lächeln betrachtete ich sein wunderschönes Gesicht, die lachfältchen und die kleinen Grübchen um den Mund herum, die ich immer schon so sehr geliebt hatte. In seinem Blick lag auch ein wenig Bewunderung, aber mehr verlangen, ein Grundbedürfnis, das gestillt werden wollte, quasi egal mit wem und wo. Doch in meinem Kopf sah er in mir immer noch die Frau seines Lebens - ich wollte es einfach glauben, nein, ich musste es um das hier durchzuziehen. Der Druck meiner Hand auf seinen Rücken verstärkte sich. Ich wusste, dass ich ihm gefiel in meinem knappen schwarzen Kleid aus hauchdünnem Stoff. Er hielt sich sehr zurück mich noch nicht zu berühren, sein stolz war noch immer stärker. Und, doch spürte ich seine hungrigen Blicke auf meinem tiefen Ausschnitt, genau da, wo ich sie haben wollte. Da und auf meinen nur dürftig mit Stoff bedeckten Schenkeln. Ich musste ihn an die alten Zeiten erinnern - an die guten alten Zeiten, die wir hatten.
„Wir waren doch so glücklich... ich glaube wir können es wieder werden. Du musst es nur wollen."
Meine Hand wanderte über seine Schulter nach oben - strich seinen Hals entlang und kraulte sein dichtes Krauses Haar. Er genoss meine Berührungen sichtlich und so ließ ich meine Finger wieder hinab wandern, zu seinem Oberschenkel. Die Luft zwischen uns fühlte sich mit einem mal viel heißer an, viel aufgeladener, viel elektrischer. Ich beugte mich vor, um ihn zu küssen, auch sein Kopf kam näher und unsere Lippen streiften sich. Ich roch seinen Duft und seine Lust. Doch es kam zu keinem richtigen Kuss, denn im letzten Augenblick zuckte sein Kopf zurück. Er wankte etwas nach hinten - stützte sich auf dem Bett auf, nach halt suchend. Sein plötzlich ganz müder Blick traf auf meinen, er versuchte mein Gesicht zu fixieren. Erschrocken sah ich ihn an, das lief alles gar nicht nach Plan. Seine Augen glänzten wie bei Fieber.
„Was... was hast du mir in den Drink gemacht? Als ich im Bad war..."
Irritiert blickte ich auf, gar nichts hatte ich gemacht, aber das kam jetzt denkbar blöd rüber, wenn man unsere Vorgeschichte bedachte. Trotzdem musste ich mich rechtfertigen.
„Was?! Nichts..."
Panik kroch in mir hoch - er würde mir nicht glauben, das war mein Ende. Doch auch in seinem Blick lag eine gewisse Absolution, eine Art Erkenntnis. Meine Hand wanderte über seine Schulter an sein Gesicht, ich fühlte seine kalte Wange. Sein dämmriger Blick ruhte abschätzig aus halb geschlossenen Augenlidern auf mir. Als er wankte, hielt ich ihn an der Schulter fest.
„Ich hätte es wissen müssen... du willst mich umbringen."
Ein ungeahnter Schrecken breitete sich in mir aus, wenn Thomas jetzt starb, würde jeder glauben, dass es meine Schuld war. Er konnte sich kaum mehr aufrecht halten. Aber ich musste ihn dazu bringen mir zu glauben.
„Nein... Thomas, was ist los?"
Ich konnte ihm nur zusehen, wie er sich erhob und gleich drauf wieder zurück ins Bett fiel - ich versuchte ihn noch am Arm fest zu halten, aber ich war zu schwach. Das Glas rutschte ihm aus der Hand und zerbrach am Boden, was dazu führte, dass sich die letzte Flüssigkeit drin auf dem Parkettboden verteilte. Thomas Lider waren geschlossen, er lag reglos da. Tränen schossen in meine Augen, Schmerz brannte in meinem Kopf, mein Körper war regelrecht in Aufruhr. Er lag so friedlich da, so als wäre er ganz erschöpft und schliefe nur. Mein Herz raste, mein Puls spielte verrückt, das konnte einfach nicht wahr sein.
„Oh Gott, nein nein, nein nein... hey, wach auf... Thomas, was ist mir dir? Thomas, bitte... hallo? Ich habe nichts getan... Thomas, bitte..."
Doch sein Gesicht blieb reglos - ganz still und ohne jegliche Regung von Leben. Seine Haut wirkte blass und war ganz kalt. Leichenblass schoss es mir durch den Kopf. Alles krasse, was ich in den Wochen zuvor erlebt hatte, sollte wohl jetzt in diesem Albtraum gipfeln, vielleicht war das mein Schicksal. Wenn Thomas jetzt starb, war das endgültig mein Ende. Fassungslos starrte ich auf seinen bewegungslosen Körper, ich wartete die ganze Zeit, dass er mir signalisierte, dass das doch nur ein Scherz war. Eine Illusion, ein Traumbild. Mein Verstand musste mit mir durchgehen, anders war das nicht möglich. Ich sprang aufs Bett und begann mit einem klatschenden Geräusch Thomas Wange zu tätscheln. Ich beugte mich über ihn - meine langen Haare hingen mir ins Gesicht. Meine eine Hand griff nach seiner, die andere begann wieder seine Wange zu bearbeiten, er musste einfach aufwachen. Meine tränenflüssigkeit tropfte auf sein Hemd und hinterließ dunkle Flecken. Entnervt schlug ich meine Hände auf das Bettlaken, dass die Matratze bebte. Hektisch begann ich in meiner Handtasche nach meinem Handy zu kramen, um den hotelarzt anzurufen. Als ich es in dem diffusen Licht nicht gleich fand, wanderte meine Hand noch mal an Thomas Wange und strich wehmütig drüber - sein Gesicht lag ganz ruhig da, sein Atem ging flach. Vielleicht würde er nicht mehr lang leben. Vielleicht wäre es ja indirekt doch meine Schuld, wenn ich Unfähig war 1. Hilfe zu leisten, aber so war es schon immer gewesen, wenn ich in Panik verfiel, war ich zu nichts mehr zu gebrauchen. Dann hätte ich noch genug Zeit zum weinen und zum hinterhertrauern den alten Zeiten, viel zu viel Zeit.

Glaubt ihr Thomas wird jetzt sterben?

Über votes und Kommentare würde ich mich wie immer sehr freuen

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