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Thomas sah mich so feindselig an, dass immer weitere Splitter in mein Herz schnitten - ich würde noch an all dem Blut ertrinken. Meine Lippen schmeckten salzig von den herab tropfenden Tränen. Eines konnte ich jedoch überhaupt nicht verkraften: dass Thomas immer noch glaubte ich log.
„Bitte, glaub mir... ich habe dich nie vergessen. Ich habe sogar mit deinem Bild gesprochen, immer und immer wieder... und..."
Ungläubig schüttelte Thomas den Kopf, er war fassungslos. Wahrscheinlich bereute er es sogar schon mich überhaupt wieder in sein Leben geholt zu haben. Er hätte es so friedlich weit weg von hier haben können - weit weg von der Frau, die ihn umbringen wollte. Weit weg von der Frau mit der nie mehr als eine toxische Beziehung möglich sein wird. Ich sah ihn an als wäre er nur ein Trugbild, was sich jederzeit wieder in Luft auflösen könnte, ich war total fertig. Er wirkte schon wieder so wütend, ich regte ihn auf. Ich sollte gehen bevor ich alles noch schlimmer machte. Ich sollte gehen bevor wir uns gegenseitig noch mehr weh taten, ich brauchte meine Kraft. Ich sollte nicht immer so viel weinen sonst fielen Kevin noch die dunklen, angeschwollenen Ringe unter meinen Augen auf. Ich sollte gehen bevor Kevin mich hier mit Thomas entdeckte - ich hatte keine Kraft für seine Vermutungen. Am liebsten würde ich mich in Luft auflösen um aus dieser peinlichen Situation zu entfliehen.
„...und hast dich gewundert, warum ich nicht antworte?! Aber, dann ist dir eingefallen du hast mich ja im See ertränkt, oder?!"
Ich spürte seinen Zorn, ich provozierte ihn in seinen Augen. Er würde nie verstehen, wie ich mich wirklich gefühlt hatte.
„Es hat mich fertig gemacht. Ich habe das so unendlich bereut... gib uns noch 1 Chance... der Kuss, das hat sich so angefühlt wie früher."
Ich wollte uns zurück - ich sehnte mich nach den guten Tagen, die wir hatten. Er sah mich aufmerksam an, vielleicht wollte sein Herz ja doch, dass er mir glauben schenkte. Ich setzte meinen verführerischten Blick auf, ich lächelte ihn an. Am liebsten hätte ich ihn auch noch berührt, wie um meinen Worten Nachdruck zu verleihen, aber das war mir dann doch zu riskant.
„Und was ist mit Kevin?"
Schwierige Frage, so verzwickt, dass ich mir nicht mal selbst getraut hatte sie mir zu stellen. Ich war so vertieft in unser Gespräch, dass ich nicht mal sah, dass Kevin grade die Treppe vom Nebeneingang hinunter in den hotelgarten ging. Ich hatte nur Augen für Thomas - vielleicht war das ja auch die Antwort auf seine Frage. Vielleicht wollte ich ja Kevin gar nicht sehen. Aber vielleicht war ich auch einfach nur „blind", blind für jede Gefahr. Ich bekam nicht mit, wie Kevin am Fuße der Treppe stehen blieb, weil er uns entdeckt hatte. Er zupfte sein Sakko zurecht, ein Vorwand um länger hier stehen zu bleiben. Doch all das zählte hier jetzt nicht für mich.
„Kevin ist nicht du."
Für mich war das jetzt die einzig richtige Antwort und ich konnte froh sein, dass Kevin immer noch weit genug weg stand um nicht hören zu können, was wir so redeten. Thomas hatte Kevin bemerkt - im Nachhinein fiel mir seine kleine Kopfbedeckung mit der er nach links sah, einen Tick zu lang auf. Ich war so dumm, ich habe mich nicht umgedreht um nachzusehen, was da los ist.
„Wenn das so ist, dann küss mich."
Ich blinzelte benommen, mit so was hätte ich jetzt nicht gerechnet. Ich wollte es so sehr, aber irgendwo siegte dann doch die Vernunft, hier war nicht der richtige Ort. Meine Reaktion war sicher nicht das, was er sich wünschte.
„Was?! Jetzt?! Hier?!"
Das ging mir zu schnell - ich war noch nicht bereit so viel zu riskieren ohne zu wissen, ob er es überhaupt ernst meinte. Hektisch blickte ich mich im Pavillon um, suchte nach irgendetwas, was mir halt gab, nach etwas, das mir half richtig zu handeln.
„Hier und jetzt, vor Publikum."
Mittlerweile spürte ich auch, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte. Es war der Zynismus in seiner Stimme und die Stille um uns herum. Es war das Rauschen in meinen Ohren und die Hitze, die meinen ganzen Körper ergriff. Es war der Moment kurz bevor ein Albtraum endet. Es war der Moment, der ein Point-of-no-Return war. Der Moment in dem etwas zerbrach - in deinem Leben oder tief in dir drinnen. Thomas drehte seinen Kopf wieder nach links, diesmal noch länger und mit einem Lächeln. Ich drehte mich ebenfalls langsam um, angespannt, was mich da wohl erwarten würde. Kevin lächelte Thomas ebenfalls matt zu und hob die Hand um ihm zu winken. Ich erstarrte zur Salzsäule.
„Was ist?! Ich dachte du willst mich... dann müsste er dir doch egal sein."
Die Situation war auswegslos. Kevin wich natürlich nicht von der Stelle, mindestens genauso irritiert über die seltsame Situation wie ich. Er erwartete eine Reaktion von mir - doch ich würde am liebsten im Erdboden versinken. Sein Blick war skeptisch, er vertraute mir nicht. Diese Situation konnte Einfach nicht mehr gut für mich enden, ich war zu langsam gewesen, wie immer in letzter Zeit.
„Wenn du nur Spielchen spielen willst, ist mir das zu kindisch."
Ich hoffe nur, dass Kevin meinen entgeisterten Gesichtsausdruck aus der Ferne nicht so gut hat sehen können. Entnervt packte ich meine Tasche, stand ruckartig auf und rauschte ab, aus dem Bungalow und auf den kleinen weg, der zwischen den hohen Büschen verschwand. Alles in mir brannte - viel zu heiss, viel zu wild, während ich die Blicke der beiden Männer auf meinem Rücken spürte.

Glaubt ihr damit hat Agnes es sich endgültig bei Thomas verspielt?

Über votes und Kommentare würde ich mich wie immer sehr freuen

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