Kapitel 3: Verständnis

307 19 4
                                    

Emma
Den restlichen Tag musste ich immer wieder an die Englischstunde denken und somit somit Frau Clarke. Sie meinte es nur gut, aber ich war mir sicher, dass ich mich niemanden mehr anvertrauten würde, der es jederzeit weitergeben konnte. Ich kannte sie erst seit zwei Tagen, hatte also kein Grund, ihr mein Vertrauen zu schenken. Auf der anderen Seite war mir bereits früh klar, dass ich keine andere Wahl haben würde und es auch nicht hatte.
Da war etwas, was ich nicht in Worte fassen konnte. Zwischen uns.

Abends im Bett musste ich noch lange darüber nachdenken. Über sie. Also schlief ich auch in Gedanken bei ihr ein und freute mich, auf die bevorstehende Sportstunde.
Ich wachte also früh am Morgen auf und machte mich fertig. Ich entschied mich für einen schwarzen Rock und eine weiße Bluse. Als ich in die Küche ging, traf ich auf meine Mutter. "Guten Morgen." sagte diese und nahm einen Schluck, von ihrem Kaffe. "Morgen." erwiderte ich und setzte mich zu ihr. Wir redeten ein wenig über die Schule, bis sie mich schließlich zur Schule fuhr. "Bis später. Pass auf dich auf." Ich gab meiner Mutter einen Kuss auf die Wange und verschwand auf dem Hof. Am Eingang wartete wieder Leyla auf mich. Diesmal waren auch Fabian und Jule dabei. "Morgen." sagten diese und nacheinandeer umarmten wir uns. Gemeinsam gingen Leyla, Jule und ich zu Mathe. Am liebsten wäre ich in die andere Richtung gegangen. Direkt wieder nach Hause, das ging allerdings nicht. Ich atmete also tief durch und ließ die Doppelstunde über mich ergehen. Überraschenderweise ging diese sogar relativ schnell zu Ende, genau wie der restliche Schultag.

"Gleich noch eine Doppelstunde Sport, dann haben wir es geschafft." kam es positiv von Jule, dieser ich sofort zustimmte. Ich war froh, wenn ich nach dieser Stunde endlich Zuhause war, denn ich spürte die Anspannung. Mir ging es nicht gut. Nur konnte ich nicht sagen, woran es lag. Es war einfach ein schlechter Tag, aber ich versuchte durchzuhalten. "Alles okay?" flüsterte Leyla mir zu, als wir gerade auf dem Weg zum Sportunterricht waren. "Nein. Ich weiß nicht woran es liegt, aber ich bin sehr angespannt. Aber lass uns einfach die letzten zwei Stunden durchziehen." Ich war immer sehr ehrlich zu Leyla gewesen. Nur in der Zeit, als es mir richtig schlecht ging, hatte ich mich verschlossen. Schnell hatte ich aber eingesehen, dass es nicht erneut soweit kommen durfte. Seitdem war ich Leyla gegenüber wieder offen gewesen und hatte ihr versprochen, immer ehrlich mit ihr zu sein. "Wenn es nicht geht, musst du dich abmelden." sagte Leyla, doch ich verneinte. Wir betraten die Umkleide und gingen, etwa zehn Minuten später, gemeinsam in die Sporthalle. Frau Clarke war bereits da und unterhielt sich mit ein paar Schülern. Als dann alle anwesend waren, begann sie den Unterricht.
"Guten Nachmittag. Ich denke, dass mich bereits alle kennen also würde ich direkt mit dem neuen Thema anfangen. Dieses ist Hallen-Hockey." Wir spielten uns mit einem Partner ein. Es fiel mir schwer, mich darauf zu konzentrieren, da die Anspannung anstieg. "Emma, möchtest du dich setzten?" fragte Leyla vorsichtig, aber ich verneinte. Wir spielten also weiter. Aufeinmal kam zu der Anspannung auch Schwindel, welcher mir schwarz vor Augen werden ließ. Bevor ich reagieren konnte, verlor ich den Halt und fiel zu Boden.

Ganze fünf Minuten bekam ich nichts mit. Irgendwann wurde dann aber wieder alles klar und ich blickte meiner Lehrerin in die Augen, welche sich neben mich gekniet hatte. "Geht's wieder einigermaßen?" fragte diese besorgt. Ich nickte vorsichtig. "Kannst du aufstehen?" Wieder nickte ich. Sie half mir also beim aufstehen. "Ich begleite dich jetzt ins Arztzimmer" begann diese. Ich wollte gerade etwas dagegen sagen, jedoch unterbrach sie mich. "Keine Widerrede". Sie wandte sich an meine Mitschüler*innen, die inzwischen um uns herum standen. "Für euch ist der Unterricht jetzt beendet. Bis Freitag."

Natürlich waren alle froh, dass sie nun früher nach Hause konnten. Leyla wollte ursprünglich bei mir bleiben, aber Frau Clarke bat sie, zu gehen. So begleitete mich diese zum Arztzimmer und wies mich darauf hin, dass ich auf der Liege Platz nehmen sollte. "Was war los?" fragte diese, nachdem einige Minuten vergangen waren. "Keine Ahnung." log ich, wobei es nichtmal eine Lüge war. Zwar wusste ich, was los war, aber ich kannte keinen Grund. Jedenfalls war er mir nicht bewusst gewesen. "Ich denke durchaus, dass du weißt, was das gerade war. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass es nicht das erste mal zu sowas kam. Möglicherweise hast du Gründe, um nicht mit mir zu sprechen, aber ich meine es ernst. Ich werde dir zuhören und es für mich behalten." Ich rang mit mir. Es hatte Vor- und auch Nachteile. Ich wollte mich ihr nicht anvertrauen, aber ich scheiterte. Etwas in mir schrie danach. Ich musste mit ihr sprechen, aber mir war nicht bewusst, wieso. "Ich war angespannt. Keine Ahnung wieso. Aber irgendwas spielte sich in meinem Unterbewusstsein ab und hat dafür gesorgt, dass es dazu gekommen ist." erklärte ich ihr. Sie nickte und schaute mich besorgt an. "Was ist in der Vergangenheit passiert?" fragte sie vorsichtig. Oh. Mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet. Irgendwie schon, aber ich wusste, dass sie die Antwort bereits kannte. "Ich habe versucht mir das Leben zu nehmen." gestand ich und wusste nicht, wieso ich es getan hatte. Ich wollte nicht mit ihr reden. Aber ich musste und das machte mich wütend. Ich war wütend auf mich selbst. "Wahrscheinlich haben dir das bereits viele vor mir gesagt, aber ich verstehe dich. Mehr als du denkst. Und ich kann dir mit Gewissheit sagen, dass es besser werden wird. Ich möchte dich jetzt nicht fragen, wieso du es getan hast, denn das würde dich nur unnötig aufwühlen. Ich sehe, dass du stark bist, aber ich wünsche mir in Zukunft, dass du dich an mich wendest, wenn du eine Pause brauchst. Du tust damit deine Gesundheit gefährden, also hör auf die Warnzeichen, die dir dein Körper gibt. Auch in Englisch darfst du jederzeit aufstehen, um an die frische Luft zu gehen und das werde ich ebenfalls in deinen anderen Fächern regeln." Das war viel gewesen und es tat gut. Sie hatte mir geholfen und ich verstand sehr gut, was sie meinte. Aber ihr erster Satz blieb besonders in meinem Gedächtnis. Mir hatten wirklich viele gesagt, dass sie mich verstehen würden, das taten sie aber nicht. Sie dachten es bloß. Bei Ihr spürte ich aber, dass sie es tatsächlich verstand. Mir wurde sofort bewusst, dass ich ihr Unrecht getan hatte. Ich konnte und sollte ihr vertrauen. Auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, was sie durchgemacht hatte, war mir klar gewesen, dass sie eine harte Vergangenheit oder sogar Gegenwart gehabt hatte.

Can it be wrong? | Jane Clarke & Emma Krämer {1}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt