Kapitel 14: Ein Traumhafter Moment

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Emma
Die restliche Woche verlief einigermaßen ruhig. Am Donnerstag hatte ich, nach der Schule, meine erste Therapiestunde. Es ging tatsächlich relativ schnell. Ich ging also gleich nach der Schule hin und wartete, bis ich aufgerufen wurde. Pünktlich um 16:30 Uhr wurde ich aufgerufen und saß wenige Minuten später im Raum. Ich stellte mich der Therapeutin vor. Sie war in etwa Mitte vierzig und direkt sympathisch, was sehr wichtig war. Ich wollte meine Zeit nicht verschwenden, um zu schauen, ob sich noch eine Sympathie aufbaut. Bei mir passte es entweder sofort oder garnicht. Und ihr vertraute ich auch sofort. Ich hatte ihr sogar erzählt, dass ich in meine Lehrerin verliebt war, was sie sogar gut aufnahm. "Ich finde es gut und auch richtig, dass du es nun jemanden anvertraut hast. Man weiß sicherlich nie, was die Zukunft für einen bereit hält, aber höchstwahrscheinlich werden deine Gefühle nicht von ihr erwidert. Umso wichtiger ist es, darüber mit jemanden reden zu können. Also nur für den Fall, dass du doch nicht über sie hinweg bist." Diese Worte brachte mich zum zweifeln. War ich wirklich über Frau Clarke hinweg oder wünschte ich es mir bloß? "Ich bin mir nicht mehr so sicher, ob ich wirklich über sie hinweg bin." gestand ich also. Sie nickte. "Das kann ich dir auch nicht sagen, aber das wirst fu noch merken. Aber daran ist in der Regel auch nichts falsch, denn schließlich sucht man es sich nicht aus. Genieß es lieber, anstatt es unterdrücken zu wollen." Ich verstand was sie meinte, aber es tat nunmal wirklich weh. Und dann wurde es mir schlagartig bewusst. Es tat noch immer weh. Also waren die vergangenen Wochen quasi unnötig gewesen, denn sie hatten mir nichts gebracht. Im Gegenteil: ich hatten unser gutes Verhältnis gestört und sie von mir abgestoßen. Doch ich wusste nicht, was ich auch machen sollte.

Auch am nächsten Tag wusste ich nicht weiter. Ich saß im Unterricht bei ihr und dachte nach. Sollte ich weiterhin auf Abstand gehen oder wieder mit ihr sprechen. Beides hatte Vor- und Nachteile. "Emma?" holte mich plötzlich jemand in das hier und jetzt. Ich schaute auf. Meine Augen trafen die, von Frau Clarke. "Die Stunde ist vorbei." sagte sie neutral. Was war denn los mit ihr? Ich musterte sie und erst da fiel mir auf, dass sie echt... mies aussah. Also sie war wunderschön, so wie immer, aber sie wirkte erschöpft und unglücklich. "Alles okay?" rutschte es mir aus, woraufhin sich ihre Augen weiteteten. "Bitte?" fragte sie überrascht. Sollte ich fragen? "Ob alles okay bei Ihnen ist. Ich möchte Ihnen keinesfalls zu nahe treten, aber sie sehen.. mitgenommen aus." Sie überlegte, das sah ich ihr an. Überlegte sie, ob sie mit mir sprechen sollte? "Alles gut. Du trittst mir nicht zu nahe und hast sogar recht. Ich habe mich von meinem Freund getrennt." erklärte sie. "Aber ich möchte dir nicht sagen, wieso, da es dich nichts angeht." fuhr sie fort. Eigentlich war es kein sehr netter Satz, aber wie sie es gesagt hatte, war mehr als nur nett. "Ja, klar." Sie nickte und ging ans Pult. Ich verabschiedete mich und verließ den Raum. Als ich nachmittags Zuhause war, dachte ich wieder an Frau Clarke. Auf der einen Seite tat mir ihre Trennung leid, aber auf der anderen Seite war ich froh. Natürlich änderte es nichts daran, dass sie unerreichbar war, aber dennoch. Wer wusste schon, was nach meinem Abschluss passieren würde?

Am Samstag traf ich mich Abends mit Leyla, um wieder in unsere Stammbar zu gehen. Diesmal tranken wir jedoch deutlich weniger. Wir plauderten und machten uns einen schönen Abend, bis wir gegen 22 Uhr die Bar verließen und durch die Stadt gingen. Keiner sagte etwas. Es war, als würden wir keine Worte finden, aber es war angenehm. "Ich stehe auf Frauen." brach Leyla aufeinmal die Stille. Ich blieb stehen, was sie mir gleichtat. "Wie?" fragte ich, da ich mir nicht sicher war, ob sie das ernst meinte. Aber das tat sie. "Ich habe mich in eine weibliche Person verliebt." Ich konnte es nicht glauben. Wir beide waren 18 Jahre alt und merkten erst jetzt, dass wir Homosexuell waren? Fabian hatte es schon mit 14 gewusst. "Und in wen?" fragte ich nun. Ich konnte mir nicht denken, wer es war. Im Nachhinein hätte ich es am liebsten auch nie gewusst. "In dich." Sie hatte sich in mich verliebt? Ausgerechnet in ihre beste Freundin, welche hoffnungslos in ihre Lehrerin verliebt war. "Oh Leyla.. ich.. es tut mir leid, aber ich kann deine Gefühle nicht erwidern." Es tat mir wirklich leid. Niemals wollte ich meine beste Freundin verletzten. "Alles gut. Ich wollte einfach, dass du es weißt. Und um ehrlich zu sein, weiß ich oder glaube ich zu wissen, in wen du dich verliebt hast." Dies war der Moment, indem ich am liebsten davon gerannt wäre. Ich sagte nichts, schaute lediglich nach vorn, wo mir eine Person auffiel. Ich strengte meine Augen an und wollte nicht glauben, wer dort stand. Sie war zwar an einer Hauswand gelehnt und schaute scheinbar ins Leere, trotzdem erkannte ich sie. Es war Frau Clarke. Ich ging also, ohne darüber nachzudenken, zu ihr und blieb neben ihr stehen. Sie schaute auf meine Füße, anschließend wanderte ihr Blick nach oben, bis sich unsere Augen trafen. Sie hatte geweint, das sah man ihr an und es brach mir das Herz. Niemals wollte ich sie so gebrochen sehen, niemals. Ich sagte nichts und nahm sie stattdessen schweigend in den Arm. Daraufhin legte sie ihren Kopf auf meiner Schulter ab und erwiderte meine Umarmung. Nach einer gefühlten Ewigkeit, trennten wir uns wieder voneinander. "Danke." flüsterte sie, woraufhin sich ein Lächeln auf ihre Lippen schlich. Ich winkte nur ab. "Wollen Sie ein Stück gehen?" Sie nickte. Kurz drehte ich mich dorthin, wo ich bis gerade eben noch mit Leyla stand, doch sie war weg. Hatte ich wirklich meine beste Freundin stehen gelassen? Für meinen heimlichen Schwarm? Ja.

Wir gingen irgendwo entlang, bis wir uns irgendwann auf eine Mauer setzten. Sie nahm meine Hand in ihre und legte den Kopf auf meine Schulter. Ich tat es ihr gleich und lehnte meinen an ihren Kopf. Wieder herrschte diese angenehme Stille, die ich bereits gewohnt war. Es war ein besonderer Moment und ich fragte mich, ob sie es genauso sah. Zwischen uns gab es etwas, was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Worte fassen konnte. "Ich bin froh, dass du bei mir bist." gestand sie mir und brachte meinen Herzschlag noch eine Frequenz höher. Diese Frau war in diesem Moment alles, was für mich zählte. "Ich bin auch froh, dass Sie bei mir sind." Es war zwar dunkel gewesen, aber ist spürte, wie sich erneut ein Lächeln, in ihrem Gesicht, bildete.

Can it be wrong? | Jane Clarke & Emma Krämer {1}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt