Kapitel 9: Erleichterung

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Emma
Heute fahre ich zu Onkel Bernd und Tante Susanne, weil meine Eltern Abends ausgehen wollen. Alleine wollen sie mich nicht lassen, aber da bin ich vermutlich um einiges sicherer. Mein Onkel kommt mich also gegen 13 Uhr abholen. Auf der Fahrt spricht keiner ein Wort, bis er irgendwann auf einem Parkplatz anhält und zu mir rüber kommt. "Zieh dich aus!" Wieder ist meine Angst so groß, dass ich mache, was er verlangt. Ich entkleide mich also und spüre kurze Zeit später, wie er in mich eindringt. Über meine Wange laufen heiße Tränen, die sich nicht aufhalten lassen.

Es sind nur noch wenige Wochen, bis zu den Sommerferien. Meine Versetzung ist bereits sicher, weshalb meine Eltern am Wochenende ein paar Leute eingeladen haben. Natürlich auch meinen Onkel. Ich hoffe, dass er mich diesmal in Ruhe lassen würde, aber was mache ich mir eigentlich für Hoffnungen? Als am Abend alle da sind, grillen wir gemeinsam. Ich unterbreche das Essen, um auf Toilette zu gehen, aber an meinen Onkel hatte ich nicht mehr gedacht. Ursprünglich wollte ich mich nicht in Situationen begeben, in denen wir alleine sind. Er kommt mir hinterher und schließt uns im Badezimmer ein. Wieder vergewaltigt er mich. Diesesmal regt sich nichts in mir. Mittlerweile bin ich den Schmerz gewöhnt, also was bringt es, wenn ich versuche mich zu wehren? Abends im Bett fasse ich den Entschluss. Ich werde mich umbringen.

Wieder liefen die Tränen über meine Wange. Meine Augen brannten und ich war froh, dass Frau Clarke hier war. Ich lag wieder in ihrem Arm und schluchzte vor mich hin. Als er mich das letzte Mal Vergewaltigt hatte, fand mein erster Suizidversuch statt. Nur zwei Tage danach. "Alles gut Emma. Ich bin bei dir." beruhigte mich Frau Clarke, welche selbst nicht ganz gefestigt klang. Ich befreite mich aus ihren Armen und schaute ihr in die Augen, welche ganz glasig waren. "Er hat mich das letzte mal vor zwei Tagen vergewaltigt." sagte ich wahrheitsgemäß. Sie nickte. "Ich bin froh, dass du es mir gesagt hast. Nicht nur, weil er damit mächtigen Ärger am Hals hat, sondern weil man jetzt mit dir arbeiten kann. Du musst das verarbeiten, um dich bald besser zufühlen. Aber selbst wenn du in Therapie bist, kannst du immer zu mir kommen, selbst wenn es ein bedeutungsloses Gespräch ist." Ich war ihr so dankbar. Drei Jahre lange hatte ich es für mich behalten und Abstand von jeder männlichen Person gehalten. Selbst von meinem Vater, welcher mein ein&alles gewesen ist. Ich ertrug einfach keinen Körperkontakt zu Männern, weil sie mich jedesmal an meinen Onkel erinnerten. Nun hoffte ich, dass alles gut werden würde und man mir helfen konnte. Zu lange hatte ich es für mich behalten und mich damit kaputt gemacht. "Ist es okay, wenn ich jetzt mit Dr. Simons spreche? Ich denke, dass du jetzt etwas Ruhe brauchst." Ich nickte. "Ach, Frau Clarke?" rief ich, als sie gerade die Tür öffnen wollte. "Ja?" fragte sie und schaute wieder zu mir. "Können Sie mich die Tage besuchen kommen?" Sie nickte und lächelte mich nett an. Und dann war sie auch schon verschwunden. Es war nun endlich raus und es erleichterte mich. Zwar konnte damit nichts rückgängig gemacht werden, aber Mama wüsste nun, wozu ihr Bruder im stande war. Auch meine Tante musste erfahren, was für einen Menschen sie geheiratet hatte. Was wenn er noch andere Mädchen vergewaltigen hat? Oder sogar Tante Susanne? Allein der Gedanken daran, sorgte für eine starke Übelkeit. Keinem Menschen wünschte ich sowas. Es waren zwar nur fünf Vergewaltigungen, aber dennoch hatte es mich zerstört. Ich hatte mir mein erstes Mal anders vorgestellt. Freiwillig und schön. Nicht gezwungenermaßen und schmerzhaft. Wie sollte ich denn jemals mit einem anderen Jungen schlafen? Konnte ich das überhaupt nach all dem?

Irgendwann bin ich anscheinend wieder durchs ganze grübeln eingeschlafen, denn gegen 16 Uhr öffnete ich meine Augen. An der Tür hatte es geklopft, woraufhin Dr. Simons und Emilia kamen. "Hallo Frau Krämer, Ihre Lehrerin hat uns alle Einzelheiten erzählt, diese werden wir nun weitergeben. Selbstverständlich auch an deine Eltern und deinen Hausarzt. Dieser wird dann dafür sorgen, dass die Therapiesuche schneller verläuft." erklärte Dr. Simons und verließ das Zimmer. "Ich bin sehr stolz auf dich. Deine Lehrerin scheint etwas besonderes für dich zu sein." kam anschließend Emilia zu Wort. "Oh ja. Sie ist wundervoll." dachte ich. Anscheinend hatte ich diese Worte aber laut gesagt, denn Emilia schaute mich leicht amüsant an, ignorierte sie sonst aber. Was sollte sie auch dazu sagen? Ja, ich hatte mich in meine Lehrerin verknallt. Aber darüber wollte ich nicht reden, schließlich war es sowieso aussichtslos. Sie war sehr wahrscheinlich in einer festen Beziehung und Hetero. Noch dazu war sie meine Lehrerin und damit war eine Beziehung vollkommen ausgeschlossen. "Wie geht es dir jetzt?" fragte Emilia und holte mich somit aus meinen Gedanken. Gute Frage? Wie ging es mir jetzt? "Besser, schätze ich." antwortete ich wahrheitsgemäß. "Das freut mich. Ich hoffe sehr, dass es ab jetzt bergauf geht." Ich dankte ihr.

Am Abend kamen meine Eltern noch zu Besuch und hatten ein Gespräch mit dem Arzt gehabt. Anschließend kamen sie zu mir, um mit mir über alles zu sprechen. "Dr. Simons, beziehungsweise Frau Clarke hat uns alles erzählt. Obwohl es mich enttäuscht, dass du nicht mit uns darüber gesprochen hast, kann ich dich verstehen. Bernd ist mein Bruder und du hattest sicherlich Angst, dass du es damit nur schlimmer machen würdest. Als Frau Clarke auf die Geschehnisse zu sprechen gekommen ist, wäre ich am liebsten zu ihm gefahren, aber Dr. Simons würde das heute noch an die Polizei weitergeben. Tante Susanne weiß auch schon Bescheid, wird jedoch erstmal nichts davon sagen, bis die Polizei ihn festgenommen hat. Ich verspreche dir, dass dir soetwas nicht mehr widerfahren wird!" sagte meine Mutter. Frau Clarke war also noch da gewesen. Ich hätte es schön gefunden, wenn sie noch bei mir gewesen wäre. Immer wenn sie bei mir war, hatte ich keinerlei Sorgen. Sie war da und alles war gut gewesen. "Frau Clarke meinte, dass du schon ein paar Gespräch mit ihr hattest." Ich nickte. "Ja. Sie hatte es mir angeboten, aber ich bin nicht direkt darauf eingegangen. Ihr kennt mich und wisst ja selbst, dass ich seit drei Jahren dicht gemacht habe. Aber bei ihr ist es irgendwie... anders." erklärte ich. Meine Mutter bedachte mich mit einem undefinierbaren Blick und musste lächeln. "Es ist schön, dass du dich mit ihr verstehst und sie magst." Sie hatte das "magst" ganz komisch betont, aber darauf ging ich nicht ein. Ich nickte lediglich. Meine Mutter wusste, dass es mehr war als "mögen", aber ihr war ebenfalls klar, dass ich darüber nicht sprechen würde.

Can it be wrong? | Jane Clarke & Emma Krämer {1}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt