Kapitel 4: Vergangenheit oder Gegenwart?

306 20 0
                                    

Emma
Am Abend lag ich in meinem Bett und versuchte ans schlafen zu kommen, was mir aber nicht gelingen wollte. Meine Gedanken kreisten permanent um Frau Clarke, was mich wunderte. Wieso war sie so präsent?
Ich muss irgendwann eingeschlafen sein, denn am nächsten Morgen wurde ich von meinem Wecker geweckt. Ich war noch müde gewesen und hatte Schwierigkeiten, beim aufstehen. Es gelang mir dann aber schließlich, obwohl ich am liebsten Zuhause gewesen wäre. Was war nur los mit mir?

Als ich nach unten ging, waren meine Eltern beide da gewesen. "Guten Morgen. Es ist schon ziemlich spät. Ich fahre dich gleich, okay?" fragte mich meine Mutter und schaute dabei auf die Uhr. Ich schüttelte den Kopf und widersprach: "Nein. Ich werde heute laufen." sagte ich bestimmt. Meine Eltern bestanden darauf mich zu fahren, aber ich wollte alleine sein und ging somit etwa fünf Minuten später aus dem Haus. Die Zeit alleine tat mir gut, obwohl meine Gedanken weit in der Ferne lagen. Ich wollte wissen, weshalb es mir so ging, aber nichts half. Was lag da in meinem Unterbewusstsein?
"Guten Morgen. Wieso bist du zu Fuß gekommen?" fragte mich Leyla und umarmte mich. "Ich wollte alleine sein." Sie nickte verständnisvoll. "Geht es dir heute besser?" fragte sie dann schließlich. Ich verneinte dies und bat sie, nicht darüber zu sprechen. Ohne es zu wollen, verschließ ich mich wieder, dabei wollte ich es nicht so weit kommen lassen. Mir war bewusst, worauf das hinauslaufen konnte. Dennoch konnte und wollte ich mit niemanden reden. Jedenfalls fiel mir zu diesem Zeitpunkt niemand ein, mit dem ich hätte reden können. Der Tag verging schnell und ich erinnerte mich an keinen der Fächer, die wir gehabt hatten. Es war so gewesen, als wäre ich nur physisch anwesend gewesen. Währenddessen hingen meine Gedanken aber ganz woanders. Weit weg. Auch der Abend erfolgte ähnlich. Ich war kaum Zuhause gewesen, als ich mich in mein Bett gelegt hatte. Gerade war ich fast eingeschlafen, als es an der Tür klopfte. Ich setzte mich also auf und wartete darauf, dass sich die Tür öffnen würde. "Darf ich?" fragte meine Mutter vorsichtig. Ich nickte. "Ich weiß, dass wir auf dich vertrauen können, aber ich habe das Gefühl, dass es dir nicht gut geht." sagte diese vorsichtig. Es war klar gewesen, dass sie es merken würde, aber ich konnte gerade nicht mit ihr sprechen. "Nein. Es ist alles gut. Ich bin nur ein wenig überfordert wegen der Schule. Aber das wird schon wieder." antwortete ich also. Sie hauchte mir daraufhin einen Kuss auf die Stirn und wünschte mir eine gute Nacht. Es dauerte nicht lange, da war ich wieder eingeschlafen und schlief die Nacht durch.
Allerdings ging es mir dadurch am nächsten Tag nicht gerade besser. Das einzige was mir einen Hauch Hoffnung gab war, dass wir heute Sport haben würden. Wieso konnte ich nicht sagen, aber ich war dankbar über das positive Gefühl.

Ich stand also die ersten vier Stunden durch, um anschließend in die Pause zu gehen. "Leyla, wir sehen uns gleich ins Sport. Okay? Ich muss kurz mit Frau Clarke sprechen." sagte ich zu meiner besten Freundin und wartete erst garnicht auf ihre Antwort. Auch wenn ich mit niemanden sprechen wollte, ich musste mit Frau Clarke sprechen. Als ich ihrem Büro näher kam, fing mein Herz heftig an zu schlagen. Vermutlich wegen der Nervosität. Ich versuchte diese also auf Seiten zu schieben und klopfte schließlich an der Tür. "Herein?" kam von innen und ich drückte die Klinke nach unten. Ich betrat den Raum, woraufhin ich die Tür schloss. "Oh, Emma. Setz dich." Ich setzte mich also auf den Stuhl, vor ihrem Schreibtisch und kneten nervös meine Hände. "Ich wollte mit Ihnen reden.." fing ich etwas unsicher an. "..mir geht es noch immer nicht besser." Sie nickte. "Das tut mir sehr leid. Weißt du denn inzwischen, weshalb es dir im Moment nicht gut geht?" Ich schüttelte den Kopf. "Nein. Deswegen sitze ich nun auch hier. Irgendwie haben meine Beine sich selbstständig gemacht und mich zu Ihnen geschleppt." erklärte ich ihr. Wieder nickte sie. "Dann bin ich sehr froh, dass deine Beine ihren eigenen Willen haben und diesen durchsetzen. Ich kann gut verstehen, dass es dich fertig macht. Vielleicht magst du mir erzählen, woran du in letzter Zeit denkst?" Das war eine schwere Frage. Woran dachte ich? Ich dachte überhaupt nicht, doch wenn ich es tat, dann musste ich an sie denken. Das konnte und wollte ich ihr aber nicht sagen, denn das würde seltsam rüberkommen. "An nichts. Ich komme mir so vor, als würde ich in einer Gedankenlosen Welt leben." log ich. Was hätte ich auch sonst sahen sollen? Streng genommen war es gar keine Lüge gewesen, denn so fühlte ich mich wirklich so, wenn ich nicht an sie dachte. "Ich möchte dich jetzt nicht fragen, wieso du dir das Leben nehmen wolltest, aber vielleicht magst du mir sagen, ob der Grund in der Vergangenheit oder der Gegenwart lag?" Meine Gedanken kreisten nun um den Tag, als ich dachte, ich hätte es geschafft. Als ich fest davon überzeugt war, ich würde niemals mehr leiden müssen. Mit den Erinnerungen stieg auch meine Anspannung an. Mir wurde schwindelig. "Emma?" Ich erschrack mich. "Du hast daran gedacht, oder?" fragte sie vorsichtig, woraufhin ich nickte. "Tut mir leid. Das war keinesfalls meine Absicht gewesen. Ich wollte die lediglich helfen." Ich schaute kurz auf den Boden. "Vergangenheit und Gegenwart" beantwortete ich ihre vorherige Frage. Es tat gut, mit ihr zu sprechen und ich wäre liebend gern immer zu ihr gegangen, um mit ihr über meine Probleme zu sprechen. "Vielleicht ist es das, was sich in deinem Unterbewusstsein abspielt. Ich weiß nicht, inwieweit du deswegen therapiert wurdest, aber vielleicht hat es dir nicht geholfen." Sie hatte Recht. Als ich gerade dazu bereit gewesen war, um darüber zu sprechen, wurde ich entlassen. Die Ärzte hatten gedacht, dass es mir besser ging. Es war auch so gewesen, aber ich war keinesfalls stabil genug gewesen. Ich hatte es niemanden erzählt, aber kaum nachdem ich entlassen wurde, hatte ich mich wieder selbstverletzt. Das einzige, was seitdem nicht mehr vorkam, waren die Selbstmordgedanken, die mich lange plagten. "Sie haben Recht. Danke." gab ich zu. "Na, siehst du. Dann wissen wohl deine Beine, was zu tun ist. Komm zu mir, wenn du reden magst, auch über den Grund des.. Versuchs." Niemals hatte ich gedacht, dass mir eine, quasi Fremde Frau, helfen konnte. Also schon, ich hatte es gewusst. Deswegen war ich auch zu ihr gekommen. "Danke."

Can it be wrong? | Jane Clarke & Emma Krämer {1}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt