- Kapitel 8 - Eine schreckliche Pflicht

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„Duuu... Was fällt dir ein so über meinen Sohn zu reden!? Sei von den Ahnen verlassen, so etwas zu sagen!", polterte der Vater von Thona nun erbost drauf los. Esa wäre am liebsten im Erdboden verschwunden. Sie wollte nicht hier sein, und wenn dieser Kerl seinen Arm nicht um sie gelegt hätte, wäre sie gegangen. „Haha, das trifft mich hart, mein Alter. Ich nehm derweil deine kleine Zeugin mit und befreie sie von deinen traurigen Fragen.", sagte der Mann nicht im geringsten beunruhigt. Natürlich hatte Esa ihn längst erkannt. Es war Philos, der Sohn den Dorfoberhauptes und wahrscheinlich bald selbst der wichtigste Mann des Dorfes. Er war nicht nur doppelt so alt wie Esa, sondern auch berüchtigt dafür schnell wütend zu werden. Seine zwei Anhänger, mit denen er stets das bekam was er wollte waren immer in seiner Nähe. Und so auch jetzt, denn als der Vater von Thona Widerworte geben wollte schnipste Philos mit seinen Fingern und Walter verstummte. „Geh deinen Sohn am Fluss suchen. Das wolltest du doch. Und geh meiner Frau nicht auf die Nerven. Sie hat gesagt, was sie dir sagen kann.", knurrte Philos mit einem Deut auf den Dorfrand und seine zwei Begleiter ergriffen den Alten unter den Armen und brachten ihn fort. Dann war Esa mit Philos allein.

Ein unangenehmes Schweigen breitete sich aus, während Esa immer deutlicher seine Hand auf ihrer Kleidung fühlte. Es gefiel ihn nicht, sie konnte kaum ein Schaudern unterdrücken. Wollte seine Hand einfach abschütteln, aber sie wusste, dass durfte sie nicht.
„Wollen wir reingehen? Die Gesichter der Leute wie sie mit ihren dümmlichen Augen schauen nerven mich heute." Es war nicht wirklich eine Frage, auf die er eine Antwort erwartete, er zog sie einfach mit sich. „Ja, aber ich hab doch versprochen Stella zu helfen!", wandte Esa widerwillig ein. Philos interessierte das nicht. „Sie kann warten.", meinte er kurz angebunden und wischte jeden Ausweg für Esa bei Seite. Wieder hatte sie dieses schlechte Gefühl in der Magengegend als Philos sie ins Haus schob und die Tür hinter sich verriegelte.

Es war sein Haus. In der Mitte des Dorfes, gleich neben dem Gemeinschaftshaus. Er hatte es sich erbauen lassen als sie gerade mal fünf Jahre alt war, in der Hoffnung, bald heiraten zu können. Nun waren über zehn Jahre ins Land gezogen und noch immer war er der einzige Bewohner dieses großen, mit allem Luxus der ihnen zur Verfügung stand erbauten Haus. Esa kam sich schrecklich fehl am Platz vor und sie wagte nicht einen Schritt allein zu gehen. Sie war noch nie hier drin gewesen. Wusste nicht wo Möbel, Teppiche und Treppen waren.

„Er hat es nicht getan, oder?", fragte Philos da hinter ihr, nachdem Ruhe in dem Raum eingekehrt war. Esa umschlag den Körperkörper mit ihren Armen. „Wer hat was getan?", fragte sie unbehaglich, während sie Philos langsame Schritte hörte, als würde er sie umkreisen wie ein Raubtier. „Thona. Ich weiß, was er tun wollte, aber hat er es getan? Nicht, dass ich es schlecht finden würde, hätte er nicht. Außerdem ich bin mir nichtmal sicher ob er weiß, was er tun soll. Immerhin waren die guten Frauen schon alle fort als er geboren wurde. Er ist also nur ein kleiner, dummer Junge der wegen des Alkohols wahrscheinlich keinen hoch bekommen hat. Den hätte ich an deiner Stelle auch links liegen gelassen." Esas Nackhaare stellten sich auf und ihr wurde schlecht. Thona war betrunken gewesen? Vielleicht war er wirklich ertrunken oder lag irgendwo bewusstlos? In ihr nahm das Gefühl des Unbehagen überhand. Sie musste hier raus. Raus aus der Enge dieses unbekannten Raumes. „Nun, es trifft sich gut. Als zukünftiges Oberhaupt des Dorfes steht natürlich mir und mir allein deine erste Nacht zu. In den letzten Tagen war ich leider zu verhindert, um mein Recht schon zuvor einzulösen, aber offenbar eilt es, wenn ich die gierigen Blicke der anderen Männer sehe, wie sie dich mit ihren Augen verschlingen. Natürlich ist es auch deine Pflicht, dass du mir dein erstes Kind gebären wirst. Aber darum musst du dir keine Sorgen machen, ich werde dich so lange bei mir behalten, bis du deine Pflicht erfüllt hast.", redete Philos weiter, als würde er sich über die Arbeit auf dem Feld unterhalten. Es klang so selbstverständlich und absolut unmittelbar, dass Esa sich auf die Unterlippe beißen musste nicht zu schluchzen. Wie kalte Säure liefen seine Worte zu ihre Adern und hinterließen ein kribbeln in ihren Fingern. Einmal mehr hatte sie Angst. Hieß das alles, dass er sie hier einsperren wollte?

„Ich will aber nicht.", hauchte sie kaum hörbar. Doch Philos hatte sie verstanden. „Du willst nicht? Dann musst du eben lernen es zu wollen. Komm zu mir, ich zeig dir deine Pflicht.", erwiderte er als wäre es das offensichtlichste der Welt. Esa schüttelte heftig den Kopf. Die Erinnerungen zwischen gestern und heute verschwammen. Es war zu ähnlich, sie wusste was gleich passieren würde. Das hier konnte doch nicht ihr Leben sein. Von einem Mann zum anderen gereicht zu werden bis sie ein Kind bekam. Das hatte sie sich nicht so vorgestellt. Und es konnte doch auch gar nicht im Sinne der ältesten sein! „Ich will das nicht.", wiederholte sie etwas lauter und war erschrocken, dass Philos sie im nächsten Moment am Arm packte. Sein Gesicht war grimmig, obwohl er sich versprochen hatte, ruhig zu bleiben. Er zog sie mit sich, achtete nicht auf ihre kleinen Fäuste die sich gegen ihn wehrten, auf seinen Griff einschlugen. Sie schrie auf, als er sie auf das Sofa stieß. „Bitte Philos, mach das nicht!", heulte sie auf und wollte sich aufrappeln. Da drückte er sie wieder herunter und sagte in nicht mehr ganz so kontrolliertem Ton, wie er es eigentlich vorgehabt hatte: „Mir ist egal ob du das willst oder nicht, meine Hübsche! Du wirst deine Pflicht erfüllen, und ich werde dafür sorgen. Wehr dich so viel du willst, schrei, weine, hasse mich. Aber ich bekomme immer das was ich will. Und jetzt gerade, will ich dich! Verdammt seien die Ahnen, ich hätte dich auch schon vor fünf Jahren genommen, wenn deine Mutter nicht immer wie ein Wachhund neben dir gesessen hätte. Denn du bist die einzige Frau des Dorfes und deshalb gehörst du mir! Du hast schon immer mir gehört, seit dem Tag deiner Geburt, nachdem sich herausgestellt hat das du das letzte Mädchen bist, das die Ahnen uns geschenkt haben. Mein Sohn wird in dir wachsen und das Dorf in eine neue Zeit führen." Esa schluchzte leise. Das war es also, was sie zutun hatte. Und das war es, was die Worte der Alten hießen. Also sollte sie das akzeptieren, oder? Aber warum fühlte sie sich so schrecklich bei dem Gedanken, warum drehte sich ihr der Magen um und warum klopfte ihr Herz wie verrückt vor Angst? War es denn nicht der richtige Weg, war das denn nicht die Rettung des Dorfes? Esa war verwirrt von ihren Gefühlen und Gedanken, während sie weinte und schluchzte und während Philos ihre Röcke hochschob. „Bitte nicht", wimmerte Esa noch leise, zwischen ihren Tränen, als er sich rittlings auf sie setzte, noch immer eine Hand auf ihrem Rücken der sie unten hielt. Doch er sagte nichts mehr, sondern begann seine Worte in die Tat umzusetzen.

Dynastie der Drachen - Die Augen der BeuteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt