Igni zuckte zusammen. Sein Blick war starr auf das Gerät geheftet, während seine Hand zu der Stelle über seinem Ohr wanderte und über die verdickte Stelle strich. Dann senkte er den Blick als würde er überlegen. „Und denk gar nicht erst daran es mir zu entreißen wie das Diktiergerät. Wenn du es zerstörst, löst es sich von selbst aus.", setzte sie vorsichtshalber nach. Auch, wenn das letzte eine glatte Lüge war, es hatte keinen Selbstauslöser, aber das wusste Igni nicht. Es kehrte Stille ein, ein unheimliches Schweigen. Nell entspannte sich etwas und atmete tief durch. Also gut, schien, als hätte sie die Situation wieder unter Kontrolle. „Ich werde den Knopf ab jetzt immer griffbereit haben. Du hältst deinen Abstand zu mir von zwei Metern jetzt akkurat ein, du tust das, was ich dir sage und du wirst nicht sprechen. Ein falscher Schritt, und ich drückte den Knopf runter. Haben wir uns verstanden?", fragte sie rhetorisch und schulterte ihren Rucksack wieder. Igni sagte tatsächlich nichts mehr, aber seine Kiefermuskeln zuckten angespannt. Nell beschloss es zu ignorieren. Sollte er wütend sein, sie würde fühlte sich nun wieder um einiges besser.
„Wir gehen wieder rauf. Unser Zeitplan hat sich jetzt natürlich etwas verzogen. Wir werden dann sehen was von dem Dorf übrig ist, dass du hast verbrennen lassen.", warf Nell ihm noch immer bissig entgegen und machte sich auf dem Weg Berg auf. Einmal mehr. Ihre Beine würden heute Abend brennen.
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Einen schweigsamen Aufstieg später entschied Nell einzuhalten. Sie waren heute länger gegangen als sonst, weil sie lange verbissen den Wunsch verfolgte, das Gipfelplateau heute noch zu erreichen. Aber irgendwann, die Sonne war schon untergegangen und sie konnte nur noch schwer die Umrisse der Gesteinsbrocken um sich herum erkennen, da versagten ihre Kräfte. Es war reine Sturheit, die sie auf die Idee gebracht hatten noch bei mäßigem Licht zu wandern und sie wollte nicht auf ihre innere Vernunft hören. Doch als ihre Beine zu zittern begannen und sich keinen Zentimeter mehr heben wollte, resignierte sie schließlich und ließ das Lager aufschlagen.
Nun lag sie in ihrem Schlafsack hinter einem großen Fels und fror auf dem harten Boden. Sie war der Ohnmacht nahe, so müde fühlte sie sich, aber gleichzeitig wälzte sie sich von einer Seite zur anderen und fand keinen Schlaf. Einen trocknen Proteinriegel hatte sie sich noch runtergewürgt, dann hatte sie sich eingerollt. Nell hatte das Gefühl ihn noch immer kalt in der Magengrube zu fühlen.
Als sie den Kopf drehte konnte sie Igni am Stein lehnen sehen. Er schien zu schlafen, hatte die Augen geschlossen und atmete unhörbar und langsam. Er hatte während des Aufstiegs kein Wort gesagt. Nur die Falte zwischen seinen Augen verriet auch jetzt, dass ihn ihre Worte irgendwie beeinflusst haben mussten. Er war sicher wütend, dachte Nell mit einem Anflug von Angst. Vielleicht tat er ja nur so als würde er schlafen. Und wenn Nell schließlich schlief, würde er aufstehen und sie erwürgen... Sie schauderte und schluckte hart, während sie sein Gesicht musterte, ob er irgendeine Regung zeigte. Ihre Fantasie ging mit ihr durch! Was war nur mit ihr los, dass sie sich so verrück machte? In all den Jahren hatte es sie bei den Untersuchungen nicht gestört mit den Gezähmten allein zu arbeiten, und nun machte sie sich auf einmal fast in die Hose, wenn einer davon auch nur eine Augenbraue hob? Du lieber Himmel, Nell, schlug sie durch innerlich vor den Kopf. Wenn es eines gab, was man nicht in der Nähe von Drachen sein sollte, dann war es ein nervöses Nervenbündel, das irgendwelche irren Urinstinkte aufweckte. Hat den Frauen schon in Balrim's Tagebüchern schon nicht geholfen wie ein Haufen Gänse schreiend und flatternd das Weite zu suchen.
Nell schüttelte schmunzelnd den Kopf. Nein, sie war keine Gans. Sie war Wissenschaftlicher und sie hatte alles unter Kontrolle. Noch einmal sah sie zu Igni hoch, um sein schlafendes Gesicht zu betrachten, da erschrak sie fast zu Tod, als er ihren steinern Blick erwiderte. Er hatte also tatsächlich nicht geschlafen. Unwillkürlich schlug Nells etwas schneller und sie wandte den Blick langsam wieder ab. Da waren unzählige Sterne über ihr am Nachthimmel, aber sie sah es nicht. Ihre Sinne waren zum zerreißen gespannt, sie lauschte auf das kleinste Geräusch, auf jeden Schatten in ihren Augenwinkeln und auf jede Veränderung des Windes. Mit der Hand versuchte sie langsam zu ihrem Rucksack zu tasten, um nach dem Knock zu greifen, aber sie bemerkte das er zu weit weg war, außerhalb ihrer Greifweite.
Also schluckte sie abermals und schloss die Augen. Nicht, dass sie auch nur an Schlaf denken konnte. Dann erklang etwas, das sich am ehesten anhörte wie ein dumpfes Reißen. Nell war außer Stande das Geräusch zuzuordnen, als etwas neben ihrem Gesicht im Gras landete. Sie zuckte automatisch davor zurück, stieß sogar einen erstickten Schrei aus und riss sich aufsetzend die Augen auf.
Neben ihr im Gras lag etwas dunkel, nass glänzendes. Es war winzig, kaum größer als ein Fingernagel mit dünnen Spinnenartigen Beinen die sich unregelmäßig davon abstreckten. Dann blinkte es auf. Und Nell ahnte, was ihr Verstand nicht begreifen wollte. Der Chip... Igni's Chip. Sie blickte schockstarr auf. Igni lehnte noch immer am Fels, die Hände locker auf seinen Beinen abgelegt. Über seinem Ohr war es dunkel und glänzend. Die Flüssigkeit lief ihm an der Seite herab, über seine Wange, seinen Hals bis in sein Shirt, wo sich bereits ein dunkler Fleck gebildet hatte. Und er blickte sie an. Fest, mit vorgerecktem Kinn, vorwurfsvoll und irgendwie auch... herausfordernd. Nell öffnete den Mund, doch sie brachte kein Wort hervor. Hatte er sich den Chip also allen Ernstes mit bloßen Händen herausgerissen? Es muss ihm doch unglaublich wehtun! Er musste doch Schmerzen haben! Zumal das unglaublich dumm war, der Chip war mit einem feinen Netz aus Drähten verbunden, die er nun achtlos abgerissen hatte. Und Nell war kein Techniker, sie hatte keine Ahnung wie diese Dinger funktionierten oder was passieren würde, wenn er sich den Chip entfernte.
Wie vom Blitz getroffen sprang Nell nach diesem Schreckmoment auf und zog ein Handtuch aus dem Rucksack. Eilig hockte sie sich vor Igni und presste es ihm auf die Wunde. „Was hast du getan? Wie kommst du denn nur auf die Idee sowas dummes zu machen?! Nachher verblutest du mir jetzt und ich kann nichts tun... Ich... oh Gott...", redete sie haspelnd drauf los, von echter Sorge überschwemmt und mit zugeschnürter Brust. Das Blut wurde tatsächlich immer mehr, tränkte das Handtuch und quoll unter diesem hervor. Igni griff ruhig nach ihren Armen, um sie ein Stück von sich wegzurücken und betrachtete sie mit ruhigem Ausdruck. „Nein, nicht! Wir müssen die Blutung stoppen und dich so schnell wie möglich in die Stadt zurück bringen!", sagte Nell panischer werdend und versuchte seine Hände abzuschütteln. Der Geruch nach Blut, der den Ort schwängerte drehte ihr den Magen um. Was war nun zu tun? Kühlen? Nähen? Verbinden? Nells Gehirn rotierte panisch. „Schon gut... Tut nicht weh.", murmelte er leise, als hätte er nur einen kleinen Kratzer. Sie schüttelte ungläubig den Kopf und wollte sich nach ihrem Rucksack umdrehen, um nach dem Erste Hilfe Set zu suchen. Igni hielt sie einfach weiter fest und schien keine Mühe damit zu haben ihre Befreiungsversuche zu vereiteln. „Lass mich doch los!", fuhr sie ihn dann zischend an. „Ich muss zu meinem Rucksack... Da ist... Damit ich dir helfen kann! Lass mich doch!" Er ließ nicht los und Nell wandte wütend den Kopf, sah wie noch immer Blut aus seiner Wunde strömte und mittlerweile den ganzen Schulterbereich seines Shirts tränkte. „Nein", hörte sie ihn schlicht sagen und stieß ein ungläubiges Zischen aus. „Keine Angst..." Natürlich hatte Nell Angst. Sie war sogar ziemlich nahe vorm Kollabieren. Sie fühlte sich vollkommen überfordert mit der Situation, sah sich schon über einem toten Igni gebeugt, hier, mitten im Nirgendwo, ohne Hilfe, ohne einen Plan. Sie kannte die Technik hinter dem Chip nicht, sie hatte nicht geahnt, dass sich dieser Drache das Ding einfach herausreißen würde und Nell hatte keine Ahnung was nun geschehen würde. Würde er sterben? Verbluten? Oder wurde sein Hirn einmal auf links gedreht? Das wovor Nell sich am meisten fürchtete trat gerade ein, sie verlor die Kontrolle. Sie hörte ihr eigenes Blut in ihren Ohren rauschen. Sie atmete zu schnell, bemerkte sie irgendwo in ihrer Panik. Wenn sie sich nicht beruhigte würde sie noch in Ohnmacht fallen. Dazu noch dieser schreckliche Geruch nach Blut der überall zu haften schien. Als sie steif das Handtuch fallen ließ sah sie wie das Blut bereits an ihrer Hand klebte. Das war der Moment, in dem ihr speiübel wurde und sie in sich zusammen sackte. Sie fiel in das Gras und schluckte hastig.
Nell versuchte sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Suchte fahrig mit dem Blick etwas, was sie beruhigen würde. Da legte sich mit einem Mal ein schweres Gewicht auf ihre Brust, das ihr kurz den Atem nahm. Als sie herunter schielte, sah sie Ignis Kopf auf ihrer Brust liegen. „Keine Angst...", murmelte er leise auf ihren rasenden Herzschlag lauschend während sein Daumen beruhigend über ihren Arm strich. „Ich bin ein Drache, Nell. Du kannst mir nicht helfen."
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Dynastie der Drachen - Die Augen der Beute
FantastikEsa lebt in einem Dorf weit abseits aller Städte, wo die Gefahr durch Drachen zu einer allgegenwärtigen Gefahr geworden ist. Ungeahnt dessen, dass der Kongress für die Sicherheit der Menschen sich in der Hauptstadt versammelt hat, um Alarm zu schlag...