Der schrille Ton meines Handyweckers riss mich aus meinem Schlaf. Ich stöhnte auf. Mittwoch. Das hieß wohl oder übel Schule und da Yannes und Adina bereits studierten, und Rahel auf eine christliche Privatschule ging, würde ich wieder alleine sein.
Nachdem ich mit dem Bus angekommen war, gesellte ich mich zu ein paar Mädchen aus meinem Deutschkurs. Es war nicht so, dass ich hier niemanden mochte, allerdings gingen unsere Freundschaften - wenn man sie überhaupt so nennen konnte - nicht über die Schule hinaus.
,,Habt ihr die Hausaufgaben gemacht?", fragte eine panische Emilia, die auf uns zugerast kam. In ihrer einen Hand den Helm für ihr Moped, in der anderen ihre kleine graue Tasche, in die unmöglich auch nur ein Buch passte.
Nayla schüttelte grinsend den Kopf, während sie einen weiteren Schluck aus ihrem ToGo-Becher vom Bäcker trank. ,,Hab ich jemals die Hausaufgaben gemacht?", scherzte sie.
Wir anderen kicherten und doch kramte ich meine Deutschsachen heraus und überreichte sie Emilia, die sich sofort entspannte. Mit einem dankbaren Lächeln nahm sie meine Hausaufgaben entgegen, um die wenigen Sätze schnell zu überfliegen.
So lief es eigentlich jeden Morgen ab, aber ich beschwerte mich nicht. Ich war gut in der Schule und hatte kein Problem damit, Emilia etwas zu helfen. Gerade, weil ich wusste, wie stressig ihr Leben war. Neben der Schule jobbte sie in einem Restaurant, gab Nachhilfe und passte nahezu jeden Tag nach der Schule auf ihre kleinen Brüder auf, da ihre Eltern immer bis spät in den Abend arbeiteten. Ich bewunderte sie dafür, dass sie das alles hinkriegte. Das einzige, das ich neben der Schule tat, war zweimal die Woche ins Ballett und dreimal die Woche in die Kirche zu gehen. Damit war meine Zeit dann auch schon aufgebraucht, immerhin musste ich immer die besten Noten haben, sonst würden meine Eltern mich wahrscheinlich auf ein strengkatholisches Internat in der Schweiz schicken. Dass ich überhaupt auf eine öffentliche Schule gehen durfte, hatte ich mir hart und mit viel Überzeugungskunst erarbeiten müssen. Ich vermisste zwar Rahel, aber wollte nicht dauerhaft von den gleichen einengenden Denkmustern umgeben sein. Da reichte mir die Zeit in der Gemeinde und zu Hause.In der einstündigen Mittagspause setzten sich Nayla, Emilia und ich an einen der Tische im Aufenthaltsraum unserer Schule. Wir plauderten etwas über die Schule und das bald bevorstehende Abitur, als mich auf einmal jemand von hinten umarmte.
,,Hey Lou," hauchte eine männliche Stimme in mein Ohr.
Ich begann mich sofort von ihm zu lösen und verdrehte die Augen. Mika. Ein Junge, den ich jetzt wirklich nicht sehen wollte. Er war einer der Kandidaten, mit denen ich mich auf Druck meiner Mutter getroffen hatte. Und auch wenn er wirklich nett war, war er viel zu aufdringlich und fasste mich ständig ungefragt an.
,,Hallo," murmeltete ich so freundlich, wie es mir bei ihm möglich war. Also wahrscheinlich nicht sehr freundlich.
Emilia schenkte Mika schon mehr Aufmerksamkeit. ,,Oh hey, Mika! Wie geht's dir? Setz dich doch zu uns!"
Ich glaubte ja, sie stand insgeheim auf ihn. Vielleicht war das aber auch nur Wunschdenken, damit er mir vom Hals blieb.,,Ja," speiste er ihren Versuch mit ihm zu reden stumpf ab und wandte sich wieder mir zu. ,,Ich hab dich am Sonntag gar nicht gesehen. Wo hast du dich versteckt?"
Ich seufzte leise, dass ich ihm in der Kirche immer bewusst aus dem Weg ging, schien Mika nicht zu merken.
,,Ich war ganz normal beim Gottesdienst. Wir haben uns wohl einfach verpasst," versuchte ich so gleichgültig wie möglich zu sagen. Dabei schaute ich auf mein Essen, hoffentlich ging er gleich wieder zu seinen Freunden. Die saßen eh an einem anderen Tisch und warteten wahrscheinlich auf ihn.,,Hm," dachte Mika laut, ,,sehr schade. Ich hab dich auf jeden Fall vermisst. Vielleicht setzen wir uns nächstes Mal nebeneinander?"
,,Ja, vielleicht."
Selbst Nayla schien zu merken, wie wenig Lust ich auf dieses Gespräch hatte, weshalb sie die Ausrede erfand, wir müssten jetzt über Mädchenprobleme reden, woraufhin Mika endlich verschwand. Natürlich nicht, ohne mir nochmal die Schulter zu tätscheln.
,,Mann, Malou, was hast du denn gegen den armen Jungen? Der ist doch gar nicht so hässlich," grinste Nayla nun frech.
Ich verdrehte, ebenfalls grinsend, die Augen. Wenn sie nur wüsste.,,Also ich finde nicht, dass ihr zusammen passt. Der Vibe stimmt nicht so, wisst ihr?", gab nun auch Emilia ihre Meinung zum Besten. Dies tat ich ebenfalls mit einem einfachen Lächeln ab. Es war mir egal, ob Mika und ich zusammenpassten, ich würde ohnehin niemals mit einem Jungen zusammen sein wollen. Doch das konnte ich natürlich nicht sagen.
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Hör nicht auf zu lieben
RomanceUnd vielleicht wird unsere Liebe irgendwann nicht mehr verboten, irgendwann einfach nur Liebe und keine Sünde sein. ,,Ich wollte unbedingt das Glänzen in ihren wunderschönen, besonderen Augen sehen, wenn sie aus der tiefsten Seele ihres Herzens spra...