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,,Malou, wo steckt denn eigentlich Adina? Ist gar nicht ihre Art, so lange nicht zu kommen," fragte Yannes.
Ich zuckte mit den Schultern, spannte mich unmerklich an.
,,Wer ist Adina?," kräuselte Luca verwirrt die Stirn.
Ich sagte nichts.
Ich hätte sagen können, dass Adina meine Freundin ist. Dass ich sie liebte und begehrte und, dass ich es schrecklich fand, mit ihr zu streiten. Ich hätte erklären können, dass Adina und ich uns gut verstanden, so gut, dass wir normalerweise auf dem Dach der Kirche lagen. Nicht Luca und ich.
Doch ich schwieg.
Weil ich sauer war, weil jedes Wort, das über meine Lippen kommen würde, nur meine tiefe Trauer ausdrücken würde. Hatte ich Adina verloren? Verlor ich sie in genau diesem Moment? Gab es noch Hoffnung für uns, jetzt gerade, wo wir nicht einmal miteinander redeten?

Die Liebe kann alles überstehen.

Ich schmunzelte, als mir Adinas Worte in den Sinn kamen. Die Worte, die sie nach unserem allerersten Kuss zu mir gesagt hatte. Ob sie sie noch ernst meinte? Niedergeschlagen blickte ich zu Boden. Ich ertrank in meiner Einsamkeit. Die Lücke, die Adina hinterlassen hatte, zog mich zu sich hinunter, bis ich schließlich vollends im Erdboden versunken war. Ohne Adina gab es keine Freude, kein Glück, keine Liebe. Wieso hatte ich ihr das nicht einfach gesagt, als wir uns gestritten hatten? Stattdessen war ich wütend gewesen, wegen ihres Vorwurfs, ich würde sie nicht stark genug lieben. Auch jetzt war ich wütend, doch die Sehnsucht überwog. Vor ein paar Wochen noch war ich froh gewesen, dass ich meine verbotene Liebe mit jemandem teilen konnte. Hatte mich gefragt, wie schlimm es wohl wäre, sie sogar vor ihr verbergen zu müssen. Und jetzt war genau das passiert.

Meine Gedanken wurden von Lucas Hand unterbrochen, die sich auf meinen Arm legte. Sie grinste, während sie den anderen etwas lustiges erzählte. Ich konnte nicht anders, als sie anzuschmachten und meine Haut kribbelte unter der plötzlichen Berührung. Ihr kurzes Haar hatte wieder einmal den Weg in ihr Gesicht gefunden, weswegen sie es versuchte, wegzustreichen. Vergeblich, denn die kleinen Härchen fielen immer wieder an den gleichen Ort.
Mein Blick glitt zu Yannes, unsere Augen trafen aufeinander. Er hatte mich beobachtet. Augenblicklich erhitzten sich meine Wangen. Ich sollte vorsichtiger sein, meine Gefühle stärker verbergen. Dass Rahel anscheinend schon etwas ahnte, war eigentlich schon eine Person zu viel. Und dann noch Adinas Freund*innen. Ich seufzte. Wie konnte ich es nur so weit kommen lassen? All die drei Jahre, die wir bereits zusammen waren, hatten wir es perfekt verbergen können. Und jetzt stand alles vor dem Aus. Nur, weil ich so dumm gewesen war, Adina vor all den Menschen in der Bar zu küssen. Weil ich ihr falsche Hoffnungen auf ein Outing gemacht hatte. Warum hatte ich das getan? In diesem Moment war ich mir hundertprozentig sicher: ich bereute es.

,,Malou," wisperte Yannes' dunkle Stimme. Ich sah zu ihm auf, doch er erwiderte meinen Blick nicht. Stattdessen nickte er hinter mich. Noch ehe ich mich umdrehen konnte, vernahm ich meinen Lieblingsklang:

,,Hey"
Adina stand vor uns und musterte Luca kritisch, deren Hand immer noch auf meinem Arm verweilte. ,,Wer bist du?" Ihre Stimme klang auf einmal nicht mehr zart und liebevoll. Sie war hart, anklagend.
,,Hi, ich bin Luca. Freut mich!" Luca nahm ihre Hand von meinem Arm, um sie Adina entgegen zu reichen. Doch meine Freundin ignorierte diese Geste, murmelte schnell ihren Namen und wandte sich anschließend an mich: ,,Können wir reden?"
Ich zuckte lustlos mit den Schultern. Auf der einen Seite wollte ich mich unbedingt wieder mit ihr vertragen, doch auf der andere Seite plagten mich Schuldgefühle. Luca und ich waren uns in den letzten Wochen näher gekommen, nicht körperlich, aber gedanklich. So nah, dass ich Adina manchmal vergessen hatte. Ich hatte ihr nichts davon erzählt. Wie auch, wenn wir nicht miteinander sprachen? Adinas flehender Blick traf den meinen, weswegen ich doch ein zaghafte Nicken zustande brachte. Sie würde mich bestimmt anhören und mir dann verzeihen. Es war immerhin Adina. Die braunhaarige Schönheit schnappte sich mein Handgelenk und zog mich hinter sich her aus dem Raum der Jugend. Wir würden die Predigt verpassen, doch das war mir egal. Als ich bemerkte, wo wir eingingen, wurde mir flau im Magen. Adinas Schritte führten zum Dach, unserem Dach. Auf dem ich vor nicht mehr als drei Wochen mit Luca gelegen hatte.

Es war kalt an der unnachgiebigen Luft, die sich um unsere Körper schlang. Ich bemerkte Adinas leichtes Zittern, hätte zu gerne ihre Hand in meine genommen, um sie zu wärmen. Doch ich riss mich zusammen, scharrte mit den Füßen über den grauen Betonboden. Er wirkte trostlos. Passend.
,,Okay, ich-", Adina seufzte, sah auf die Decken der Häuser um uns herum. Einen Moment war es komplett still. Niemand sprach, man hörte nur unser leichtes Atmen und den sausenden Wind.
,,Wow, es ist echt kalt," lachte ich, versuchte irgendwie die eisige Stimmung zu lockern. Doch Adina sah mir nur enttäuscht in die Augen. Ich wich ihrem Blick aus. Was redete ich nur für einen Schwachsinn?
,,Malou, wir sollten reden. Wirklich." Ihre Worte schlugen mir ins Gesicht. So wie sie es sagte, konnte nichts Positives folgen. Ob sie endgültig mit mir Schluss machen wollte?

~•~

Soooo meine Lieben,
nach zwei Kapiteln endlich eine klitzekleine Auslösung, wie es um Adina und Malou steht. Ich konnte es nicht länger aushalten, euch im Unklaren zu lassen.
Den Cliffhanger wollte ich mir allerdings nicht verkneifen ;)

Hör nicht auf zu liebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt