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Nach Adinas Worten kehrte erneut Stille ein. Wir standen uns gegenüber und obwohl wir uns so nah waren, fühlte ich mich meilenweit entfernt von ihr. Wie sie mich aus ihren klaren blauen Augen ansah, die sonst so beruhigend auf mich wirkten, doch in diesem Moment nichts als Kälte ausdrückten - konnten wir je wieder zueinander finden? Oder würde unsere Beziehung an der Frage, ob wir uns outen würden, scheitern?
Adinas Lippen verließ ein tiefer Atemzug, sie biss die Zähne zusammen, wie immer, wenn ihr etwas auf der Zunge lag. Erwartungsvoll blickte ich sie an, suchte das Funklen, mit dem sie mich sonst anstrahlte. Doch statt eines ermutigenden Blickes bekam ich nur ein weiteres Seufzen von ihr. Ich wippte von einem Bein auf das andere, entblößte meine Aufregung. Adina, was willst du mir nur sagen?
Ich wünschte, ich könnte in ihren Kopf sehen. Dann würde ich die richtigen Worte finden und wir würden uns wieder lieben. Wie lange hatte ich ihre Lippen nicht mehr auf den meinen gespürt, wie lange war es her, seit unsere Fingerspitzen sich das letzte Mal berührt hatten? In einer zufällig wirkenden Berührung, damit niemand merkte, was uns wirklich verband. Ich konnte Adina ja verstehen, konnte verstehen, dass es hart war, sich nicht outen zu können. Doch ich war nicht bereit dazu, alles zu verlieren. Sagte das wirklich etwas über meine Liebe zu ihr aus? Nur weil ich nicht offen zu ihr stehen konnte, liebte ich sie weniger? Ich wollte es nicht glauben, doch je länger wir zusammen in der Kälte standen und uns anschwiegen, desto klarer wurde es mir. Wer nichts für die Liebe riskierte, der konnte sie nicht für sich beanspruchen. Der konnte sie nicht erwarten. Also war das nun mein Schicksal? Entweder ich gab alles auf, was ich hatte mit der Gefahr, familienlos auf der Straße zu landen, oder ich verlor den Menschen, der mir alles bedeutete? In was für einer Welt war das fair?

,,Ich...ich will dich nicht verlieren." Meine Stimme war nicht mehr als ein Hauchen und hätte Adina nicht erschrocken aufgesehen, wäre ich mir nicht sicher gewesen, ob überhaupt ein Wort meine Lippen verlassen hatte.

Adinas Blick wurde wehleidig, sie machte einen Schritt nach hinten, gab mir damit das Gefühl, sie schon längst verloren zu haben. ,,Ich weiß, Malou."
Ich erwartete, dass sie weitersprach, doch sie blickte nur auf den grauen Betonboden.

Da sie weiterhin schwieg, fing ich an zu sprechen, wusste nicht, dass ich damit jegliche Chance auf ein happy ending zunichte machte: ,,Ich kann mich einfach nicht outen. Du kannst das nicht von mir verlangen. Nicht, wenn du meine Familie kennst."
Ich wollte ihr keinen Vorwurf machen und doch hörte es sich wie einer an.
,,Du kannst dich ja outen, wenn es dir so wichtig ist." Noch bevor ich die Worte ausgesprochen hatte, wusste ich dass sie die falschen waren.

Nun sah Adina wieder zu mir auf, durchschnitt die kalte Luft mit ihrer noch kälteren Stimme:
,,Du willst es nicht verstehen oder? Ich kann mich nicht ohne dich outen. Ich brauche dich. Aber du willst keine Verpflichtungen eingehen, du willst nicht, dass es alle wissen. Du willst lieber für immer eingesperrt in der Vorstellung einer gemeinsamen Zukunft leben. Doch weißt du was? Es wird keine gemeinsame Zukunft für uns geben, wenn wir nicht für sie kämpfen. Oder glaubst du wirklich, unsere Eltern werden uns akzeptieren, wenn wir ihnen in zehn Jahren von uns erzählen? Malou, mach doch mal die Augen auf! In zehn Jahren bist du verheiratet mit einem Mann, den du nicht liebst. Den du nicht lieben kannst."

Ihre Worte fühlten sich wie eine Ohrfeige an. Sie waren ehrlicher und härter, als ich erwartet hatte. Es wird keine gemeinsame Zukunft für uns geben. Eine Träne fand ihren Weg über meine Wange. Schnell wischte ich sie weg, wollte nicht, dass Adina sah, wie sehr mich ihre Worte verletzt hatten. War es wirklich so egoistisch von mir, die Blase, in der Adina und ich uns seit drei Jahren befanden, beschützen zu wollen? Ich wollte nicht, dass sie platzte, denn mit ihr würden die heimlichen Treffen, die abendlichen Gespräche auf dem Dach der Kirche, die vorsichtigen und doch sehnsüchtigen Blicke verschwinden. Es würde sich alles ändern. Alles, was wir aufgebaut hatten, würde zunichte gemacht werden. Wollte ich das? Konnte ich dieses Risiko eingehen? Konnte ich es für Adina eingehen?

~•~

Endlich ein neues Kapitel!

Ich würde mich über ein paar Votes freuen⭐

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