Wie ich später erfuhr, war Adina nicht so glimpflich davon gekommen, wie ich. Ihre Eltern waren sehr wütend, weil sie meinten, sie hätte sich in letzter Zeit immer weiter von der Gemeinde entfernt und würde ihre Wurzeln - den Glauben - vergessen. Deshalb müssten sie sich jetzt sogar an mich, eine Außenstehende, wenden. Alles natürlich völlig an den Haaren herbeigezogen. Es stimmte, dass Adina nicht mehr die treudoofe Nachfolgerin ihrer Eltern und der Kirche war. Dies lag allerdings nicht am Verlust ihres Glauben - dieser war nämlich stärker als je zuvor - sondern an ihrem zunehmenden Selbstbewusstsein. Natürlich fiel diese Veränderung auf, negativ. Als Adina hierher gezogen war, kannten ihre Eltern sie nur als braves, unschuldiges Mädchen, das zu allem nur Ja und Amen sagte. Wortwörtlich. Doch durch die Vertiefung unserer Beziehung und das ständige Lügen, traute sie sich, auch mal Dinge zu hinterfragen, suchte nach Antworten, wurde wütend.
Ich atmete noch einmal tief durch als ich die anderen Tänzerinnen ins Studio laufen sah. Schluss mit den ganzen Gedanken, ich musste nun wieder zeigen, was ich drauf hatte.
Tanzen war schon immer meine Leidenschaft gewesen.
Nach dem gemeinsamen Aufwärmen machten wir uns daran eine neue Choreo einzustudieren. Es machte mir Spaß neue Schritte auszuprobieren, auch wenn der ein oder andere noch etwas wackelte. So konnte ich endlich aufhören, an mein Gefühlschaos zu denken. Durchatmen. Das gab mir der Tanz. Ich war wirklich dankbar dafür, dass meine Eltern mich vor zehn Jahren dafür angemeldet und immer darauf geachtet hatten, dass ich auch ja zu jeder Stunde hinging. Das war oft lästig gewesen, aber es lohnte sich - jetzt, wo ich eine der besten, sogar die Co-Trainerin war und im Tanzen meinen Ausgleich gefunden hatte.Niemand könnte mir dieses Gefühl nehmen, das ich spürte, wenn ich eine perfekte Pirouette nach der anderen hinlegte, nur so durch den Raum schwebte, leicht wie eine Feder im Wind. Es war unbeschreiblich. Gerade zu dieser Jahreszeit, wo vereinzelte Sonnenstrahlen ihren Weg ins Studio fanden. Wo ich bei jeder Drehung in einem Meer aus Orange erwachte. Manchmal fror ich etwas im dünnen Stoff meiner Strumpfhose, gerade wenn jemand kurz herausging und die Tür offen ließ. Doch ich mochte es. Frieren bedeutete fühlen und fühlen bedeutete leben. War es nicht so? Ich glaubte daran, immer wenn es sich nicht so anfühlte, als könnte es besser werden. Wenn die schwere Decke meines Lebens über mir zusammenbrach und ich wie ein Häufchen Elend unter ihr begraben wurde. Immer dann half es mir zu frieren. Weil es bedeutete, dass ich Luft bekam. Und wenn es auch nur für einen klitzekleinen, vergänglichen Moment war.
~•~
So liebe Leser*innen,
ein neues Kapitel, diesmal etwas kürzer, aber dafür mit sehr viel Mühe dahinter. Ich versuche auch die nächsten Kapitel poetischer zu schreiben. Es gefällt mir, die Gefühle meiner Charaktere so auszudrücken. Gerade, wenn sie den meinen so sehr ähneln wie Malous.
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Hör nicht auf zu lieben
RomanceUnd vielleicht wird unsere Liebe irgendwann nicht mehr verboten, irgendwann einfach nur Liebe und keine Sünde sein. ,,Ich wollte unbedingt das Glänzen in ihren wunderschönen, besonderen Augen sehen, wenn sie aus der tiefsten Seele ihres Herzens spra...