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Sofort schossen Adina und ich auseinander - das konnten nur ihre Eltern sein. Wie ein Blitz stieß sie sich vom Boden ab, um in windeseile einen Handfeger zur Hand zu nehmen und das Chaos zu beseitigen. Ich wollte ihr eigentlich helfen, verharrte aber doch nur unschlüssig in der selben Position mitten im Raum, unfähig mich zu bewegen. Mein Herz pochte so sehr, dass es mir in der Kehle wehtat.

Das war knapp, viel zu knapp.

,,Na los, steh auf!", holte mich Adinas Fauchen aus meiner Schockstarre. Nun rappelte auch ich mich auf und begann ein paar leere Verpackungen aufzusammeln. In meinem Kopf herrschte Leere, ich konnte die Situation noch gar nicht fassen. Hätten ihre Eltern uns erwischt...ich wollte gar nicht darüber nachdenken, was das für Konsequenzen mit sich gebracht hätte.

Als die scharfe Stimme Frau Smiths erklang, hatten wir bereits die groben Spuren unserer Mehlschlacht beseitigt. Die Küche sah nun wieder etwas normaler aus, auch wenn sie immernoch sehr unordentlich war. ,,Was ist denn hier los?" Adinas Mutter stapfte mit schnellen Schritten auf ihre Tochter zu, riss ihr den eben noch verwendeten Lappen aus der Hand.

,,Malou," sprach mich nun Herr Smiths an, der auf einmal ebenfalls im Türrahmen der großen Küche auftauchte, ,,ich denke, es ist besser, wenn du jetzt gehst. Komm, ich fahr' dich nach Hause!"
Zu nicht mehr als einem Nicken imstande, folgte ich dem hochgewachsenen Mann, der wie durch Zauberhand bereits meinen Rucksack in der Hand hielt.

Es entstand eine unangenehme Stille, wie immer, wenn ich mit Adinas Vater im Auto saß. Er hatte mich schon des Öfteren nach Hause gebracht und ich war jedes Mal aufs Neue froh, wenn wir vor unserer Einfahrt anhielten. Meine Gedanken schweiften zu dem heutigen Tag. Erst die nervige Situation mit Mika in der Schule, dann der schöne Moment zwischen Adina und mir, die Unbeschwertheit, die uns nur so selten vergönnt war, und jetzt das hier. Fast wären wir aufgeflogen. Fast wäre alles, was wir so lange geheimgehalten hatten, herausgekommen. Wir hätten die Lawine, die daraufhin ausgelöst worden wäre, nicht mehr aufhalten können.

,,Malou," riss Herr Smiths mich erneut aus meinen Gedanken. Ich sah nach draußen, hatte gar nicht gemerkt, wie wir bereits vor meinem Haus parkten. Als ich mich wieder zu ihm wendete, begegnete ich seinem prüfendem Blick, unter dem ich rot wurde. Ahnte er etwas? Ich schüttelte unmerklich den Kopf. Nein, da sprach nur die Paranoia aus mir. Wie sollte er etwas mitbekommen haben? Adina und ich versuchten immer so wenig Kontakt, wie möglich, vor unseren Eltern zu haben. Als ich bemerkte, dass ich ihm immernoch nicht geantwortet hatte, krächzte ich ein leises Ja, woraufhin er fortfuhr: ,,Ich habe mit deiner Mutter gesprochen-", sofort schrillten bei mir alle Alarmglocken, ,,und," er stockte kurz, ließ meine Nervosität ins Unermessliche steigen, ,,du bist wirklich ein gutes Mädchen. Du hast gute Noten, bist fleißig in der Jugend aktiv, gibst dich mit den richtigen Leuten ab. Viele in der Gemeinde schauen zu dir auf, weißt du? Deine Mutter und ich würden es wirklich begrüßen, wenn es nicht zu viel verlangt ist, wenn du etwas mehr mit Adina machen würdest. Ich weiß, du bist öfter mal bei uns, aber in der Gemeinde scheint ihr kein Wort miteinander zu wechseln. Vielleicht liegt es ja daran, dass Adina so schüchtern ist. Wir haben ihr schon so oft gesagt, dass sie sich damit selbst Türen verschließt. Doch, wie du weißt, öffnet Jesus jedem die Tür, der darum bittet. Was ich sagen möchte, ist, würdest du etwas auf sie Acht geben? Vielleicht integrierst du sie etwas mehr in den Rest der Jugend? Das würde meiner Frau und mir wirklich eine Last abnehmen."

Nach Herr Smiths unerwartetem Redeschwall konnte ich nicht anders, als ihn einfach nur stumm anzustarren. Noch nie hatte ich so viele Worte aus seinem Mund kommen gehört. Er wollte mich also gar nicht belehren, weil ich so eine Unordnung bei ihnen gemacht hatte, oder war Adina und mir auf die Schliche gekommen? Er fand es sogar merkwürdig, dass wir uns in der Gemeinde aus dem Weg gingen und wollte, dass wir damit aufhörten? Ich konnte meinen Ohren gar nicht trauen, mein Glück kaum fassen. Adina und ich hatten wohl doch eine Chance, wenn ihre Eltern mich in so einem guten Licht sahen und sogar befürworteten, wenn wir mehr zusammen machen würden.

,,Okay, tut mir leid, ich habe dich vielleicht etwas überrumpelt. Du kannst ruhig erstmal darüber nachdenken," riss mich Herr Smiths schon zum dritten Mal heute aus meinen Gedanken und reichte mir erneut meinen Rucksack, ,,Ich wünsche dir noch einen schönen Abend. Sag deinen Eltern einen lieben Gruß, ja?" Damit öffnete ich die Tür, stieg aus dem Auto und entkam seiner merkwürdigen Bitte.

Noch im Bett liegend, konnte ich nicht aufhören, darüber nachzudenken. Was für ein Tag...

Hör nicht auf zu liebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt