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Nach dem Besuch bei Yannes und Rahel machte ich mich auf den Weg nach Hause, wo bereits meine Mutter auf mich wartete. Sie saß mit verschränkten Armen am Küchentisch.

Noch bevor ich meine Jacke ausziehen konnte, fragte sie bereits in einem vorwurfsvollen Ton: ,,Wo warst du, Malou?"

Ich verdrehte die Augen. ,,Bei Yannes, hab ich doch gesagt."

Jetzt war es meine Mutter, die die Augen verdrehte.
Sie seufzte: ,,Warum machst du so viel mit diesem Jungen? Der ist kein guter Umgang für dich, mein Kind."

,,Mama," stöhnte ich genervt aus, ,,Yannes ist mein bester Freund, seit wir beide Windeln tragen. Ich werde jetzt sicher nicht meine Freunschaft zu ihm beenden, nur weil du entschieden hast, dass er kein würdiger Umgang ist!"

Mit diesen Worten ließ ich sie stehen und stürmte auf mein Zimmer. Das Türzuschlagen konnte ich mir gerade so noch verkneifen.
Ich ließ mich auf mein Bett fallen und vergrub mein Gesicht in den Händen. Mama war so anstrengend. Warum musste sie nur immer so hohe Ansprüche an alles und jeden stellen? Warum war niemand gut genug für sie? Selbst wenn ich einen Mann mit nach Hause bringen würde, würde sie ihn nur akzeptieren, wenn er perfekt wäre. Wirklich perfekt. Manchmal hatte ich das Gefühl, sie wollte, dass ich Jesus persönlich datete, bei ihren utopischen Erwartungen.

Seufzend schnappte ich mir mein Handy und schrieb Adina. Innerhalb weniger Sekunden antwortete sie auch schon und wir erzählten und von unserem Tag. Sie war heute für eine Kollegin eingesprungen, weswegen sie jetzt mit Rückenschmerzen und komplett ausgepowert auf der Couch lag. Ich schrieb, dass ich sie vermisste, was sie erwiderte. So ging es ein paar Minuten weiter bis wir ausmachten uns morgen zu sehen.

Mein Herz machte einen Freudensprung, wenn ich nur daran dachte. Adina war mein Glück, sie ließ mich Dinge fühlen, die ich nie für möglich gehalten hatte. Es war schön, zu wissen, dass diese Gefühle auf Gegenseitigkeit beruhten. Nicht auszudenken, wie es wäre, sie sogar vor Adina geheim halten zu müssen.

Nach einer halben Stunde fiel ich in einen tiefen Schlaf, träumte davon, wie unsere Liebe begonnen hatte.

Es war ein normaler Sommertag und ich fuhr mit dem Fahrrad zur Gemeinde. Heute würden wir als Jugend alle gemeinsam an den See gehen. Ich freute mich schon darauf, vor allem auf Yannes und Rahel. Die beiden waren meine engsten Freund*innen in der Kirche und ich würde für sie alles tun.

Als ich endlich vor der Gemeinde ankam, fiel mir direkt ein schwitzender Yannes um den Hals. ,,Malou!", rief er lachend und spritzte mich mit seiner Wasserflasche nass.

Ich quikte erschrocken auf und begann ebenfalls zu lachen. ,,Nein, hör auf, du Idiot," schrie ich, während ich versuchte, ihn wegzuschubsen. Er war immer so überdreht, mit ihm würde es nie langweilig werden. Das war einer der Gründe, warum wir befreundet waren.

Nachdem wir gemeinsam zum See in der Nähe der Gemeinde gelaufen waren, ließen Yannes, Rahel und ich uns nebeneinander auf unseren Handtüchern nieder. Die riesige Wiese strahlte im Sonnenschein, ich fuhr mit meinen Fingern durch das warme Gras. Heute war ein toller Tag.

Als wir da so saßen und anfingen Karten zu spielen, bemerkte ich plötzlich eine Bewegung in meinem Augenwinkel. Ich drehte meinen Kopf und wurde sogleich in den Bann zweier wunderschöner grauer Augen gezogen. Sie gehörten zu Adina Smiths, die vor Kurzem mit ihrer Familie hier her gezogen war. Es wunderte mich, dass sie heute auch kam, sie wirkte auf mich eher verschlossener und auch zur Jugend war sie nur einmal gegangen, seit sie hier wohnte. Aber vielleicht wollte sie ja auch genau das ändern und neue Leute kennenlernen.

,,Hey," lächelte sie schüchtern und blieb etwas unschlüssig vor uns stehen. Mir fiel auf, wie sie mit dem Saum ihrer Tasche spielte. Sie war bestimmt nervös. Ich wäre es auch, würde ich die anderen nicht schon seit meiner Kindheit kennen.

,,Hey, setz dich doch!", bot ich ihr an. Dabei zeigte ich auf die freie Stelle neben meinem Handtuch. Sofort schenkte sie mir ein warmes Lächeln, bevor sie sich neben mir niederließ.

Die anderen begannen sich wieder zu unterhalten, während ich immer wieder zu Adina 'rüberlinste. Sie war eine wahre Schönheit mit ihren langen schwarzen Locken, die ihr weit über den Rücken fielen, und der glänzenden braunen Haut. Am besten gefielen mir ihre Augen. Sie waren wirklich einzigartig.
Bevor ich sie noch zu auffällig anstarrte, schlug ich vor ins Wasser zu gehen. Yannes und Rahel sonnten sich lieber noch etwas, weswegen Adina und ich uns zu zweit auf den Weg zum kleinen See machten. Das Wasser funkelte im Licht der Sonne und sah wirklich wunderschön aus. Es erinnerte mich etwas an Adinas Augen, doch den Gedanken verbot ich mir. Ich kannte das Mädchen gerade mal seit ein paar Wochen, hatte vielleicht zwei Wörter mit ihr gewechselt.

,,Wie lange gehst du schon in die Gemeinde?", fragte sie plötzlich. Ich zuckte zusammen und sah zu ihr auf. Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich die ganze Zeit das Wasser um mich herum gemustert hatte.

Ich antwortete ihr, dass meine Urgroßeltern zu den allerersten Mitgliedern gehört hatten und erzählte ein paar Geschichten aus meiner Kindheit in der Kirche.
Es war schön mit jemandem zu reden, der das alles nicht live miterlebt hatte und so nur meine Sicht kannte.
Ich erfuhr auch etwas mehr über Adina. Sie war ein paar Städte weiter ebenfalls in einer freikirchlichen Gemeinde aufgewachsen, ihre Eltern waren sehr streng und hatten sehr hohe Ansprüche an sie und ihren Bruder, der allerdings schon ausgezogen war. Ich lächelte die ganze Zeit, während sie sprach. Es freute mich, dass sie sich vor mir öffnen konnte.

Als ich sah, wie Adina gedanklich abschweifte, spritzte ich sie mit einer Ladung Wasser ab. Dies ließ sie nicht auf sich sitzen, was in einer Wasserschlacht zwischen uns beiden endete. Irgendwann waren wir so außer Atmen vom Lachen, dass wir uns aneinander festklammerten und beide nach einer Pause verlangten. Auf einmal fiel mir auf wie nah wir uns waren. Meine Hand lag auf ihrer Schulter und unsere Nasen berührten sich fast. Ein wohliges Kribbeln ging durch die Stelle, an der ich ihren Körper berührte.

,,Das war lustig," keuchte sie. Mein Blick fiel sofort auf ihre vollen Lippen. Sie hatten einen leichten blauen Schimmer angenommen. Ich kam ihr noch ein klitzekleines Stück näher, legte meinen anderen Arm wie automatisch um ihre Hüfte. Nun passte nicht mal mehr ein Blatt zwischen uns. Als ich ihr wieder in die Augen sah, entdeckte ich ein herausforderndes Funkeln in ihnen. Es ließ mich alles um uns herum vergessen. Wollte sie etwa, dass ich sie küsste?

~•~

So diesmal ein längeres Kapitel, indem ihr etwas mehr über die Anfänge Adina und Malous erfahrt.
Kritik? Wünsche? :)

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