Ich weiß nicht warum ich nun hier stand, aber ich hatte das Gefühl genau hierhin zu kommen. Meine Füße hatten mich automatisch hergebracht. Und nun stand hier- vor der Bibliothek.
Felix hatte den Schlüssel in dem Schloss stecken lassen, als hätte er gewusst, dass ich hierher kommen würde. Das Tagebuch hatte ich in meiner Innentasche verstaut, um es in der Bibliothek zu lesen.
Ein letztes Mal atmete ich kräftig ein und aus, bevor ich den Schlüssel umdrehte und in den Raum ging. Es war lange her, dass ich hier war und ich hatte beinahe vergessen, wie riesig die Bibliothek doch war.
Unzählige Bücherregale reichten bis zur Decke hinauf und es gab einen leeren Platz in den Regalen. Das sanfte Licht der Sonne fiel in den Raum und ließ die aufgewirbelten Staubkörner funkeln.
Doch gleichzeitig kratzte der alte Staub in meiner Lunge und ich musste husten. Das hatte zur Folge, dass Staub in meine Augen trat und diese zum tränen brachte. Wie hatten es Felix und die anderen vorhin hier drinnen nur ausgehalten?
Eilig lief ich zu einen der großen Fenster und öffnete es. Das Holz knarrte und die Scharniere quietschen, als der Wind das Fenster aus meinen Händen riss. Das Glas klirrte, als es gegen die Wand schlug, doch zum Glück blieb es heil. Die kühle Luft wehte mir entgegen und erfrischte mich. Die Sonne wärmte meine Haut und vertrieb das kalten Gefühl aus meinem Geist.
Plötzlich wurde es ganz warm an meiner Herzgegend und verwundert öffnete ich meine Jackentasche. Schon jetzt blendete mich ein weißes Licht, welches aus meiner Innentasche drang.
Doch bald schon schwächte das Licht ab und ich konnte das Buch herausholen. Es lag warm in meinen Händen und auf dem Einband leuchtete eine kleine Sonne auf.
Ohne das Fenster wieder zuschließen, verließ ich den Platz am Fenster und machte es mir auf einen der samtroten Sessel, die in der Bibliothek standen, nieder.
Erst jetzt merkte ich die rauen Seiten, die doch voller Leben waren. Diese waren gelb, wahrscheinlich wegen des Alters, aber das Buch war noch gut erhalten.
Ein kleines Inhaltsverzeichnis zierte die zweite Seite, als ich durch das Buch blätterte. Zwar konnte ich nicht lesen, was dort stand, aber durch die Anordnung der Wörter konnte man daraus schließen, dass dieses das Inhaltsverzeichnis war.
Stirnrunzelnd blickte ich auf die Buchstaben. Jeder der Latein beherrsche, hatte meinen größten Respekt. Bestimmt war es nicht leicht, diese Sprache zu lernen.
Gerade recht viel mir ein, dass Felix mir das Übersetzungsblatt mitgegeben hatte. Ich holte das zerknitterte Blatt aus meiner Brusttasche und faltete es auseinander. Puh, das würde jetzt wohl etwas dauern.
Zuerst übersetzte ich das Inhaltsverzeichnis, da ich nicht gleich das ganze Buch übersetzen wollte. Das würde zu lange dauern.
Als ich das dritte Kapitel übersetze, wurde ich stutzig. Übersetzt hieß die Überschrift: ‚Die Chroniken von schwarz und weiß'.
Ohne zu zögern schlug ich die entsprechende Seite auf. Vielleicht konnte ich so endlich etwas über die verschwundenen Chroniken herausfinden.
Als ich die richtige Seite gefunden hatte, machte ich mich sofort an die Übersetzung:
*Ich konnte nicht glauben was ich heute in Erfahrung gebracht hatte! Mein Lehrmeister hatte mir von einem, erst kürzlich geschehenen, Ereignis berichtet, welches vom großen Wunder für uns Werwölfe war. Die Mondgöttin hatte uns ein Zeichen gegeben!*
Kurz stockte ich beim lesen. Die Mondgöttin sendete unglaublich selten ein Zeichen an uns. Das letzte war gewesen, als Coleen und ich geboren worden waren.
*Seitdem hatten wir so ein altes, komisches Buch in der Geburtsstätte. Mein Meister sagte mir, dass das Buch unglaublich großen Wert hatte, doch bis jetzt wusste ich, dass nur die ersten Seiten des Buches beschrieben waren.*
Wieder musste ich innehalten, denn der Junge (mittlerweile schätzte ich stark darauf, dass der König der Sonne damals noch sehr jung gewesen sein musste, als er diese Zeilen schrieb) sprach von nichts anderem, als von dem Chroniken!
Und auch die Geburtsstätte war mir bekannt. Bis jetzt wurden dort nur vier Werwölfe geboren. Nämlich die erste Königin der Nacht, der erste König der Sonne, Coleen und ich.
Andere Wölfe, die dort versuchten ihr Kind zu gebären, mussten mit harten Strafen rechnen. Viele verloren ihr Kind oder gebaren es erst, sobald sie die Geburtsstätte wieder verließen.
Die Stätte war genau zwischen schwarzen und weißem Gebiet. Zumindest war es einmal so gewesen, denn mittlerweile hatte Coleen diese Gegend für sich besetzt und wir hatten es noch nicht geschafft, dieses Gebiet zurückzubekommen.
Wissbegierig las ich weiter.
*Jahre vergingen, indem das Buch von uns allen geehrt wurde. Niemand wusste, was in diesem Buch stand, doch es war ein Gegenstand der von der Mondgöttin kam und somit heilig.*
Mittlerweile war plötzlich die Schrift mehr geordnet und nicht so liederlich. Ein großer Absatz folgte.
*Die Chroniken hatten wir verloren. Nacht startete den Kampf. Ich konnte flüchten in die Bibliothek. Die Königin der Nacht verfolgt mich. Doch unter der Erde liegt versteckt, der Schlüssel zu ihrem Glück.*
Das Rätsel verstand ich nicht. Das letzte Wort war so krakelig geschrieben, dass ich es kaum hätte lesen können. Und ich war verwirrt.
Die Sätze klingen abgehackt, als hätte er sie in Eile in sein Tagebuch gekritzelt, das Buch dann versteckt und... Ich hob meinen Blick auf den Blutfleck der noch immer auf dem Boden klebte. Das Blut, welches nicht verschwinden wollte.
Man konnte so oft man wollte über den Boden wischen, bis zehn Eimer mit Blut gefüllt waren, doch der Blutfleck blieb.Die Erkenntnis ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Das Blut, es musste von dem König kommen, denn er hatte es vielleicht geschafft sein Tagebuch in Sicherheit zu bekommen, aber nicht sich.
Ich blicke das Buch an, welches schwer in meinen Händen zu liegen schien. Ich werfe einen Blick auf die nächste Seite und zog scharf die Luft ein. Die Seite war über und über mit Blut befleckt. Meine Gänsehaut verstärkte sich zunehmend und ich klappte das Buch zu.
>>Felix?<< Selbst meine Stimme klang heiser, als hätte ich viel zu laut geschrieen, als ich meinen Beta zu mir rief.
>>Ja, Eric? Was ist los? Ist etwas passiert?<< Auch ihm musste meine heisere Stimme aufgefallen sein.
>>Bring Helena mit. Sie soll das Blut in der Bibliothek untersuchen. Ich habe einen starken Verdacht, den ich gerne bestätigt hätte.<<
Helena war eine Forscherin und lebte meist zurückgezogen. Sie machte ihr eigenes Ding und niemand hatte ein Problem damit. Ich hatte sie noch nie wegen etwas fragen müssen, doch dieses Mal brauchte ich ihre Hilfe.
>>Wir kommen<<, kam die knappe Antwort von Felix.
Lange musste ich nicht warten, bis Felix und Helena auftauchten. Die beiden betraten ohne zu zögern die Bibliothek und ehe ich etwas sagen konnte, murmelte Helena. „Ich sehe schon", und machte sich daran, ihre Utensilien auszubreiten.
Verwirrt schaute ich Felix an.
>>So ist sie immer.<<
„Was brauchst du alles?", fragte sie, als hätte sie gewusst, dass Felix gerade mit der Gedankenübertragung fertig gewesen war.
„Am besten alles was du herausfinden kannst. Das wäre an hilfreichsten."
Geschäftlich nickte Helena und fing ihre Arbeit an. Ich schaute Augenbrauen hebend zu Felix und dieser antwortete nur mit einem Schulterzucken.
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Danke fürs lesen, Voten und Kommentieren!
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Die Zwillingswerwölfe- Sonne und Finsternis
WerewolfBand 1 Es gibt eine Legende die besagt, dass vor hunderten von Jahren, zwei Zwillingswerwölfe geboren wurden. Beide konnten sie nicht unterschiedlicher sein. Der eine Zwilling: männlich, schneeweißes Fell und eine reine Seele. Der zweite Zwilling:...