10. Kapitel- Nacht

116 20 38
                                    

Mist! Wieso hatte ich nicht aufgepasst? Ich war doch sonst nicht so tollpatschig! Und nun renne ich gegen dieses uralte Regal und natürlich musste es laut knarren! Was macht so ein altes Regal auch sonst? Miauen?

Zur Mondgöttin, ich muss mit diesen Gedanken aufhören! Ich sollte mich lieber verstecken, sonst findet mich Eric noch und das wäre nicht gut!

Die Katakomben waren auch nicht umsonst versteckt gewesen und ich musste Eric auch noch direkt hierher locken!

Innerlich schlug ich mir gegen die Stirn. Konzentriere dich!

Ruckartig drehte ich mich um und ging die wenigen Schritte zurück in den, eigentlich, geheimen Gang.

Panisch suchte ich im Fackelschein den Stein, der vorher den Mechanismus ausgelöst hatte. Ich musste dringend diesen Gang wieder verstecken, sonst würden auch andere die Katakomben benutzen und direkt unter unser Territorium gelangen! Sie könnten uns stürzen, obwohl ich nicht unbedingt daran glaubte, aber in meiner Panik schloss ich nichts aus.

Meine Nackenhärchen stellten sich auf, als ich spürte, wie eine starke Präsens sich in meine Richtung bewegte.

Mittlerweile zog ich an den Steinen, sodass der Lehm abbröckelte. Der Staub kratzte überall. Auf der Haut, im Rachen und in der Nase. Ich musste mich zusammenreißen nicht zu niesen oder zu husten.

Eric würde dies mit seinem guten Gehör hören. Ja, bis zu uns war durchgedrungen, dass Eric ein unglaublich feines Gehör hätte. Ob es stimmte oder nicht, viele Vorteile bringt es nicht- meiner Meinung.

Nach zwei weiteren Minuten (ich zählte schon die Sekunden) gab ich schließlich verzweifelt auf. Ich fand den Stein für den Mechanismus nicht mehr.

Aber ich hatte so ein merkwürdiges Gefühl und ohne, dass ich es wollte, stellte ich mir eine andere Frage: Konnte man den Mechanismus überhaupt noch ein weiteres Mal benutzen oder war der Gang für immer offen?

Ich raufte mir die Haare, sodass diese wirr und wild von meinem Kopf hingen.

In diesem Moment flackerte die Fackel erneut. Die Fackel!

Statt, dass meine Hände meine Haare noch mehr ins Chaos brachten, nahmen sie die Fackel und ich rannte los, den Gang hinunter.

Ich kam bis zur Abzweigung und warf den Lichtschein auf den Boden. Eric würde das Licht von hier nicht bis zur Bibliothek sehen. Denn weiße Wölfe konnten schließlich schlecht in der Dunkelheit sehen und hier würde Eric, ohne Fackel, rein gar nichts erkennen.

Lange überlegte ich nicht mehr, bis ich zurück rannte. Meine Schritte machten ein Glück kaum Geräusche auf dem Steinboden. Im Gegenteil, ich war nahezu leise und mein Gang federnd.

Zurück in dem kleinen Raum stellte ich mich rechts neben den Gang. Ich wurde von der Dunkelheit umhüllt und kaum einer würde mich hier sehen können.

Meinen Geruch würde Eric nicht riechen können, da ich vorher daran gedacht hatte ihn zu verdecken. Die Tochter meiner Lehrerin, die mir das Kämpfen beibrachte, war die Hüterin der Blutblumen. Und bis jetzt hatte sie mich noch nicht enttäuscht.

Erics Duft stieg mir in die Nase und sein Profil schob sich in mein Blickfeld. Er war so nah, sodass ich die Unruhe in seinen Augen sehen konnte und die kleinen Schweißperlen auf seiner Stirn.

Er kniff leicht seine Augen zusammen, um vielleicht mehr sehen zu können. Doch wir wussten beide, auch wenn ich seine Gedanken nicht lesen konnte, dass er nichts sehen würde. Er würde weder mich sehen, noch wie groß der Raum war oder das ein weiterer Gang von diesem Raum wegführte.

Die Zwillingswerwölfe- Sonne und FinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt