5. Kapitel- Sonne

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Immer weitere, weiße Wölfe schlossen zu unserer kleinen Versammlung auf. Ich musste es hinter mich bringen. Ich musste allen im Rudel berichten, dass Coleen wieder stärker eine Bedrohung darstellte. Dass sie wieder tötet, um unser weißes Rudel zu minimieren. Ihre Gründe, warum sie tötete, waren jedem schleierhaft.

Die Chroniken sollten diese Gründe vielleicht gerechtfertigten, doch schon als der damalige Krieg endete, waren diese Bücher auf ewig verschollen. Die Bücher von schwarz und weiß unauffindbar.

Vielleicht verbrannt, vielleicht vergraben, niemand hatte sie gesehen, seit der ersten Zeremonie, bei der Wahl, der ersten Königin der Nacht, sowie des ersten Königs der Sonne. Und wie immer stellte ich mir die Frage: Warum ausgerechnet wir?

„Eric, es kann los gehen", flüsterte mir Felix zu. Jede anwesende Person hatte die Augen auf mich gerichtet.

Es waren nicht alle aus meinem Rudel erschienen, das wären weit zu viele. Aber aus jeder oder jeder zweiten Familie war ein Mitglied oder Freund erschienen.

Sie alle würden, dann die Botschaft an Freunde oder Familienmitglieder übertragen und weiter reichen. So hatte das schon immer funktioniert, denn anders ging es nicht schneller und um alle Rudelmitglieder zu versammeln, war der Platz vor dem Herrenhaus einfach zu klein. Der Wald für solche Versammlungen ungeeignet. Denn auch Spionage gehörte zu Coleen's Stärken.

„Ich hoffe es ist wichtig", hörte ich es aus den hinteren Reihen murmeln. Mein Gehör war gut ausgeprägt, sodass ich alles innerhalb von einigen Metern gut hören konnte. Auch, wenn es noch so leise ausgesprochen wurde.

Jeder Werwolf hatte ein ausgeprägtes Gehör, ein viel besseres als das eines Menschen's, und doch war meines am feinsten. Felix hatte mich früher immer damit aufgezogen, dass meine Ohren viel zu empfindlich seien, und doch hatte ich gelernt diese Witzeleien, und unnötige Geräusche, auszublenden.

„Ich würde euch wohl kaum in so einer Anzahl versammeln lassen, wenn es nicht wichtig wäre", knurrte ich verärgert in die Menge hinein und einige senkten die Köpfe. Jüngere wimmerten leise und Mary warf diesen beruhigende Blicke zu, damit diese nicht dachten, dass sie etwas falsch gemacht hätten.

„Es gibt drei wichtige und nicht gerade schöne Punkte zu besprechen." Ich musste kräftig schlucken, um den Kloß in meinem Hals hinunter zu schlucken.

„Das erste und wichtigste ist, dass Coleen wieder vermehrt angreift." Der wohl wichtigste Punkt wurde somit gleich angesprochen, denn hier liefen alle andere Dinge zusammen.

„Und woher willst du das wissen?", kam es aus der zweiten Reihe gerufen. Ich spürte das Misstrauen. Sie konnten sich anscheinend nicht ganz vorstellen, dass Coleen, nachdem ein Jahr Ruhe vor ihr war, wieder angreifen würde. Denn jeder dachte, das Grauen wäre vorbei.

Doch viele kannten Coleen nicht. Was sie alles anrichten konnte und sogar ich war der Meinung, dass sie ihr ganzes Können uns noch nicht vollständig gezeigt hatte.

„Dass wäre der zweite Punkt. John und Carry sind nicht angekommen." Erneutes Gemurmel brach aus. Niemand schien den Zusammenhang zu verstehen. Vielleicht sprach ich nicht zu direkt.

„Sie sind tot!", erklang Felix laute Stimme und augenblicklich war alles ruhig. Alle die John und Carry noch kannten, empfanden Trauer. Dass sah man einmal an den Tränen, die einige vergossen und andermal an den Schmerz der in den meisten Augen zu sehen war. Jüngere Werwölfe beteten zur Mondgöttin, zogen den Kopf ein, um ihre Trauer oder Respekt vorzuweisen.

Ich blickte dankend zu Felix, denn ich hätte, auch noch mit so viel Mutzuspruch, den Tod von Carry und John nicht aussprechen können. Dieser schaute mit mitleidigen Blick zurück und murmelte ein „Tut mir leid", um seinen Ausbruch zu entschuldigen. Doch ich war ihm dafür mehr als dankbar, denn eigentlich konnte auch ihn nur weniges aus der Fassung bringen.

Mein Blick fiel wieder auf die Personen vor mir und ich wollte ihnen die letzte Nachricht eigentlich nicht übermitteln, denn einige trauerten schon genug, doch ein richtiger Alpha war durch und durch ehrlich.

„Es gibt da noch etwas", meldete ich mich ein weiteres Mal zu Wort und musste mich räuspern, um den Knoten in meinem Hals zu lösen.

Sofort lagen wieder alle Augenpaare auf mir und der Schmerz der anderen umfing mich. Ich durfte aber nicht in dem Schmerz ertrinken, dass wäre das Ende aller weißen Wölfe. Mir schnürte es die Kehle erneut zu und ich war unfähig zu sprechen.

Felix nickte mir zu, um mir seinen Mut zu spenden. Ich war einfach mental zu schwach, um so ein großes Rudel führen zu können. Denn Schmerz war nie körperlich nur schlimm, sondern auch mental konnte er einen in den Abgrund reißen.

„Gleichzeitig ist es aber auch eine Bitte", setzte ich wieder an. Ich musste versuchen nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. „Ich brauche Freiwillige die uns helfen. Einmal welche, die mit mir in den Nordwald gehen und eine vermisste, weiße Wölfin zurück zu holen und einmal welche, die Felix helfen, unsere Chroniken zu finden."

Damals kannte jeder die Chroniken und hatte diese vergöttert. Denn in ihnen ist der Ursprung aller Werwölfe aufgeschrieben und der Grund warum schwarze und weiße Werwölfe für immer verfeindet waren. Außerdem waren die Chroniken, damals zu der Zeit als der erste Werwolf geboren wurde, von der Mondgöttin als etwas Heiliges in die Hände des Wolfes gelegt wurden. Mit dem Versprechen die Chroniken, die Geschichte, unsere Geschichte, genauso wie die Mondgöttin zu ehren.

„Ich melde mich freiwillig!", drang es sofort aus einigen Reihen, nachdem der letzte Schock überwunden war. Man konnte viele entschlossene Gesichter unter den Kriegern erkennen, die mit mir in den Nordwald wollten. Aber auch andere Personen, wie viele Frauen, waren dabei, Felix auf der Suche nach den Schriften suchen zu helfen.

„Aber wer zog los in den Nordwald und warum?", fragte mich plötzlich ein kleiner Junge, der ungefähr sieben Jahre alt war. Es herrschte wieder Ruhe in der Menge vor mir und alle hatten fragende Blicke aufgesetzt.

„Es ist Juna. Sie wollte uns helfen und zog tapfer und allein in den Wald um uns bei Coleen zu helfen", meldete sich Mary zu Wort. Sie hatte die ganze Zeit neben ihrem Mate gestanden und war nun einen Schritt nach vorne getreten.

„Und wie lange ist sie jetzt schon weg?", kam eine weitere Frage von dem Jungen. Seine braunen Augen blitzten fragend auf.

„Ungefähr einige Stunden. Wir wissen nicht wie weit sie schon vorangekommen ist und ob sie noch lebt." Die Stimme von Mary fing an zu zittern und nur mit Mühe hatte sie die Sätze heraus gebracht. Da war ich mir sicher. Für sie war Juna einer der engsten Freunde und fast wie eine Schwester, die sie nie hatte, da ihre jüngere verstorben war.

„Und warum seid ihr nicht schon längst auf dem Weg, um sie zu retten?", fragte der Junge ohne zu zögern. Die Mutter von dem Kleinen setzte der Fragerei je ein Ende, als sie ihren Sohn mit einem warnenden Knurren zurechtwies. Aber der Kleine hatte Recht. Wir müssten schon längst auf dem Weg sein.

Ich kündigte an, dass sie Versammlung zu Ende sei. Deutlich blieben eine Menge Leute stehen und Felix sammelte seine Helfer zusammen.

>>Wir fangen in der verbotenen Bibliothek im Ostflügel an<<,hörte ich Felix Stimme in meinen Kopf und ich musste eingestehen, dass es so der sinnvollste Weg war. Die Bibliothek war für alle verboten, da dort der letzte König der Sonne starb. Aber warum er gerade dort starb und nicht im Krieg, ist jetzt eine ganz andere Sache.
Nur das Blut welches man dort nicht wegwischen konnte, war mir unheimlich, weshalb die Tür der Bibliothek immer verschlossen war.

Einige Minuten später standen wir bereit aufzubrechen wieder auf dem Platz. Alle waren bereits verwandelt und jeder strotzte vor Energie. Doch diese sollten sie nicht in den ganzen Lauf legen, denn jeder rechnete mit einem Angriff.

Auch ich, denn jede Ankunft fremder Wölfe in einem Rudel wurde schnell bemerkt. Nur bei uns schienen sie immer schnell und unentdeckt vorzudringen.

Mein Heulen schallte über den ganzen Platz und kündete den Aufbruch an. Einige die stehen geblieben waren, um uns Glück zu wünschen, winkten uns, als die vielen, weißen Wölfe aufbrachen. Ich, immer an der Spitze. Unser Ziel, die Grenze zu überschreiten und in den Nordwald vorzudringen, ohne viel Aufmerksamkeit zu erregen. Möge das Glück mit uns sein.

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Kennt jemand einen laufenden Award, wo ich diese Geschichte anmelden kann?

Meinungen etc.?  —————>

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