6. Kapitel- Nacht

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„Habt ihr ihr etwas verabreicht?", fragte ich Stella, als ich einen Blick ins innere des Raumes geworfen hatte.

„Ja, haben wir, aber seitdem ist sie in diesem Zustand." Stella zeigte mit einer fließenden Bewegung in die Richtung dieses Wolfsweib, was nun in Menschengestalt eingesunken auf ihrem Stuhl saß.

Die Haare fielen ihr ins Gesicht, da sie gekrümmt nach vorn, dasaß. Ihre Gesichtszüge konnten wir dementsprechend nicht sehen. War sie überhaupt noch wach oder schlief sie wieder?

Ich hatte Stella ausdrücklich gesagt, dass sie die weiße Kriegerin in dieser Position verhelfen soll, denn hätte sie nach hinten gelehnt dagesessen und den Kopf nach hinten gestreckt, wäre sie erstickt, wenn sie sich übergeben hätte. Niemand wusste wie sie auf die Tabletten reagieren würde.

Aber sie durfte schließlich nicht ersticken, denn ich brauchte sie noch. Denn bis jetzt war sie ins noch kein Stück nützlich gewesen. Als wir sie bewusstlos in eine Zelle gesteckt hatten, war sie bis zu dem Zeitpunkt, als sie sie hierher holten, nicht aufgewacht. Außer nur kurz, als ihr die Medikamente gespritzt wurden.

Stella sagte, dass ihr innerer Wolf sie ins Bewusstsein gerufen hatte, als er die Gefahr erkannte. Seitdem war sie in dieser schlafenden Verfassung. Sie bekam noch alles mit, war aber ansonsten kaum ansprechbar. Das wird sich gleich ändern.

„Vielleicht war es etwas zu viel?" Fragend hob ich eine Augenbraue in die Höhe. Stella lief ein wenig rot an und fing an herum zu drucksen.

„Jaa... scheint so... als ob ihr Körper die aufgelösten Tabletten nicht ganz so gut verträgt."

„Ach, sag bloß. Was hat euch dazu geritten ihr soviel zu geben, dass sie in so einem Zustand ist!", zischte ich ihr entgegen. So konnte man nur schlecht Informationen aus ihr heraus quetschen.

„Wir haben ihr nicht zu viel verabreicht... wirklich nicht. Nur ihr Körper scheint es nicht mitzubekommen. Wir wissen auch nicht, warum." Ich konnte keine Lüge heraus hören, weshalb ich ihr wohl glauben musste.

„Wir haben ihr genauso viel verabreicht wie einer erwachsenen Person. Sie ist kein Kind mehr, sodass wir ihr auf jeden Fall mehr verabreichen mussten", erklärte Stella weiter.

„Sie ist doch auch aufgewacht, als ihr ihr die Spritze verabreicht habt...", warf ich mine Gedanken hinzu. Stella nickte langsam, aber mit Nachdruck.

„Ja, dass stimmt. Ist aber völlig normal, wenn das Wolfsgen stark genug ist und das ist es."

„Da habt ihr es doch. Der innere Wolf kämpft gegen die Medikamente an, dass lässt einen müde werden... zumindest sie", schnaubte ich. Dass war doch ganz einfach.

„Ist doch nicht anders, als wenn man krank ist... jaa." Stella nickte.

„Aber wir wissen, dass unser Wolfsgen uns stärker werden lässt, dass heißt, dass trotzdem etwas nicht stimmt", überlegte sie weiter, doch das interessierte mich recht wenig.

„Ist mir doch egal! Dass sie kaum ansprechbar ist, ist unser Problem und nicht das sie krank ist!" Stella zuckte zusammen. Sie schien in Gedanken gewesen zu sein. Pff, sie sollte sich um eine weiße Wölfin keine Gedanken machen. Wollen wir doch mal schauen, was wir aus dem Mädchen herausbekommen.

Ich schloss die Tür hinter mir, als ich den Raum betrat und auf den Tisch zuging. Langsam ließ ich mich auf dem Stuhl, gegenüber des Mädchens, nieder. Ich ließ meine Krallen ausfahren und kratzte einmal quer über den Tisch.

Mein Gegenüber zuckte zusammen und hob den Kopf. Sie sah schrecklich aus. Trotz des vielen Schlafes, zierten ihre Augen, dunkle Ringe. Die kurzen Haare waren verstrubbelt und die Augen wässrig. Dafür war ich sehr dankbar, dass wenigstens meine langen, schwarzen Haare immer perfekt zu sitzen schienen. Doch ein anderes Aussehen konnte man von ihr wohl nicht erwarten, wenn der innere Wolf so tobte.

Die Zwillingswerwölfe- Sonne und FinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt