Kapitel 2

2.4K 123 39
                                    

𝚃𝚛𝚒𝚐𝚐𝚎𝚛𝚠𝚊𝚛𝚗𝚒𝚗𝚐!

Erneut würgt Ju und erneut landet das Erbrochene in der Kloschüssel. Warum er jetzt kotzt? Ganz einfach, die Kalorien müssen raus. Und zwar dringend. Wenn er gleich noch ein schweißtreibendes Workout schiebt wird er safe sein, so denkt er zumindest. Er ignoriert voll und ganz, das seine Handlungen mal wieder absolut von der Essstörung gesteuert werden. Er hat sich ja noch nichtmal eingestanden, dass er wieder mitten im Sumpf der Essstörung festhängt. Immer noch versucht Julien verzweifelt die Illusion eines gesunden jungen Mannes aufrecht zu erhalten. Wieder finden seine Finger den Weg in seinen Mund, und lösen gekonnt den Würgereiz aus. Ju hasst Kotzen, wirklich. Für ihn ist es lediglich ein mittel zum Zweck. Hustend landet ein neuer Schwall in der Kloschüssel. Tränen kullern über Juliens Wangen, so sehr verabscheut er kotzen. Aber was soll er tun? Er will ja schließlich nicht fett werden. Noch fetter, korrigiert ihn seine innere Stimme sofort. Wenn es nach ihr geht, dann ist Julien schon längst ein fetter, hässlicher Junge. Und leider geht es viel zu oft nach Jus innerer Stimme. Als lediglich gelbes Zeug in der Kloschüssel landet, kann Julien endlich aufhören zu kotzen. Es ist alles draußen, was raus musste. Er hat seine Welt noch einmal vor dem Untergang bewahrt.

Erschöpft wischt er sich seinen Mund, die Finger und sein Kinn mit Klopapier ab, betätigt die Klospülung und öffnet das Fenster. Zuletzt wäscht er sich die letzten Reste am Waschbecken weg, mehrfach spült er sich den Mund aus, doch der ekelhafte Geschmack will nicht weichen. Müde schließt er die Tür des Badezimmers hinter sich und tapst zurück in sein Schlafzimmer. Nach dem Abendessen, hat Julien sich sofort von allen verabschiedet und ist zurück zu seiner Wohnung gejoggt, wo er sich direkt übergeben hat. Jetzt hockt er auf dem Boden seines Schlafzimmers und beginnt mit seinem Workout.

Immer mehr Schweißperlen laufen an seiner Stirn entlang. Wundern tut es ihn nicht, immerhin ist er heute mal wieder ein richtig aggressives Kaloriendefizit gefahren, für ein Workout dieser Art hat er echt keine Kraft mehr übrig. Aber es ist ihm egal, was tut er nicht alles um ohne schlechtes Gewissen einschlafen zu können. Die Antwort: eindeutig zu viel. Nur sieht der Halbasiate das natürlich ganz anders. Seine Antwort lautet: viel zu wenig. Und so kommt es wie es kommen musste, Ju wird schwarz vor Augen, alles dreht sich und er landet schmerzhaft auf dem Boden. Er hat keine Kraft mehr, absolut nicht. Nicht mal mehr genug um aufzustehen, dabei liegt er direkt neben dem Bett. Es wären keine drei Schritte, und dennoch ist die Strecke, die ihn von seinem Bett trennt viel zu weit. Er krümmt sich zusammen, als er mal wieder von schrecklichen Bauchkrämpfen heimgesucht wird. Kein Wunder, wenn er seinen Körper immerzu an den Rande der Kräfte treibt, oder wie heute deutlich über die Grenze hinaus. Am Ende schafft er es dann doch irgendwie in sein Bett. Sofort wird er von einer angenehmen Wärme umhüllt, die ihn schneller einschlafen lässt als er es für möglich gehalten hat.

Am nächsten Morgen wird er von seinem Wecker aus dem Land der Träume gerissen. Wiederwillig öffnet er seine Augen, und versucht sein Handy zu angeln um den nervenden Ton abzuschalten. Bevor er jedoch zu seinem Handy kommt, fällt sein Blick auf seinen rechten Arm. Der Ärmel des Hoodies ist mit Blut durchtränkt, und wie hätte es anders sein können, ist auch schon einiges des Bettes in dem hässlichen rot gefärbt. Was ein toller Start in den Tag, denkt er sich. Du verdienst eh nichts besseres, werden seine Gedanken prompt von seiner inneren Stimme kommentiert. Ach komm halts Maul, ich hab da echt keinen Nerv für gerade, kommentiert Julien direkt zurück. Er hat gerade echt keine Kraft für ein Streitgespräch, erst recht nicht mit sich selber. Wie das schon klingt. Also sammelt der Junge alle Kraft zusammen und steht auf, zieht die blutigen Teile des Bettes ab und bezieht es neu.
Nach dem ersten Kraftakt des Tages kümmert sich Julien nun endlich um seinen Arm. Fünf Schnitte, fünf Gottverdammte Schnitte kommen zum Vorschein. Zwei sind immer noch etwas am Bluten. Zischend hält er seinen Arm unter das Wasser am Waschbecken. Er wartet so lange bis das ganze Blut abgewaschen ist, danach desinfiziert und verbindet er alles gewissenhaft. Er möchte nicht noch eine Entzündung der Wunden riskieren, hatte er letztens erst, tat höllisch weh.

Nachdem er sich die Zähne geputzt und sich was frisches angezogen hat, trottet er in die Küche. Wer jetzt denkt er isst was, falsch gedacht. Er macht sich lediglich einen Kaffee und setzt sich auf den Balkon. Immer wieder wird Julien von Schwindelattacken geplagt, Kaloriendefizit lässt grüßen. Shit heute ist ja training mit Jas, fuck fuck fuck ich komme zu spät reißen Jus Gedanken ihn plötzlich aus der angenehmen Ruhe. Schnell packt er seine Sachen zusammen und sprintet rüber zum Haus. Dass er sich zwischendurch immer wieder an einer Hauswand abstützen muss, um nicht umzukippen ignoriert er gekonnt. Er ist einfach zu schlecht im training, denkt er sich. Kein wunder, so fett wie er ist. Heute morgen noch zeigte die Wage 43,2 Kilo an. 200 gottverdammte Gramm mehr als am Abend davor, heute wird definitiv ein noch krasseres Kaloriendefizit geschoben, da ist Julien sich sicher. Am Ende seiner Kräfte erreicht er letztendlich doch das Haus.
"Sorry Jas, habs total vergessen" nuschelt Ju Jas entgegen, und lässt die Tasche fallen während er sich ins Gym begibt.
"Ju was ist n bei dir los?" Kommentiert Jas prompt.
"Weiß nicht was du meinst" gibt Julien trotzig zurück während er sich an die Klimmzugstange hängt.
"Ju du kannst so nicht trainieren" meldet sich Jas erneut zu Wort.
"Klar kann ich" Juliens stimme bröckelt vor Anstrengung.

Und dann passiert, was ja passieren musste. Von allen Kräften verlassen lässt Julien die Stange los, dem plötzlichen Gewicht können seine Füße allerdings nicht standhalten. So kommt es, dass er in sich zusammensackt und auf dem Fußboden landet. Immerhin ist der Boden etwas gepolstert.
"Ju!" In Jas Stimme ist der Schreck zu hören. Sofort kniet er sich neben Julien und zieht in ins sitzen.
"Ahhh" Juliens Stimme ist kaum hörbar. Vor Schmerzen verzeiht er das Gesicht, Jas hat genau auf die Wunden gefasst.
"Was ist los Ju?" Jas ist der Schreck immer noch anzumerken.

Als Ju von alleine sicher sitzt, lässt Jas ihn los. Den Augenkontakt kann Julien nicht standhalten, der Fußboden ist eh interessanter. "Ju du bist mir eine Erklärung schuldig" Julien nimmt Jas Stimme kaum war, so benebelt ist sein Kopf.

𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 2 𝚍𝚘𝚗𝚎 :)
𝚆𝚒𝚎 𝚑𝚊𝚝 𝚎𝚜 𝚎𝚞𝚌𝚑 𝚐𝚎𝚏𝚊𝚕𝚕𝚎𝚗? 𝙳𝚊𝚗𝚔𝚎 𝚞̈𝚋𝚛𝚒𝚐𝚎𝚗𝚜 𝚏𝚞̈𝚛 𝚍𝚊𝚜 𝚐𝚊𝚗𝚣𝚎 𝚙𝚘𝚜𝚒𝚝𝚒𝚟𝚎 𝙵𝚎𝚎𝚍𝚋𝚊𝚌𝚔 𝚋𝚎𝚒𝚖 𝚎𝚛𝚜𝚝𝚎𝚗 𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 <3

hold my hand // juzoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt