38. Kapitel 36

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Ein paar Tage später stand erneut ein Umzug an. Wahrscheinlich war diese Einrichtung einfach nur übergangsweise gewesen, weil WICKED nicht mit einem Crankangriff gerechnet und somit keine andere Möglichkeit hatte. Der Umzug verlief in etwa genauso wie unser erster Tapetenwechsel. Wir bekamen Säcke über den Kopf gestülpt und wurden unter Gegenwehr und Protest durch die Gänge geschleift. Wir liefen nach draußen, wurden in diesem Flugding angekettet und dann das gleiche noch mal nur umgedreht. Nur war Janson dieses Mal die ganze Zeit nicht bei uns. Das neue Zimmer war wieder nur mit zwei Betten. Alles bestand aus grauem Beton. Außer das Bad. Das war weiß gefliest. Wieder hatten wir ein paar Tage Ruhe. Plötzlich öffnete sich unsere Tür. So schnell konnten Minho und ich gar nicht reagieren, da schossen die Soldaten mit Betäubungspfeilen auf uns und wir wurden ohnmächtig. Helles Licht blendete mich, als ich die Augen wieder öffnete. Als ich mich an die Helligkeit gewöhnt hatte, stieß ich ein erschrockenes Keuchen aus. Ich war auf der großen Wiese! Alles war noch so wie vor dem Monsterangriff. Alles stand, nichts war verwüstet. „Was zum?“ Mein Kopf fuhr herum und erst jetzt bemerkte ich Minho. „Was soll das hier?“, wollte er wissen und stand auf. Ich tat es ihm gleich. „Das ist mein Labyrinth“, hauchte ich und blickte mich weiter um. Im Augenwinkel konnte ich Minhos erstaunten Gesichtsausdruck erkennen. Ich beachtete ihn nicht weiter. Erinnerungen prasselten auf mich ein. Gute und schlechte. Das war eine Simulation. Es musste eine sein. Aber es war so verdammt echt. Minho vollkommen vergessend begannen meine Füße wie von selbst zu laufen. Schritte hinter mir zeigten mir, dass Minho mir folgte. Ich lief auf meine Hütte zu. Die Hütte, die ich als erstes gebaut und in der ich drei Jahre lang geschlafen hatte. Ganz vorsichtig legte ich die Hand auf den Türgriff. Ich hatte Angst, dass bei zu viel Berührung alles einfach verschwand. Langsam stieß ich die Tür auf. Sie knarrte. Ich hatte sie eigentlich noch ölen wollen, aber dann waren die Monster – Griewer – gekommen und hatten alles zerstört. Alles war noch genau so, wie ich es an dem Morgen des Angriffes verlassen hatte. Der Spiegel stand auf dem schief gezimmerten Tisch. Meine Haarbürste lag noch darauf. Ich hatte sie nicht aufgeräumt. Daneben mein Bett. Erstaunlich, dass es so lange gehalten hatte. Und neben dem Bett mein Kleiderschrank. Zaghaft drehte ich eine Runde durch den Raum und öffnete den Schrank. Alles war noch da. Das meiste hätte ich noch waschen müssen, aber ich war nicht mehr dazu gekommen. „Wow“, hörte ich Minho hinter mir sagen und drehte mich mit einem melancholischen Lächeln zu ihm um. „Es war das Erste, was ich nach meiner Ankunft hier gebaut habe. Ich habe nicht lange dafür gebraucht, aber die Hütte hat mich die drei Jahre begleitet. Man könnte fast meinen, sie hätte mich aufwachsen sehen. So wie der Rest der großen Wiese.“ Ich lief wieder nach draußen in Richtung des Stalls. Minho folgte mir. Dabei kamen wir an den Feldern vorbei. Die Tomaten und Erdbeeren waren reif. Ich hatte sie ernten wollen. So viel hatte ich tun wollen und dann kam der Monsterangriff. „Als nächstes hab ich die Felder angelegt. Mit der Zeit sind sie immer größer geworden und immer mehr Obst und Gemüse ist dazu gekommen“, erklärte ich und zeigte auf die riesigen Felder voll mit allem Möglichen an Obst und Gemüse. Dann kamen wir an die Gatter und den Stall. Alle Tiere waren noch da und am Leben. Die drei Ziegen kamen auf uns zu und blökten uns an. Die Hühner flatterten aufgeregt mit den Flügeln und hofften auf Futter. Die Kühe und Schweine schien unsere Ankunft völlig kalt zu lassen. „Der Stall und die Gatter hab ich als nächstes gebaut, weil immer mehr Tiere hochgekommen sind. Es hat mich ganz schön viel Zeit gekostet. Im Wald gibt es dann noch einen Bunker. Dort hab ich alle Werkzeuge und Waffen gelagert und ein Modell vom Labyrinth angefertigt. Dieser Bunker war das Einzige, was schon da war. Ich hab ihn erst ein paar Tage später entdeckt. Und im Labyrinth war ich sowieso erst viel später und auch nicht regelmäßig.“ Ich kam zum Stehen und Minho blickte mich ehrfürchtig an. „Du hast das alles alleine aufgebaut und deine eigene Ordnung geschaffen. Du warst drei Jahre lang alleine hier. Das hätte ich nicht ausgehalten. Ich bin beeindruckt.“ Ich blickte in Minhos Augen und erkannte, dass er es ernst meinte. Ein leichtes Lächeln bildete sich auf meinem Gesicht. „Ich habe es geliebt und gleichzeitig habe ich es gehasst.“

Das Mädchen ohne GruppeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt