39. Kapitel 37

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Es wurde rasend schnell dunkel und ich hatte es schon geahnt. „Maila! Die Tore gehen nicht zu!“ Ich schloss meine Augen und atmete tief durch. „Maila! Was sollen wir jetzt tun?“ Ich brauchte nur kurz zu überlegen. Das Klicken der Monster kam immer näher. „Komm mit. Den Monsterangriff hab ich damals nur überlebt, weil ich mich im Bunker eingeschlossen habe. Es war das einzige Bauwerk, was danach nicht zerstört war.“ Ich packte Minho am Arm und zog ihn hinter mir her. Das Klacken kam näher und mischte sich mit den Schreien der Monster. Es spornte mich an und ich rannte noch schneller. Minho konnte locker mit mir mithalten. Aus dem Augenwinkel sah ich die ersten Monster aus dem Labyrinth rollen und auf uns zu kommen. Ich rannte noch schneller und war vor Minho im Wald und am Bunker. Ich öffnete die schwere Tür und hielt sie für Minho auf. Sobald er drin war, schlüpfte auch ich in das massive Betongebäude, zog die Tür zu und verschloss sie. Es gab einen Rums. Etwas Staub fiel von der Decke. Das Monster schrie verärgert auf. Ich blickte mich im Raum um. Die Waffen waren von der Wand gefallen und die Werkzeuge lagen auf dem ganzen Boden verteilt. Und mein Modell des Labyrinths. Eine Träne wollte mein Auge verlassen. Ich schluckte und drängte sie zurück. Minho kniete neben den Überresten aus Stöckchen und Rinde. „Es war bestimmt sehr schön“, versuchte er mich zu trösten. „Ich war sehr stolz darauf.“ Meinte Stimme klang krächzend und erstickt. Es war alles genauso wie damals. Und ich war wirklich traurig darüber, dass mein Modell zerstört wurde. Ich hatte so viel Zeit darin investiert und es fast schon liebevoll aufgebaut. Und nun, nur ein Rums, und alles war zerstört. Die Arbeit von Wochen. Monaten. Wieder donnerte das Monster gegen die Tür und holte mich aus meinen trüben Gedanken. Minho sprang auf und schnappte sich eine von den heruntergefallenen Waffen. „Mach dir nicht die Mühe“, seufzte ich und setzte mich auf den Boden. „Es ist alles wie in meiner Erinnerung. Die Griewer kommen hier nicht rein. Pass auf, gleich fängt das Licht an zu flackern und geht aus. Der Griewer donnert noch ein paar Mal gegen die Tür und hilft dann lieber seinen Freunden alles zu zerstören, was ich in drei Jahren aufgebaut habe.“ Und wie aufs Stichwort fing das Licht an zu flackern. Minho eilte zu mir, setzte sich neben mich und griff noch gerade rechtzeitig nach meiner Hand, als das Licht endgültig erlosch. Minho drückte meine Hand ein bisschen fester. Der Griewer donnerte noch ein paar Mal gegen die Tür. Ganz wie ich es gesagt hatte. Jedes Mal spürte ich, wie Minho neben mir zusammenzuckte. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Mir war es nicht anders ergangen und würde es bestimmt auch nicht anders ergehen, wenn ich das alles nicht schon einmal durchgemacht hätte. Diese Nacht fanden wir keinen Schlaf. Allmählich kehrte Ruhe ein und langsam ging die Sonne auf. Sie schien durch klitzekleine Ritzen im Boden und im Dach. So klein, doch wir sahen sie sofort. Ich stand auf und tastete mich zur Tür. Langsam stemmte ich sie auf und noch langsamer lief ich wieder zurück auf die große Wiese. Schwer schluckte ich. Ich spürte Minhos Hand an meiner. Trost spendend drückte er sie. Ich blickte ihn nicht an. Tränen bahnten sich ihren Weg nach oben, als ich auf die ganze Zerstörung sah. Die Arbeit von Jahren – zerstört. Alle Gebäude eingerissen und nur noch Ruinen, wenn überhaupt. Die Felder verwüstet und nicht mehr zu gebrauchen. Die Tiere lagen tot und verstreut auf der Wiese. Ihr Blut tränkte das Gras. Die Griewer hatten mich nicht bekommen, also hatten sie die Tiere getötet. Ich wollte einen Schritt machen, sank stattdessen aber nur kraftlos ins Gras. Minho ließ sich neben mich fallen. Er sagte nichts und nahm mich einfach nur in den Arm. Das war der Augenblick, in dem ich die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte. Sie begannen zu laufen. Das war der Moment, in dem ich das erste Mal nach drei Jahren weinte. Davor hatte ich es mir immer verboten, aber nach diesem Angriff war es, als wäre mein Leben zerstört worden. Erneut, wenn man die fehlenden Erinnerungen mitzählte. Ich wollte etwas sagen, aber ich konnte nicht. Es war zu überwältigend, alles noch einmal erleben zu müssen. Da half es auch nicht viel, dass Minho nun bei mir war. Er verband hiermit nichts. Aber ich, ich verband hiermit mein ganzes Leben. Zumindest den Teil, an den ich mich erinnern konnte. Ich schluckte und plötzlich wurde alles schwarz.

Das Mädchen ohne GruppeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt