Kapitel 19

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Als die Sonne langsam mit dem See verschwimmt, machen wir uns daran, unsere Sachen zusammen zu packen, danach fahren wir gemütlich nach Hause. Ich habe den Tag richtig genossen. So sollte es immer sein: mit seinen Freunden Spaß haben, reden, gemeinsam lachen. Ich fühle mich so entspannt und fröhlich wie schon lange nicht mehr.

Als wir aus dem Wald herausgeradelt kommen, fährt uns jemand entgegen. Erst als wir schon sehr nah an der Person sind, bemerkte ich, dass es sich um Sam handelt. Oh nein. Ich seufze, dann wende ich mich an Iliás, der neben mir am Ende der Gruppe ist.

,,Fahrt einfach schon mal ohne mich weiter'', sage ich. ,,Ich hole euch dann schon ein.''

Iliás nickt bloß, und ich bin wirklich dankbar, dass er mich nicht mit Fragen überhäuft. Ich lasse mich unauffällig zurückfallen, bis ich schließlich stehen bleibe. Irgendwann muss ich ja mal mit Sam reden, ich kann nicht ewig vor einem Gespräch davonlaufen. Das ist einer meiner größten Fehler: es gibt nichts, was ich mehr hasse als Streit und deshalb weiche ich dann immer aus. Es wird Zeit, dass ich daran etwas ändere.

Als Sam neben mir hält, schweigen wir erstmal beide. Dann reiße ich mich zusammen, und sehe ihn an.

,,Was willst du?'', zische ich.

Er sieht mich lange an und scheint sich die richtigen Worte zurecht zu legen. Um uns herum ist es still, nur einige Vögel zwitschern. Ich stehe mit verschränkten Armen vor Sam und versuche, kalt zu wirken, aber die Wahrheit ist, dass meine Knie bei seinem Anblick schon wieder weich geworden sind. Eigentlich hatte ich gedacht, ich würde Sam hassen, doch ich merke, dass man Gefühle eben nicht einfach abstellen kann, wann man will. Und allem Anschein nach liebe ich diesen Idioten immer noch. Doch das heißt nicht, dass ich ihm sofort verzeihen werde. Erst möchte ich eine Erklärung hören - eine verdammt gute hoffentlich - und die hat sich Sam wohl inzwischen überlegt, denn er holt tief Luft und fängt dann an zu sprechen.

,,Bitte Léa, du musst mir einfach nur zuhören. Alles, was passiert ist, tut mir unglaublich leid. Ich verlange nicht, dass du meine Entschuldigung direkt annimmst, denn ich war ein wirklicher Idiot. Aber bitte lass mich alles erklären.''

Ich nicke und betrachte abwartend meine Fingernägel und bemühe mich, nicht hoffnungsvoll auszusehen, denn eigentlich müsste Sam auch gar nichts sagen, mein Herz würde ihm sofort alles verzeihen. Mein Verstand arbeitet jedoch hart dagegen an.

,,Okay. Also ich denke, ich sollte mit Cleo anfangen. Cleo und ich kennen uns, seit wir ein Jahr alt waren. Sie war mein allererste Freundin überhaupt und sie ist auch immer meine beste Freundin geblieben. Neulich wollte sie mich von der Schule abholen, weil wir zusammen in die Stadt gehen wollten. Sie hat irgendwie gedacht, sie wäre in mich verknallt und wusste nicht, dass wir beide zusammen sind. Als wir beim Spind waren, hat sie mir Bilder von ihrer kleinen Schwester gezeigt. Ich hab mich halt so über ihr Handy gebeugt und gesagt, dass ihre Schwester süß ist. Dann hat sie plötzlich gesagt, dass ich süß bin und hat mich geküsst. Ich war so überrascht, dass ich im ersten Moment gar nicht reagiert habe. Und dann bist du um die Ecke gekommen. Ich denke, was dann passiert ist, muss ich nicht noch mal wiederholen, oder?''

Er sieht mich traurig an.

,,Wieso hast du mir das nicht schon früher gesagt?''

Ich bin irgendwie erleichtert, dass Sam nicht so ist, wie ich die letzten Wochen gedacht habe. Aber das erklärt trotzdem nicht, warum er es mir nicht einfach so erklärt hat. Ich kann in seinen Augen sehen, dass er die Wahrheit sagt. Und deshalb hätte ich mir die letzte Zeit, in der ich quasi ununterbrochen geheult habe, sparen können.

,,Ich wollte ja, aber zuerst warst du so wütend. Nachdem du mich da auf den Stufen runtergemacht hast, wollte ich nur noch so schnell wie möglich abhauen. Aber Cleo hat mich aufgehalten. Sie hat sich tausend Mal entschuldigt, dass sie mich geküsst hat. Während dem Kuss hat sie nämlich festgestellt, dass sie doch nichts für mich fühlt. Und dann wollte sie mir unbedingt helfen, alles wieder gut zu machen. Ich fand, dass man so was nicht am Telefon erklären kann und in der Schule bist du mir immer aus dem Weg gegangen. Und dann kam eure Party. Ich war dort mit Cleo. Sie hat mir Mut gemacht und ich wollte dich gerade suchen gehen, als du uns gefunden hast und natürlich etwas total falsches angenommen hast. Ich bin dir nach, aber dann warst du plötzlich weg und ich hatte meine Chance schon wieder nicht genutzt.''

Er fährt sich mit der Hand durch die Haare und erst jetzt bemerke ich die tiefen Ringe unter seinen Augen. Und ich stelle fest, dass ich ihm jedes Wort abnehme. Sam tut mir leid. Also tue ich das einzig Richtige. Ich beuge mich vor und küsse ihn.

Als wir uns voneinander lösen, lächele ich Sam an. Er lächelt zurück.

,,Heißt das, es ist wieder alles in Ordnung? Du nimmt meine Entschuldigung an?'', fragt er vorsichtig.

,,Ja, Sam, das tue ich. Es tut mir auch leid, dass ich dich vor der ganzen Schule so fertig gemacht habe. Sowas mache ich sonst nie.'' Ich vergrabe das Gesicht in meinen Händen.

,,Hey." Sam zieht meine Hände weg und sieht mich liebevoll an. ,,Das weiß ich doch und es ist okay. Ich hatte es wohl auch irgendwie verdient, denke ich."

Ich kichere und nehme ihn in den Arm. Er hält mich ganz fest und so stehen wir eine Weile einfach nur da. Dann kommt mir noch ein Gedanke. ,,Sam?", nuschele ich in sein Sweatshirt.

,,Ja?"

,,Du musst mir unbedingt Cleo vorstellen. Und deine Eltern! Unfassbar, dass sich bei uns alles immer nur um mich gedreht hat. Entschuldige. Ich bin so eine Egoistin."

,,Bist du nicht." Sam hält mich etwas von sich weg und schaut mir fest in die Augen. ,,Du bist das wundervollste Mädchen auf der Welt und ich kann immer noch nicht fassen, dass du zu mir gehörst. Und meine Familie und meine Freunde wirst du auch noch kennenlernen. Bald. Wir sind ja auch noch gar nicht lange zusammen. Eins nach dem anderen, okay? Jetzt haben wir ja Zeit. Und jetzt küss mich bitte nochmal, denn das habe ich wirklich vermisst."

Look after you Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt