-----Sam-----
,,Tschüss, Léa'', verabschiede ich mich fröhlich. ,,Bis morgen in der Schule!''
In den letzten Wochen sind Léandra und ich uns viel näher gekommen, ich würde sogar sagen, wir sind inzwischen Freunde. Wir treffen uns auch ab und zu mal außerhalb der Schule und der Nachhilfestunden. Seit sie mir ihr Geheimnis verraten hat, habe ich mich, glaube ich, verändert. Ich bewundere, dass sie so stark ist und deshalb versuche ich, anders zu leben als vorher. Das heißt, weniger mies zu anderen sein und auch ein bisschen weniger Party und Alkohol. Ich bin zu Léa so nett, wie ich kann. Nicht aus Mitleid, sondern weil ich einfach finde, dass sie etwas besonderes ist und es verdient hat. Nachdem sie mir erzählt hat, was sie alles durchgemacht hat, habe ich mich gefühlt wie der letzte Idiot. Noch am selben Abend habe ich mir geschworen, anders zu werden. Für Léa und auch für mich selbst.
,,Ja, bis dann.'', sagt sie und umarmt mich.
Ich atme ihren Geruch ein. Sie riecht, wie immer, nach Orange. Ich liebe diesen Duft. Und nur damit ihr es wisst: ich habe mir inzwischen eingestanden, dass ich mich ein bisschen in Léa verliebt habe. Nur ein winziges bisschen, aber das reicht, damit ich jedes Mal Herzklopfen bekomme, wenn ich an sie denke. Ich befürchte trotzdem, dass sie für mich nicht mehr empfindet als Freundschaft und deshalb traue ich mich nicht, sie nach einem Date zu fragen. Ich war schon oft kurz davor, habe dann jedoch immer einen Rückzieher gemacht. Irgendwann werde ich es schon noch schaffen, da bin ich mir sicher. Ich muss nur auf den richtigen Moment warten.
Léandra sieht mich an, dann scheint ihr plötzlich etwas einzufallen.
,,Warte kurz, ich bin gleich wieder da'', sagt sie und lächelt. Ich bleibe abwartend stehen.
Dann läuft sie aus ihrem Zimmer und erscheint kurz darauf wieder im Türrahmen. Die Hände hat sie hinter ihrem Rücken.
,,Also'', fängt sie an. ,,Ich weiß überhaupt nicht, ob du so was magst, aber...''
Sie zieht ein Papier hervor und gibt es mir.
,,Wenn du kommst, würde ich mich echt freuen.''
Ich sehe auf den Flyer in meinen Händen. ,,Tag der offenen Tür - Tanzschule Melton" steht darauf in geschwungen Buchstaben und darunter ein Datum und eine Uhrzeit.
,,Lies weiter.", fordert Léa mich auf und wippt auf den Fußballen hin und her. Ich senke meinen Blick wieder auf die Zeilen. Im ersten Teil geht es nur um die Tanzschule, aber unten stehen die Uhrzeiten von einzelnen Aufführungen. Ich überfliege sie und schließlich werde ich fündig. Léas Name steht dort neben einigen anderen unter ,,Modern Dance - Fortgeschrittene".
Sie beobachtet mich und knibbelt dabei am Türrahmen herum, bis sie merkt, dass ich fertig bin. ,,Und?", fragt sie nervös. ,,Ich weiß, es ist nur eine kleine Vorführung und gar nichts besonderes, aber ich dachte, vielleicht hast du ja Lust zu kommen?"-----Léa-----
Ob Sam sich freut? Ich habe mich glaube ich in ihn verliebt. Aber wieso sollte er sich für mich interessieren? Wahrscheinlich findet er mich nett, dass habe ich in den letzten Wochen bemerkt, aber ich bin mir sicher, er sieht mich einfach als eine Freundin. Diesen Samstag hat die Tanzschule, in der ich bin, wieder eine Vorstellung, und da kam mir die Idee, Sam einzuladen. Ich meine, wieso nicht? Mehr als nein sagen kann er ja nicht. Ich sehe ihn gespannt an. Jetzt kommt's. Ich wette, er sagt nein. Ich kneife die Augen zusammen.
,,Natürlich komme ich! Das wird sicher total cool! Ich würde dich gerne mal tanzen sehen.'' , sagt er jedoch und es klingt ehrlich. Oh. Mein. Gott. Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen. Ich werde von kribbeliger Aufregung erfasst. Sam wird zu meiner Aufführung kommen!
-----Sam-----
Léa steht mit geschlossenen Augen neben mir und atmet sehr stark. Oh nein, hoffentlich hat sie keinen epileptischen Anfall oder so.
,,Léa? Geht es dir gut?'', frage ich vorsichtig. Sie schlägt die Augen auf und wird rot.
,,Ähm, ja. Ja, alles okay.''
,,Na dann ist es ja gut.'', sage ich. Ich bin mehr als erleichtert, denn bei einem Anfall hätte ich nicht gewusst, was ich hätte tun müssen. Ich grinse sie an und werde ebenfalls rot. Verdammt. Wieso fällt es mir so schwer, ihr gegenüber so cool zu bleiben wie sonst auch?
+++
,,Hi Sam, bist du so weit?'', fragt Léa mich.
Es ist Samstag und sie und ihre Familie, die auch mit zu der Aufführung kommt, holen mich ab und wir fahren zusammen mit dem Auto hin. Ich nicke und lächele sie an, nehme meine Jacke und den Hausschlüssel von der Kommode und rufe ein ,,Tschüss, bis später!'' ins Haus. Doch bevor wir zum Auto gehen, zieht Léa mich noch zur Seite. Sie kaut nervös auf ihrer Unterlippe.
,,Sam, ich hoffe, es macht dir nichts aus, dass meine Familie dabei ist?'', fragt sie.
,,Was? Nein.'' Ich schüttele den Kopf. ,,Ich freue mich, deine Familie kennen zu lernen.''
Léa sieht erleichtert aus, dann laufen wir zum Auto und steigen ein. Vorne sitzen ihre Eltern, in der zweiten Reihe ihre Schwester und Iliás, dem ich ja schon begegnet bin. Wir setzten uns hinter sie.
,,Hallo'', sage ich. ,,Schön, Sie endlich kennen zu lernen. Ich bin Sam.''
Léas Schwester dreht sich um.
,,Hi, Sam. Ich bin Fil und das ist Iliás.''
Sie mustert mich von oben bis unten und nickt mir dann knapp zu. Das Zeichen, dass sie mich akzeptiert. Ich muss ein bisschen schmunzeln, was mir einen finsteren Blick von ihr einbringt, weshalb ich schnell wieder aufhöre.
,, Ich bin Michail und das ist meine Frau Chrysa. Wir freuen uns, dass du mitkommst.'', stellt sich Léas Vater vor.
Sie scheinen nett zu sein. Als wir ankommen, reden alle durcheinander. Es gefällt mir sofort in dieser Familie: jeder darf mitreden und seine eigene Meinung haben.
Wir treten durch eine Eingangstür und Léa verabschiedet sich von uns, um sich hinter der Bühne aufzuwärmen und umzuziehen. Wir anderen geben unsere Jacken ab und gehen direkt in den Saal. Wir sitzen ziemlich weit vorne, wahrscheinlich hat Léa dafür gesorgt. Ich blättere durch mein Programmheft, als die Lichter langsam gedimmt werden. Schnell lege ich das Heft beiseite. Von mir aus kann die Aufführung beginnen.

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Look after you
Roman d'amourGeschrieben: 2015 - Anfang 2016 Léa und Sam können sich nicht leiden. Léa hält Sam für einen arroganten Macho und er sie für eine besserwisserische Zicke. Als Sam plötzlich auf Léas Hilfe angewiesen ist, lernen sich die beiden näher kennen und fange...