Kapitel 11

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-----Léa-----

Noch während ich meine Zimmertür schließe, krame ich mit zitternden Händen mein Handy heraus, um Lilly anzurufen. Bevor ich das Haus betreten habe, habe ich meine Tränen weggewischt, damit meine Familie nicht bemerkt, wie schlecht es mir geht. Sie machen sich sowieso immer alle viel zu viele Gedanken um mich seit Iras Tod. Aber die letzten Tage, als ich jeden hier mit meiner guten Laune genervt habe und selbst meine Mutter die Augen verdreht hat bei so viel Fröhlichkeit, habe ich dennoch gemerkt, dass sie sich heimlich gefreut hat, dass ich so glücklich bin. Und ich möchte nicht, dass sie sich jetzt schon wieder Sorgen um mich macht. Was sie sicherlich tun würde, wenn sie von Sams und meiner Trennung wüsste.

Ich tippe mit bebenden Fingern Lillys Nummer ein. Was ich jetzt brauche, ist meine beste Freundin. Hoffentlich hat Lilly Zeit. Das Freizeichen ertönt. Bitte, geh dran, Lilly, bitte. Nach dem vierten Klingeln höre ich endlich ihre Stimme.

,,Léa? Ist alles in Ordnung? Wollte heute nicht Sam zu dir kommen?''

Verdammt, es tut schon weh, auch nur seinen Namen zu hören.

,,Léa, was ist denn los? Ist was passiert?''

Lilly klingt besorgt. Sie ist so ein einfühlsamer Mensch und sie kennt mich so gut, dass sie sofort weiß, dass etwas nicht stimmt.

,,Kannst du herkommen?'', frage ich nur leise.

,,Okay'', lautet ihre knappe Antwort. ,,Ich bin in fünf Minuten bei dir.''

-----Lilly-----

Ich lege auf. Léa klang irgendwie gar nicht gut. Das Problem ist nur, dass ich gerade bei Liam bin. Wir wollten uns einen richtig schönen Nachmittag machen und haben uns beide total darauf gefreut. Aber das ist jetzt egal. Léa braucht mich und deshalb werden wir das hier wohl verschieben müssen.

,,Wer war das?'', fragt Liam, als ich das Handy in meine Hosentasche stecke und aufstehe.

,,Léa. Irgendwas ist passiert, sie war total komisch. Ich muss zu ihr.'', antworte ich.

Er seufzt. ,,Ist das wirklich so dringend? Was ist denn überhaupt los?''

,,Ich weiß es nicht. Aber sie braucht mich jetzt, okay? Ich muss los.''

Ich gehe zur Tür. Liam sieht mich an.

,,Komm schon, Lilly. Wir hatten uns doch beide so auf den Nachmittag gefreut. Kann Léa nicht bis heute Abend warten?'', fragt er, doch ich schüttele empört den Kopf.

,,Nein! Du weißt doch, wie schwer sie es hatte und ich will nicht, dass sie jetzt irgendeinen Scheiß baut. Das müsstest du doch eigentlich genauso gut wissen wie ich.''

,,Okay'', murmelt Liam. ,,Chill mal. Ich meinte ja nur.''

,,Das ist doch jetzt nicht dein Ernst, oder? Léa geht es schlecht. Sie hat irgendein Problem und ist total verzweifelt, und du meinst einfach, dass sie ja heute Abend auch noch mit mir sprechen kann?! Sie ist auch deine beste Freundin und ich habe Angst, dass sie sich etwas antut, wenn ich jetzt nicht zu ihr fahre. Also tschüss, Liam. Du kannst ja, wenn ich weg bin, mal darüber nachdenken, was man normalerweise für seine Freunde tun sollte und was dein Problem dabei ist!''

,,Was wird das denn jetzt? Willst du sagen, dass ich ein schlechter Freund für Léa war? Ich war nur ein bisschen enttäuscht, weil wir alles so schön geplant hatten für heute, also mach jetzt hier mal nicht so einen auf Drama-Queen, okay?'' Liam ist aufgestanden und funkelt mich an.

Ich starre zurück. Es macht mich so sauer, dass er mich jetzt auch noch anschreit. Meine Stimme wird etwas höher als beabsichtigt.

,,Drama-Queen? DRAMA-QUEEN? Okay, das wird mir hier echt zu blöd. Ich gehe jetzt zu Léa. Genieße deinen gemütlichen Nachmittag doch allein!''

Ich knalle die Tür hinter mir zu und laufe los.

-----Léa-----

Nachdem ich mich etwas beruhigt habe, mache ich mir etwas zu essen. Es ist nicht so, dass meine Familie nie zusammen isst, aber das machen wir eigentlich nur am Ruhetag, weil sonst immer irgendjemand im Restaurant ist oder nur kurz Zeit hat, weshalb es dann immer sehr ungemütlich wird. Aus diesem Grund haben meine Eltern irgendwann einfach gesagt, dass wir alt genug sind, uns selbst etwas zu machen. Wir dürfen alles aus unserem normalen Kühlschrank und aus der Küche im Restaurant nehmen, was wir wollen. Meistens fände ich es schöner, mit allen zu essen, aber heute bin ich eigentlich ganz froh, dass ich mich einfach in mein Zimmer verziehen kann. Kurz nachdem ich mich auf mein Bett geschmissen habe, wird die Tür auch schon von Lilly geöffnet.

,,Léa, was ist denn los?'', fragt sie sofort besorgt, als sie mich sieht.

Ich bin echt froh, dass sie da ist. Zehn Minuten später ist sie eingeweiht. Und stinksauer.

,,Wo wohnt dieser Typ?'', will sie aufgebracht wissen. ,,Ich fahr zu ihm und beschimpfe ihn so lange, bis er verspricht, dich auf Knien anzuflehen, ihm zu verzeihen. Und dann schlage ich ihn ins Gesicht!''

Ich muss widerwillig lächeln. Lilly ist so süß. Doch leider muss ich jetzt schon wieder heulen. Das war es also zwischen Sam und mir. Tja. Eigentlich hatte ich gedacht, dass wir es ein bisschen länger miteinander aushalten.

Eine halbe Stunde später liegen wir nebeneinander in meinem breiten Bett, essen und schauen uns einen romantischen Liebesfilm auf meinem Laptop an. Wir heulen immer an den selben Stellen los, beste Freundinnen eben. Doch irgendwann bemerkte ich den unglücklichen Gesichtsausdruck von Lilly.

-----Lilly-----

Ich starre auf Léas Laptop.

,,Bitte, vergib mir.'', sagt der Mann. Er hält die Hände einer Frau, die irgendwie seltsam gelbe Augen hat.

,,Oh, Leonard, dir werde ich alles vergeben!'', antwortet sie.

Leonard beugt sich vor, dann küsst er sie. Vor einem Sonnenuntergang. Das erinnert mich irgendwie an das erste Date von Liam und mir, auch wenn das nicht annähernd so kitschig war wie der Film. Wir sind an den See gefahren, abends. Als wir am Strand waren, haben wir uns in den Sand gesetzt und gepicknickt. Später waren wir im Wasser und hatten total viel Spaß. Als mir kalt wurde, hat Liam mir sein Tshirt gegeben, obwohl ich ja auch eigentlich selbst eins dabei hatte. Dann kam die Dämmerung und wir saßen lachend und redend herum. Und irgendwann haben wir uns schließlich geküsst. Ich merke, wie sich meine Augen mit Tränen füllen. Habe ich vorhin vielleicht doch ein bisschen überreagiert? Ich hätte Liam ja nicht gleich anschreien müssen. Hoffentlich hasst er mich jetzt nicht.

,,Was ist mit dir, Lilly?'',fragt Léa, als der Abspann läuft, bei dem Leonard und Gelbauge Hand in Hand über eine grüne Wiese schlendern.

,,Liam und ich haben uns gestritten.'', seufze ich.

,,Oh nein, Lil, komm her.'', sagt Léa sofort und zieht mich in eine feste Umarmung. ,,Worüber habt ihr euch denn gestritten?''

,,Ähm...''

Denk nach, Lilly. Ich werde Léa doch jetzt nicht auch noch erzählen, weshalb wir uns gezofft haben. Dann würde sie sich vielleicht noch schuldig fühlen und das ist das Letzte, das ich möchte.

-----Léa-----

,,Ähm...'', fängt sie an. ,,Ich weiß gar nicht, wie es angefangen hat. Wir haben eigentlich zuerst nur diskutiert, über irgendwas vollkommen unwichtiges. Und dann, keine Ahnung, irgendwann haben wir uns plötzlich angeschrien. Da bin ich abgehauen.''

Jetzt laufen auch ihr die Tränen über die Wangen. Irgendwie ist das wohl auch so ein Beste-Freundinnen-Ding. Wir kommen am selben Tag mit den Jungen unserer Träume zusammen und am selben Tag ist es bei uns beiden vorbei. Wobei Lillys Streit mit Liam ja nicht gleich das Ende ihrer Beziehung bedeutet.

Wenig später liegen Lilly und ich inmitten von einem Berg von Taschentüchern und leeren Schokoladenverpackungen auf meinem Bett, während im Hintergrund Musik läuft.

Ich seufze tief. Wenigstens habe ich Lilly. Sie ist eindeutig die allerbeste Freundin der Welt.

Look after you Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt