Kapitel 10

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-----Léa-----

Am Schultor wartet schon Sam auf mich. Neben ihm stehen - leider - Tyler und Josh. Meiner Meinung nach sind die beiden totale Hohlköpfe, die nichts selber entscheiden können, aber ich beschließe, so nett wie möglich zu ihnen zu sein, schließlich sind sie Sams beste Freunde. Als ich mich zu ihnen stelle, ernte ich einige komische Blicke, doch ich ignoriere sie. Ich bin einfach zu glücklich. Sollen sie doch glotzen wie sie wollen. Als ich ein ,,Hey'' von mir gebe, werde ich von Sam in einen langen Kuss gezogen. Die Schmetterlinge in meinem Bauch fahren rückwärts Achterbahn, und obwohl ich nach dieser schönen Begrüßung in Sams Augen versinke (wie so oft in den letzten Tagen), höre ich trotzdem noch die verwunderten Kommentare und Pfiffe meiner Mitschüler. Es ist mir egal. In meiner rosafarbenen Zuckerwatte-Welt verwandeln sich die nervigen Zuschauer in Regenbögen und flauschige Einhörner. Bah, kitschig. Schnell versetze ich mich mit einem Zwicken in meinen Unterarm zurück in die Realität.

Am Ende des Schultags mache ich mich mal wieder auf den Weg zum Spind, wo ich meine Bücher deponierte und nach Hause gehen will, als ich Stimmen höre.

,,Oh, die ist ja süß!''

Die Stimme klingt wie Sams.

,,Oh Sammy, DU bist süß'', säuselt eine andere, weibliche.

Es ist Sam. Aber mit wem redet er denn da? Und wieso gehe ich nicht einfach um die Ecke und sage Hallo? Ja, das sollte ich tun. Doch etwas hält mich davon ab. Denn plötzlich hört man ziemlich eindeutige Geräusche. Ich erstarre zur Salzsäule. Dann laufe ich wie im Traum los. Ich sehe Sam, wie er an einer Spindtür lehnt und knutscht. Und das Mädchen, mit das er küsst, bin ganz sicher nicht ich.

Ich räuspere mich.

,,Sam?''

Meine Stimme sollte fest klingen, aber ich stelle fest, dass sie zittert. Mist. Sam zuckt zusammen und flucht.

,,Scheiße, Léa, ich kann das erklären, echt!''

,,Nein danke, ich glaube, ich brauche gar keine Erklärung.'', sage ich so würdevoll wie möglich. Dann drehe ich mich um und will wenigstens noch einen filmreifen Abgang hinlegen, doch leider laufe ich fast gegen eine offene Spindtür und taumele um die Ecke, während ich mit den Tränen kämpfe. Ich will nur noch heim, Lilly anrufen und heulen. Tschüss, Wolke sieben, hallo Wirklichkeit. Ich hätte es wissen müssen.

,,Léa, warte!''

Sam ist mir nachgelaufen. Ich renne den Gang fast hinunter.

,,Nein!''

Wir durchqueren die Aula und treten raus auf den Schulhof.

,,Bitte!''

Überall auf dem Schulhof stehen Schüler in kleinen Grüppchen herum, reden, lachen. Auf der Freitreppe bleibe ich stehen und fahre herum.

,,WAS IST?''

,,Bitte... Léa. Du hast das alles vollkommen falsch verstanden. Lass es mich erklären! Es-'', stammelt Sam, doch ich unterbreche ihn.

,,Ich denke nicht, dass wir noch über irgendetwas reden müssen. Wir sind fertig.''

Inzwischen hört uns der ganze Schulhof zu. ,,Ich hab mir sowieso schon gedacht, dass das nicht lange halten kann mit den beiden.", tuschelt ein Mädchen aus meiner Stufe.

,,Hast du kein eigenes Leben?", fauche ich sie an. Sie hebt abwehrend die Hände, murmelt ,,Sorry, ist ja schon gut." und verschwindet in der Menge.

Ich hole tief Luft. Egal jetzt.

,,Ich hatte gedacht, du hättest dich für mich geändert, Sam. Du warst so nett und ich habe dir die größten Geheimnisse meines Lebens verraten. Ich habe dir vertraut. Ich war so glücklich am Samstag. Ich glaube, ich habe alle mit meiner unerträglich guten Laune genervt. Aber ich habe mich getäuscht. Du hast dich kein bisschen verändert, Sam. Schade eigentlich. Ich habe nämlich an dich geglaubt.''

Ich merke selbst, dass ich sehr dramatisch klinge. Und schrill. Aber ich kann es nicht ändern.

,,Es ist aus, Sam. Du hast es versaut. Du bist so ein Idiot!''

Mit diesen Worten verwandelt sich meine Stimmung in unsägliche Wut. Und plötzlich geht alles ganz leicht: ich sehe Sam fest an, kneifen die Augen zusammen, werfe den Zopf über die Schulter, drehe mich auf dem Absatz um und rausche davon.

,,Uuh, jetzt hat sie es ihm aber gegeben" , höre ich ein Mädchen sagen. Ich drehe mich im Laufen unauffällig um: Sam steht da wie ein begossener Pudel. Schnell senke ich den Blick, damit niemand die vielen Tränen sieht, die über mein Gesicht laufen. Denn ich bin schon wieder traurig. Und unendlich enttäuscht.

Look after you Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt