Kapitel 20 (Wille)

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TW: BLUT, SUIZID, SELBSTVERLETZUNG (Rede von Suizid und SV, keine Ausführung)

„Simon? Hey.", sage ich ganz zart.
Ich bin so erleichtert und dankbar, dass er wach ist.
„Hey", kommt von ihm zurück.
Ich lasse kurz seine Hand los, um mir meine Tränen vom Gesicht zu wischen.
„Es tut mi-" Ich lasse ihn seinen Satz erst gar nicht beenden.
„Psht, nein, Simon. Ruh dich aus, bitte."

Ich drücke seine Hand, lasse ihn wissen, dass alles gut ist. Versuche aber auch, dass er mich nicht sieht. Ich muss aussehen, wie ein Wrack.
„Kannst du... Kannst du dich zu mir legen?"
Simon redet immernoch sehr leise und schwach, aber gerade laut genug, dass ich hören kann, was er gesagt hat.
„Na klar, mein Schatz."

Ganz vorsichtig lege ich mich auf eine Seite zu Simon. Er lächelt etwas und kuschelt sich an mich.
Ihn bei mir zu haben ist das schönste was ich mir gerade wünschen könnte. Wie er dort liegt, ganz friedlich, neben mir. Allein bei diesen Gedanken laufen mir wieder Tränen über die Wange.
„Bitte nicht, Wille. Wein nicht." Simon gibt mir einen Kuss auf meine Schulter und es hilft. Ihn hier zu haben, hilft. Ihn lebend hier zu haben, hilft.
Der ganze Tag war so, so anstrengend. Ich kann nicht anders, als einzuschlafen, neben der Liebe meines Lebens.

Irgendwann werde ich davon geweckt, wie ich irgendjemanden leise weinen höre.
Simon.
Sofort drehe ich mich zu ihm um ihn anzugucken.
„Simon? Was ist los?" Ich hasse es, ihn so zu sehen.
„Wilhelm..."
„Wille", verbessere ich ihn.
„Wille... Du musst nicht hier bleiben, wenn du nicht willst. Ich kann total verstehen, wenn du hier nach lieber gehen willst..."

„Hey, Simon! Wehe, du sagst sowas nochmal. Ich liebe dich. Nur dich. Ich will nicht gehen und das werde ich nicht tun. Ich werde bei dir bleiben und mich um dich kümmern."
Mittlerweile weint er noch mehr.

„Ich liebe dich auch", kommt leise zurück. Er schmiegt sich wieder an mich, und ich gebe ihm einen kleinen Kuss auf die Stirn.
Ist es möglich, dass noch nie jemand jemanden so sehr geliebt hat, wie ich Simon liebe?
„Kannst du mich bitte küssen?"

„Simooooon, das geht noch nicht! Du bist noch viel zu schwach und ich möchte nicht von deiner Ärztin zurechtgewiesen werden.
„Bitte?" Wie kann man da wiederstehen?
„Na gut." Ich richte mich etwas auf und schaue Simon in die Augen. Ich erkenne dort so viel. Kummer, Trauer, Erschöpfung... Liebe.

Ich kann mich nicht mehr zurückhalten. Also küsse ich ihn. Ich muss in den Kuss lächeln, weil ich so dankbar dafür bin, dass Simon gerade hier liegt.

Aufeinmal höre ich, wie sich die Tür öffnet und ich weiche von Simon ab.
Seine Ärztin betrachtet uns mit hochgezogener Augenbraue.

„Oh, Sie sind ja wach! Also... Zusammenfassend kann man sagen: Sie haben viel Blut verloren und Sie werden sich in den nächsten Tagen noch sehr schwach fühlen. Jedoch besteht kein Grund mehr, Sie hier zu behalten, deswegen können Sie nun entlassen werden."
Sie macht eine kurze Pause, spricht dann aber weiter.

„Es ist jedoch nötig, dass sie sich morgen sofort in psychologische Behandlung in eine Klinik begeben. Sie haben heute kurz Zeit ihre Sachen bereitzulegen. Hier ist der Name der Klinik, in die sie eingewiesen werden und der Antrag auf die Behandlung, die ihnen bevorsteht."

Man merkt, dass Simon der letzte Satz etwas unangenehm ist, also nehme ich ihn in den Arm.
„Wir können nach Hause." Ich lächle ihn an, versuche, ihm etwas Mut zu machen.
Er nickt, leicht lächelnd.

Simon und ich schaffen es problemlos zu ihm nach Hause und sobald wir angekommen sind, legt er sich ins Bett.
„Ruh dich etwas aus, Schatz."
Ich begebe mich ins Bad, um das Blut wegzumachen, bevor es zu sehr trocknet.
Es ist sehr viel Blut. Es ist schwer, nicht zu kotzen.

Aber mit kaltem Wasser lässt es sich gut abwaschen.
Dann liegt dort auch noch das Messer. Mir wird ganz schlecht, wenn ich daran denke, was es fast mit Simon gemacht hätte. Trotzdem hebe ich es auf, nehme es mit in die Küche und säubere es.
Nach circa fünfzehn Minuten ist alles weg und ich gehe wieder zu Simon, der einfach nur an die Decke starrt.
„Simon? Möchtest du vielleicht reden?"
„Komm zu mir."

Sofort liege ich neben ihm. Simon in meinen Armen, mit Tränen in den Augen.
„Du musst auch nicht."
„Doch. Ich will."
Ich sehe, wie ihm wieder Tränen über die Wangen laufen. Ich nehme ihn fester in den Arm.
„Hey. Simon es ist alles gut. Ich höre dir einfach zu, und ich werde dich in keinster Weise verurteilen. Du kannst mit mir reden, aber wenn es Dinge gibt, über die du nicht sprechen möchstest, ist das vollkommen in Ordung." Darauf schmiegt er sich an mich.

„Du weißt ja, das mit meinem Vater. Es war nie einfach, vorallem als er eben immer so betrunken war und... Dinge getan hat.
Deshalb war es für mich auch so schlimm, dich so auf dem Fußballplatz zu sehen.
Hinzu kam dann, dass ich in der Schule niemanden hatte. Ich wurde seit letztem Jahr, als herauskam, dass ich schwul bin, beleidigt, bespuckt und alles schlimme, was man sich vorstellen kann.
Du weißt ja, dann habe ich mich immer selbst verletzt und es tat gut, den Schmerz irgendwo anders als nur in mir drin zu spüren.
Dann kam ich aufs Hillerska und habe dich kennengelernt."

Er stoppt kurz, um mich anzulächeln. Ich nehme seine Hand, drücke sie. Dann redet er weiter.
„Ich war so unfassbar glücklich mit dir, dich lieben zu können und nicht täglich gedemütigt zu werden. Außerdem hast du... Nein, gibst du mir so ein Gefühl von Sicherheit. Ich kann mich fallen lassen. Und dann kam das Video, aber die Geschichte kennst du ja schon.

Als wir wieder zusammengefunden haben, war alles gut und ich war wieder glücklich.
Aber dann kamen die Artikel.
Es hat mich zerstört zu sehen, was andere Leute über unsere Beziehung denken, wie sie darüber urteilen. Da dachte ich, es wäre besser, wenn wir getrennt wären. Doch ich habe bemerkt, dass ich ohne dich nicht leben will und kann. Aber ich wusste, beziehungsweise dachte, du würdest mir das nicht schon wieder verzeihen und es wäre endgültig vorbei für uns. Irgendwann war ich dann an dem Punkt, an dem ich einfach keinen Sinn mehr gesehen habe."

Simon weint. Stark. Er liegt in meinen Armen und vergräbt seinen Kopf in meinem Hals.
Ich bin sprachlos, hilflos. Wie soll ich darauf reagieren? Mein Herz schmerzt, es tut so weh, zu wissen, was ihm angetan wurde. Aber ich weiß gar nicht, wie es ihm dann gehen muss.
Ich weiß absolut nicht, wie ich darauf reagieren soll.

„Simon. Das tut mir im Herzen weh. Dass dir so etwas angetan wurde, ist grausam. Du bist der letzte Mensch auf Erden, der so etwas verdient.
Es tut mir so, so, so leid, dass es dir wegen diesen dummen Artikeln so schlecht ging.
Ich liebe dich so unfassbar sehr, und dir darf niemals wieder so etwas angetan werden, verstanden? Du kannst mit mir reden, mir vertrauen, und ich will, dass du das weißt. Du bist mein ein und alles und hätte ich dich heute wegen so etwas verloren, wäre meine Welt zusammengebrochen.
Denn du Simon, bist meine Welt. Ich liebe dich und ich möchte für immer mit dir zusammenbleiben. Egal was die anderen Menschen denken, nur wir beide zählen."

„Mein Gott, Wille. Ich liebe dich so unfassbar sehr."

sonne; young royals fanficWo Geschichten leben. Entdecke jetzt