Kapitel 25 (Wille)

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Die nächste Woche schaffe ich jetzt auch noch, glaube ich zumindestens.
Simon heute so glücklich zu sehen, dass er offen mit mir geredet hat, ihn zu berühren, zu riechen, hat mir so gut getan.
Zu wissen, dass es ihm gut, besser, geht, ist alles was ich wissen muss, um die Woche jetzt auch noch durchzustehen.

Die Woche zieht sich deutlich länger, als die anderen, aber es passiert auch nichts besonderes.
Ein Test hier, ein Test da, Gottesdienst.
Aber bei allem was ich tue, kann ich nur an Simon denken. An den wunderschönsten, herzlichsten, wunderbarsten Menschen auf Erden.

Es is Samstag. Simon. Simon abholen.
Ich sitze im Auto, kann es kaum abwarten, Simon wieder wann ich möchte in meine Arme zu schließen.
Als wir an der letzten Ampel stehen, möchte ich am liebsten aus dem Auto springen, und nur noch zu meinem Freund rennen.
Nachdem es nach einer gefühlten Ewigkeit grün geworden ist, wir um die Ecke biegen, sehe ich schon einen grinsenden Simon auf dem Parkplatz stehen.
Er hat seine Tasche in der Hand, und guckt direkt auf das Auto.

In seinen Augen sehe ich irgendetwas aufleuchten, etwas, was ich ewig nicht mehr gesehen habe.
Das erste Mal war, als wir uns an meinem ersten Tag im Hillerska angelächelt haben, während er mit engelsgleicher Stimme gesungen hat.
Ich kann es nicht erwarten, sie am Montag wieder zu hören. Simons Stimme gibt mir so einen Komfort. Es ist wie ein Trost, eine Rettung aus all den Problemen.

Ich glaube, ich habe mich in diesem Moment schon in ihn verliebt, wollte es einfach nicht wahrhaben beziehungsweise leugnen.
Dieses Leuchten, wie ich es vermisst habe. Es ist hypnotisierend.

Realisierend, dass wir geparkt haben und Simon auf das Auto zuläuft, steige ich schnell aus und nehme ihn ohne ein Wort in die Arme. Es ist so ein sicherer Ort für mich.

„Oh, hi", kommt es überrascht von ihm.
„Hi." Grinsend schaue ich ihn an.
„Man, Wille. Ich konnte es kaum abwarten wieder mehr Zeit mit dir zu verbringen, dich zu umarmen, wann ich will, und mit dir zu reden. Und natürlich andere Dinge."
Wenn er nur wüsste.

Während Simon mir tief in die Augen schaut, presse ich meine Lippen auf seine, nur, um ihn kurz danach an die Hand zu nehmen und ins Auto zu ziehen.
„Meine Tasche!"
„Malin holt sie, jetzt komm."
Im Auto setze ich mich direkt neben Simon, damit er sich auf meine Schulter legen kann und wir uns nah sein können.

Nach einer langen Autofahrt ohne weitere Worte kommen wir in Bjärstadt an.
„Hey, Simon? Guck mich an."
Ich lege meine Finger unter sein Kinn und richte es zu mir, sodass sich sein Blick auf mich konzentriert.
„Bist du bereit mit deiner Mutter darüber zu reden? Sie ist schließlich zu Hause und möchte bestimmt mit dir sprechen."

„Ja. Bin ich. Ich bin ihr eine Erklärung schuldig und sie muss wissen, dass es mir jetzt wirklich besser geht."
„Du bist die stärkste Person, die ich kenne, Simon."
Etwas nervös lächelt er mich an, bevor wir an der Haustür klingeln.
Die Tür wird nach Sekunden aufgerissen.
„Simon!", kommt es von Linda. Sie nimmt ihn fest in den Arm. Zuerst steht Simon etwas überfordert da, aber dann umarmt auch er sie.

„Oh, mein Simon." Linda fließen mittlerweile Tränen über die Wangen, und auch Simon höre ich leise schluchzen.
Ich fühle mich hier irgendwie falsch am Platz, weshalb ich mich auf den Weg zurück ins Auto machen.
„Wille, warte! Geh in mein Zimmer, kannst du da warten?"
Erleichtert, dass Simon mich noch hier behalten möchte, verschwinde ich in seinem Zimmer.

Nach 45 Minuten sitze ich immer noch alleine in seinem Zimmer.
Aber es macht mir nichts aus. Es ist wichtig, dass er mit seiner Mutter redet. Die beiden haben eine starke, innige Beziehung.

Ich wünschte, so wäre es auch mit meiner Mutter, aber sie war noch nie sonderlich für mich da.
Klar, sie versteht all das mit Simon und unterstützt mich, aber ich könnte nie mit ihr über meine
Probleme reden so wie Simon und Linda.
Erik war der Einzige aus meiner Familie, dem ich Sachen erzählen konnte.

Er hat mir zugehört, und obwohl allein das schon geholfen hat, hat er immer mit mir geredet.
Er hat mich aufgebaut, mir Mut zugesprochen, mich gehalten als ich weinend neben ihm saß, er war einfach immer für mich da.
Aber Erik, Erik hat nie mit mir über seine Probleme gesprochen. Irgendwie schien er immer glücklich, jedoch kann ich mir nicht vorstellen, dass es immer wirklich so war.

Vielleicht wollte er niemanden mit seinen Problemen belasten oder er hatte Angst, etwas würde an die Öffentlichkeit gelangen.
Aber mir hätte er es doch erzählen können, oder?
Oder habe ich ihm immer den Eindruck gegeben, ich kann mit ihm sprechen, er aber nicht mit mir?
Nein, darüber will ich jetzt gar nicht nachdenken.

Das würde mich nur runterziehen, und ich muss jetzt stark und glücklich sein. Für Simon. Meinen Simon, dem es mal wieder gut geht, der gerade jetzt wahrscheinlich ein schweres Gespräch mit seiner Mutter fährt, der mich momentan einfach braucht.

In dem Moment, wo ich wieder über ihn nachdenke, betritt Simon den Raum.
Sein Gesicht rot, seine Augen verquollen.
„Hey", sage ich zart, „komm her."
Simon legt sich vor mich ins Bett, und ich umschließe ihn zart mit meinem Körper, um ihm ein Gefühl von Sicherheit zu gewährleisten.

„Ist alles in Ordung, mein Schatz?"
„Ja... Ja, ich denke schon. Es tat weh, zu sehen, wie meine Mutter reagiert hat, darüber gesprochen hat. Ich wollte sie, dich, nie damit verletzen. Ich bin froh, mit ihr gesprochen zu haben, aber zu wissen, dass ich mich euch fast genommen hätte, ist mir gerade mit diesem Gespräch nochmal viel bewusster geworden. Es war einfach so, so dumm. Es tut mir leid, Wille."

„Simon. Bitte, sag das nicht. Ja, es war schlimm. Aber nichts davon ist deine Schuld. Allein die Dinge, die dich überhaupt dazu gebracht haben, sind schuld. Ja, es war schlimm. Ja, es hat mir das Herz gebrochen. Aber du hast es geschafft, du hast gekämpft, weil du es wolltest. Und dafür liebe ich dich."

„Wille... Ich... Ich habe es geschafft. Es war schlimm, schwer, hart. Aber in all der Zeit, hast du es geschafft, nicht zusammenzubrechen. Du bist stark geblieben, für mich, und dafür bin ich dir so, so dankbar, aber Wille, ich will nicht, dass du irgendwelche Emotionen zurückhältst, weil du glaubst, es hilft mir. Du kannst weinen und schreien, was auch immer du willst. Du hast das alles zurückgehalten, hast es geschafft, stark zu bleiben, doch das musst du nicht. Wille, ich wäre beinahe gestorben, und trotzdem hast du dich so gut unter Kontrolle. Du darfst Emotionen spüren, denn für dich war das mindestens genau so schwer, wie für mich."

Und in diesem Moment, realisiere ich irgendwie alles. Simon, mein Simon, mein Lebensinhalt, meine Liebe, mein ganzes Herz, wäre fast nicht mehr da.
„Du wärst beinahe gestorben...", wiederhole ich leise, bevor in mir irgendetwas zusammenbricht, was ich so, so lange zurückgehalten habe.

Es ist, als würde mich eine Welle überfluten. Ich fange an unkontrolliert zu weinen, zu schluchzen. All das, während ich mich in Simons Shirt kralle und in seinen Nacken weine, als er mich hält.
Simon sagt nichts, er hält mich nur fest, gibt mir Sicherheit, Liebe, alles, was ich in diesem Moment brauche. Ich benötige keine Worte, keine Gesten, nur ihn. Simon allein.
Ich weiß nicht, ob wir Sekunden, Minuten oder Stunden weinend aneinander verbracht haben, aber ich schwöre...

...in diesem Moment waren wir unendlich .

sonne; young royals fanficWo Geschichten leben. Entdecke jetzt