Ein guter Rat

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Severus Snape POV:

Ich war mir sicher, dass ich in meinem Leben noch nie schlimmere Tage als die letzten durchgemacht hatte. Immer wieder spielte sich die Szene mit [Y/N] vor meinem geistigen Auge ab. Immer wieder hörte ich den Vorwurf in meinen Ohren schallen, den ich ihr an den Kopf geworfen hatte.

„Sag mir, wie oft hat er dich schon gevögelt?"

Ich sah noch immer ihren fassungslosen Gesichtsausdruck vor mir, ihr kreidebleiches Gesicht und ihre vor Schreck geweiteten Augen.

Ich versank in Zweifeln, Schuld und Selbstvorwürfen. Vielleicht hatte ich einem Hirngespinst nachgejagt. Vielleicht waren der Wolf und sie wirklich nur Freunde.

Freunde.

Ich hatte keine Ahnung von Freundschaft. Wie sollte ich bewerten können, ob es sich um eine platonische Freundschaft handelte oder mehr im Spiel war? Ich hatte weder Interesse, noch Gespür für menschliche Beziehungen und bisher war ich mit dieser Einstellung gut durchs Leben gekommen.

Doch mit [Y/N] stand ich womöglich vor der größten Herausforderung meines Lebens.

Ich vermisste sie mit jeder Zelle meines Körpers. Mein Herz pumpte wild, wenn ich nur an sie dachte. Jedes Mal, wenn sie mich anlächelte, schien es vor Glück förmlich zu explodieren. Doch es schmerzte seit dem Tag, an dem ich die Kontrolle über meine Gefühle verloren hatte, an dem ich meine Eifersucht nicht länger zügeln konnte.

Es fühlte sich an, wie eine pochende Wunde in der Mitte meines Körpers. Eine Wunde, die verzweifelt versuchte sich zu schließen, aber mit jeder Erinnerung wieder aufgerissen wurde.

Es tat mehr weh, als all der körperliche Schmerz, den ich in meinem bisherigen Leben zu ertragen hatte. Ich fühlte mich schwach.

Ich saß an meinem Schreibtisch in meinem Büro und versuchte mich wieder einmal mit der Benotung der Aufsätze über den Wolfsbanntrank zu befassen. Ich scheiterte. Genauso wie in den letzten Tagen.

Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Ich hatte mich noch nie so hilflos gefühlt und wusste nicht, was ich tun sollte.

Mir kam ein Gedanke, der sowohl unfassbar schwachsinnig, mir aber gleichzeitig als letzter rettender Anker erschien.

Dumbledore.

Der Schulleiter hatte ein Gespür für menschliche Beziehungen. Er war neugierig genug, um sich in dieses Drama einzumischen. Er kannte mich womöglich besser, als ich mich selbst. Er kannte [Y/N] und hatte wahrscheinlich bereits begriffen, was zwischen uns vor sich ging, bevor wir es selbst überhaupt wussten.

Ich konnte nicht ganz bei Sinnen sein, als ich tatsächlich aufstand, mein Büro verließ und mich auf den Weg machte, um den Schulleiter aufzusuchen.

Was hatte diese kleine Hexe mit mir angestellt, um mich von so einer Idee hinreißen zu lassen?

Während ich förmlich durch die Korridore flog, versuchte ich meine Gedanken zu ordnen. Ich wusste weder, was ich mir von Dumbledore erhoffte, noch was ich eigentlich sagen wollte. Alles was ich wusste, war, dass ich einen guten Rat brauchte.

Dumbledore begrüßte mich auch zu dieser späten Stunde überaus freundlich, wenn auch etwas verwundert.

„Professor, Sir, ich benötige Ihren Rat in einer heiklen Angelegenheit privater Natur.", stotterte ich mir einen recht seltsamen Satz zusammen.

Der Schulleiter sah mich noch immer überrascht an, winkte mich jedoch herein und bat mich darum, Platz zu nehmen.

„Es tut mir wirklich leid, Sie zu dieser späten Stunde zu stören."

„Aber, aber, Severus. Dafür bin ich doch da.", sagte er mit sanfter Stimme und lächelte mich freundlich an. „Was haben Sie auf dem Herzen?"

Ich dachte viel zu lange nach.

„Sir, warum haben Sie [Y/N] zurück nach Hogwarts geholt?", redete ich um den heißen Brei herum.

Dumbledore sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Ihn um diese Zeit aufzusuchen, um eine solch' belanglose Frage zu stellen, konnte nicht der wahre Grund dieses Besuches sein. Dennoch antwortete er zögerlich: „Sie war eine Ihrer talentiertesten Schülerinnen, Severus."

Ich starrte auf den Boden, als würden dort die Worte liegen, nach denen ich suchte.

„Das ist nicht der eigentliche Grund warum Sie hier sind, nehme ich an?" Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. „Es geht vermutlich um Sie und [Y/N]?"

Ich nickte kaum merklich.

„Was ist vorgefallen?", fragte der Schulleiter. Er musste mir tatsächlich jedes Wort aus der Nase ziehen.

Ich räusperte mich. Ich hatte noch immer keine geeigneten Worte gefunden, daher sprudelte ich nun unüberlegt alles heraus, was mir auf dem Herzen lag.

„Sie dürften vermutlich längst begriffen haben, dass [Y/N] und ich... uns ziemlich nahe stehen."

Der Schulleiter grinste vergnügt bei dieser Formulierung. Ich fragte mich, ob es nicht doch ein Fehler gewesen war, ihn aufzusuchen.

Ich schluckte meinen Missmut hinunter, bastelte mir weitere Sätze zusammen und versuchte sie einigermaßen verständlich aneinanderzureihen: „Die ganze Situation mit uns ist äußerst schwierig. Wir hatten einen Streit und ich habe sie ziemlich verletzt."

„Worüber habt ihr euch gestritten?", unterbrach er mich.

Ausgerechnet das will er wissen?

Ich wusste nicht, ob es eine gute Idee war, meinen Kollegen mit in die ganze Geschichte hineinzuziehen, noch dazu vor dem Schulleiter. Andererseits würde es meinen Standpunkt eventuell etwas transparenter machen.

„Lupin.", antwortete ich knapp.

„Verstehe.", murmelte Dumbledore gedankenverloren.

Wirklich? Ein Wort und er weiß, worum es geht?

In diesem Moment war ich tatsächlich ziemlich beeindruckt von seiner sozialen Intelligenz. Eine Kompetenz, die mir nicht in die Wiege gelegt wurde und die ich wahrscheinlich niemals vollkommen begreifen würde.

„In der Liebe geht es um Vertrauen, Severus.", sagte der Schulleiter nach einer Weile.

Wie ich dieses Wort hasste. Noch etwas, wozu ich kaum in der Lage war. Wieso war das alles so kompliziert? Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen.

„Gehen Sie zu ihr, reden Sie mit ihr. Es gehört dazu, Schwächen einzugestehen. Das macht die Liebe so stark und perfekt.", sagte er einfühlsam.

Mit [Y/N] zu reden war wahrscheinlich eine gute Idee. Ich war ihr in den letzten Tagen aus dem Weg gegangen, wusste nicht einmal, ob sie ihr Zimmer überhaupt verlassen hatte. Wie ein Feigling hatte ich mich so oft wie möglich in meinem Büro versteckt. Obwohl ich sie so sehr vermisste, war ich zu nervös gewesen, um ihr unter die Augen zu treten.

Aber was soll ich ihr sagen? Was will ich ihr sagen?

„Sagen Sie ihr, was sie denken und fühlen, Severus. Aber vor allem, bitten Sie sie um Verzeihung.", antwortete Dumbledore auf meine nicht ausgesprochene Frage. Ich runzelte die Stirn und dachte kurz darüber nach, ob der Professor Gedanken lesen konnte. Doch nach wenigen Augenblicken verwarf ich diesen Denkansatz, es gab nun Wichtigeres zu tun.

i love you two (Y/N x Snape / Lupin)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt