Part 17

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Viktorias POV:

Ich war gerade so glücklich. Ich würde meine Familie wieder sehen. Andererseits konnte ich es kaum glauben, dass Harold das wirklich zuließ. Lächelnd sah ich ihn an. »Danke, Harold«, bedankte ich mich überglücklich und sprang vor Freude kurz in die Luft. Als ich aus dem Fenster in die Ferne sah, merkte ich, dass es schon dunkel war. »Ich lege mich schlafen«, verkündigte ich immer noch gut gelaunt und nahm Harold das kleine Mädchen aus den Armen. »Hey«, beschwerte er sich, was mich zum Lachen brachte. »Du siehst sie ja morgen wieder.« »Ich kann über Nacht auf sie aufpassen«, schlug er vor und erhob sich. Jetzt könnte ich herausfinden, ob er schläft! »Schläfst du denn nicht?«, fragte ich ihn überrascht. Er schüttelte den Kopf. »Doch, aber ich kann wach bleiben. Du wirst deine Kräfte morgen benötigen.« Ich nickte und ging noch einmal in die Küche. Ich hatte ein leichtes Hungergefühl im Bauch, also nahm ich mir noch etwas Haferbrei und baute eine notdürftige Schlafstätte für die Kleine, bestehend aus einem Korb und einer warmen, weichen Decke. Diese trug ich dann zu Harold und stellte es vor ihm ab. »Hier kannst du die Kleine reinlegen, wenn sie schläft.« Er nickte und ich ging hinauf in mein Zimmer. Dort zog ich mir mein Nachtgewand an und legte mich ins Bett. Ich war so unendlich müde.

Am nächsten Morgen wurde ich durch einen quitschigen Schrei geweckt. Verwirrt öffnete ich die Augen und sah in das Gesicht des kleinen Bündels. Eine große Hand lag auf ihrem Körper. Harold. Ich spürte seine Brust an meinem Rücken. Noch ein Schrei. Nun regte sich auch Harold und rieb sich müde die Augen. Er hatte ein einfaches Leinenhemd an, seine Beine waren durch meine Decke verdeckt. Wieder legte er seine Hand um mich und die Kleine. Scheinbar noch im Halbschlaf drückte er sich noch näher an mich und vergrub sein Gesicht in meinen Haaren. Ich kicherte. Er sah ja schon süß aus, so verschlafen, mit verwuschelten Locken. Obwohl: Süß ist vielleicht nicht das richtige Wort! Eher friedlich. »Harold«, sagte ich leise und stupste ihm mit dem Ellenbogen in die Rippen. Er knurrte leise und richtete sich auf. »Was denn?«, fragte er immer noch schlaftrunken und streckte sich. Ich nahm die Kleine auf den Arm und stand vom Bett auf. »Hältst du sie bitte kurz, ich möchte mich schnell umziehen.« Fast hätte ich einen anzüglichen Kommentar erwartet, doch er nahm sie mir einfach aus dem Armen. Ich nahm mir eins der beiden Kleider und lief ins Bad. Nach einer kurzen Wäsche entledigte ich mich meines Nachtgewands und zog mir das Kleid über. Ich schnürte die Schüre an meiner Brust zu und trat wieder aus dem Badezimmer. Schnell kämmte ich meine Haare, bis mir auffiel, dass Harold nicht mehr da war. Ich lief hinunter in die Küche und sah Harold, wie er die kleine mit dem noch übrig gebliebenen Haferbrei fütterte. Ich nahm mir einen Apfel und biss hinein. Schon lange hatte ich keine mehr gegessen. »Mach dich bereit zum Aufbruch, wir brechen gleich auf.«

Ich stand, mit einem Mantel um die Schultern, an der Eingangstür und wartete auf den Vampir. Immer wieder schweiften mir Fragen durch den Kopf. Wie würde meine Familie reagieren, wenn sie mich sehen? Werden sie mich verstoßen, weil bis jetzt keine der Verschwundenen je zurückgekehrt war? Fragen über Fragen. Und keine Antworten. Denn noch war ich froh, endlich meine Familie wieder zu sehen. Hinter mir hörte ich Schritt und sah Harold die Treppe hinuntergehen. In seinen Armen lag die kleine, die selig schlief. »Bereit?«, fragte er und zog mich an sich ran. Ich nickte und nur wenige Sekunden später standen wir nur noch etwas abgelegen von meinem Dorf. Tränen kamen mir in die Augen. Ich war wieder da, war wieder zu Hause. Mit schnellen Schritten lief ich in mein Dorf und sah mich um. Alles war, wie ich es das letzte Mal gesehen hatte. Aus den Schornsteinen kam Rauch. »Viktoria?«, fragte eine Stimme rechts von mir. Und da stand er. Ryan. Ich rannte auf ihn zu und fiel ihm in die Arme. »Ich hab ich so vermisst, Schwesterchen.« Tränen liefen mir über die Wangen, zum einen, weil ich so glücklich war, ihn wieder zu sehen, auf der anderen, weil ich wusste, dass ich ihn schon in wenigen Minuten wieder verlassen müsste. »Viktoria?«, schrie eine schrille Frauenstimme. Meine Mutter. Auch sie rannte auf uns zu und zog mich in eine feste Umarmung. Harold schien bis jetzt niemand bemerkt zu haben. »Ich hab' dich so vermisst, mein Schatz«, schluchzte meine Mutter und strich mir über das offene Haar. »Mir geht es gut, aber ich bin nicht allein.« Ich drehte mich zu Harold, der immer noch mit dem kleinen Bündel im Arm da stand. »DU!«, schrie mein Bruder voller Zorn und raste auf ihn zu, mit gezücktem Messer. »Ryan, nicht«, rief ich, doch da war Harold ihm schon ausgewichen und Ryan lief ins Leere. Sein Gesicht war verzerrt vor Wut, seine Augen blitzten. Ich nahm Harold die Kleine aus dem Arm und zeigte sie meiner Mutter. »Weißt du, wer ihre Mutter ist?«, fragte ich sie. Mittlerweile hatte sich fast das ganze Dorf um uns herum versammelt. »Das ist die kleine Tochter von Helga«, meinte eine Frau mittleren Alters. »Sie hat ihren Mann in der Vampirnacht verloren und sich gestern erhängt.« Geschockt riss ich die Augen auf. Dann sah ich zu Harold. Ihm schien die ganze Situation etwas unwohl zu sein. Was sollte ich denn jetzt mit der Kleinen machen. »Wie ist ihr Name?«, fragte ich die Frau, die mir soeben diese erschreckende Nachricht erzählt hatte. »Felia«, antwortete diese und man sah Tränen in ihren Augen. »Kann sich irgendjemand um sie kümmern?«, fragte ich in die Runde. Alle schüttelten den Kopf. Hilfesuchend sah ich zu Harold, doch dieser zuckte nur mit den Schultern. Nun sprach wieder meine Mutter. Was sie sagte, schockte mich zutiefst. »Viktoria, Großmutter liegt im Sterben.«

Dark LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt